es zu entscheiden, ob Vorstellungen und Handlun- gen, die nach unseren Ansichten keine Verknüp- fung haben, diese nicht in einem verrükten Kopf haben können?
§. 22.
Wie soll der Wahnsinnige in der Reconvalescenz behandelt, wie sol- len die Rückfälle seiner Krankheit verhütet werden? Wenn er zu genesen an- fängt, so verkürzen sich die Anfälle der Exaltation, kommen seltener und bleiben endlich ganz aus. Er fängt an, seinen Zustand zu ahnden und die Rückkehr des Uebels zu fürchten. Und eben diese Furcht ist eine beruhigende Erscheinung, die auf Wiederkehr des Bewusstseyns der Persön- lichkeit, als dem Merkmale der vollendeten Ge- nesung, hinweist. Auch in dem Gang der kör- perlichen Geschäffte, in den Aus- und Absonde- rungen, der Verdauung, dem Herzschlag, der Wärme u. s. w. ereignen sich mancherley mehr oder weniger sichtbare Veränderungen. Die mo- ralische und physische Erregbarkeit des Kranken ist empfänglicher für den Einfluss normaler Reize. Daher bedarf er einer vorzüglichen Schonung.
Sobald die Genesung des Kranken durch diese Erscheinungen angekündiget und in der Fol- ge bestätiget wird, und er anfängt, sein grenzen- loses Elend zu ahnden; so trenne man ihn von den übrigen Kranken im Irrenhause. Man suche ihm seine Krankheit in den gefälligsten Umrissen,
es zu entſcheiden, ob Vorſtellungen und Handlun- gen, die nach unſeren Anſichten keine Verknüp- fung haben, dieſe nicht in einem verrükten Kopf haben können?
§. 22.
Wie ſoll der Wahnſinnige in der Reconvaleſcenz behandelt, wie ſol- len die Rückfälle ſeiner Krankheit verhütet werden? Wenn er zu geneſen an- fängt, ſo verkürzen ſich die Anfälle der Exaltation, kommen ſeltener und bleiben endlich ganz aus. Er fängt an, ſeinen Zuſtand zu ahnden und die Rückkehr des Uebels zu fürchten. Und eben dieſe Furcht iſt eine beruhigende Erſcheinung, die auf Wiederkehr des Bewuſstſeyns der Perſön- lichkeit, als dem Merkmale der vollendeten Ge- neſung, hinweiſt. Auch in dem Gang der kör- perlichen Geſchäffte, in den Aus- und Abſonde- rungen, der Verdauung, dem Herzſchlag, der Wärme u. ſ. w. ereignen ſich mancherley mehr oder weniger ſichtbare Veränderungen. Die mo- raliſche und phyſiſche Erregbarkeit des Kranken iſt empfänglicher für den Einfluſs normaler Reize. Daher bedarf er einer vorzüglichen Schonung.
Sobald die Geneſung des Kranken durch dieſe Erſcheinungen angekündiget und in der Fol- ge beſtätiget wird, und er anfängt, ſein grenzen- loſes Elend zu ahnden; ſo trenne man ihn von den übrigen Kranken im Irrenhauſe. Man ſuche ihm ſeine Krankheit in den gefälligſten Umriſſen,
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es zu entſcheiden, ob Vorſtellungen und Handlun-
gen, die nach unſeren Anſichten keine Verknüp-
fung haben, dieſe nicht in einem verrükten Kopf
haben können?
§. 22.
Wie ſoll der Wahnſinnige in der
Reconvaleſcenz behandelt, wie ſol-
len die Rückfälle ſeiner Krankheit
verhütet werden? Wenn er zu geneſen an-
fängt, ſo verkürzen ſich die Anfälle der Exaltation,
kommen ſeltener und bleiben endlich ganz aus.
Er fängt an, ſeinen Zuſtand zu ahnden und die
Rückkehr des Uebels zu fürchten. Und eben
dieſe Furcht iſt eine beruhigende Erſcheinung,
die auf Wiederkehr des Bewuſstſeyns der Perſön-
lichkeit, als dem Merkmale der vollendeten Ge-
neſung, hinweiſt. Auch in dem Gang der kör-
perlichen Geſchäffte, in den Aus- und Abſonde-
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Wärme u. ſ. w. ereignen ſich mancherley mehr
oder weniger ſichtbare Veränderungen. Die mo-
raliſche und phyſiſche Erregbarkeit des Kranken
iſt empfänglicher für den Einfluſs normaler Reize.
Daher bedarf er einer vorzüglichen Schonung.
Sobald die Geneſung des Kranken durch
dieſe Erſcheinungen angekündiget und in der Fol-
ge beſtätiget wird, und er anfängt, ſein grenzen-
loſes Elend zu ahnden; ſo trenne man ihn von
den übrigen Kranken im Irrenhauſe. Man ſuche
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/451>, abgerufen am 22.11.2024.
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