Zusammensetzung der japan. Flora u. weitere bemerkenswerthe Züge etc.
welche sie in den nördlichen Landestheilen und allenthalben im Ge- birge Monate lang einhüllt, von grosser Wichtigkeit, so z. B. für die Cucurbitaceen, deren grüne oberirdische Theile wohl der erste Herbst- reif knickt, deren Wurzeln aber durch den Schnee vor dem Erfrieren geschützt sind. Wir müssen eben im Auge behalten, dass selbst auf Yezo das Thermometer nur ausnahmsweise auf --16°C. sinkt, und dies in der rauheren Luft, während unter dem Schnee so niedrige Temperaturen nie vorkommen.
Insbesondere aber ist es die überraschend grosse Zahl von Holz- gewächsen, deren Fortkommen wir, unbekümmert um die Frage nach ihrem Ursprung, vor allem der Gunst des Klimas zuschreiben müssen. Die nordischen Formen fanden hier die gewohnte lange Winterruhe, die tropischen die nöthigen warmen Sommerregen wieder. In einem Klima mit strengen Wintern würden letztere, in einem solchen mit trockenen heissen Sommern die meisten Arten aus beiden Kategorien nicht fortkommen.
Es ist desshalb mit Sicherheit anzunehmen, dass in dem Maasse, in welchem von der ostasiatischen Küste aus landeinwärts der Cha- rakter des Klimas sich ändert, der Gegensatz zwischen strengen Wintern und heissen Sommern sich schärfer ausgebildet hat und die Menge des Niederschlages rasch abnimmt; auch der Charakter der Vegetation sich wesentlich ändert. Das chinesisch-japanische Floren- gebiet Grisebach's umfasst ausser Japan, der russischen Küsten- provinz und Korea keineswegs das ganze chinesische Reich, sondern nur den von den Monsunen beeinflussten östlichsten Theil desselben. Ich ziehe desshalb die Bezeichnung nordöstliches Monsunge- biet vor. Dieses pflanzengeographische Gebiet erstreckt sich nach meiner Auffassung von der Fukian-Strasse und den Gebirgen der Insel Formosa bis gegen die Amurmündung hin und umfasst alle Küstenländer und Inseln rings um das Gelbe und das Japanische Meer, also weit mehr als "Kämpfer's Reich, das Gebiet der Ca- mellien und Celastrineen" nach Schouw. Wir dürfen es das Reich der Magnolien, Camellien und Aralien nennen; denn wenn auch die drei Familien, welche durch diese Namen repräsentiert werden, ihre Hauptentwickelung in den Tropen finden, so sind sie doch dort über ein enormes Gebiet zerstreut und bilden keineswegs einen so cha- rakteristischen und wichtigen Bestandtheil der Vegetation wie im nordöstlichen Monsungebiete, dem gegenüber auch die Vertretung der Magnoliaceen, Ternstroemiaceen und Araliaceen in Nordamerika (auch was die Zahl der Gattungen und Arten betrifft) untergeordnet er- scheint. Das nordöstliche Monsungebiet ist ferner die Region von
13*
Zusammensetzung der japan. Flora u. weitere bemerkenswerthe Züge etc.
welche sie in den nördlichen Landestheilen und allenthalben im Ge- birge Monate lang einhüllt, von grosser Wichtigkeit, so z. B. für die Cucurbitaceen, deren grüne oberirdische Theile wohl der erste Herbst- reif knickt, deren Wurzeln aber durch den Schnee vor dem Erfrieren geschützt sind. Wir müssen eben im Auge behalten, dass selbst auf Yezo das Thermometer nur ausnahmsweise auf —16°C. sinkt, und dies in der rauheren Luft, während unter dem Schnee so niedrige Temperaturen nie vorkommen.
Insbesondere aber ist es die überraschend grosse Zahl von Holz- gewächsen, deren Fortkommen wir, unbekümmert um die Frage nach ihrem Ursprung, vor allem der Gunst des Klimas zuschreiben müssen. Die nordischen Formen fanden hier die gewohnte lange Winterruhe, die tropischen die nöthigen warmen Sommerregen wieder. In einem Klima mit strengen Wintern würden letztere, in einem solchen mit trockenen heissen Sommern die meisten Arten aus beiden Kategorien nicht fortkommen.
Es ist desshalb mit Sicherheit anzunehmen, dass in dem Maasse, in welchem von der ostasiatischen Küste aus landeinwärts der Cha- rakter des Klimas sich ändert, der Gegensatz zwischen strengen Wintern und heissen Sommern sich schärfer ausgebildet hat und die Menge des Niederschlages rasch abnimmt; auch der Charakter der Vegetation sich wesentlich ändert. Das chinesisch-japanische Floren- gebiet Grisebach’s umfasst ausser Japan, der russischen Küsten- provinz und Korea keineswegs das ganze chinesische Reich, sondern nur den von den Monsunen beeinflussten östlichsten Theil desselben. Ich ziehe desshalb die Bezeichnung nordöstliches Monsunge- biet vor. Dieses pflanzengeographische Gebiet erstreckt sich nach meiner Auffassung von der Fukian-Strasse und den Gebirgen der Insel Formosa bis gegen die Amurmündung hin und umfasst alle Küstenländer und Inseln rings um das Gelbe und das Japanische Meer, also weit mehr als »Kämpfer’s Reich, das Gebiet der Ca- mellien und Celastrineen« nach Schouw. Wir dürfen es das Reich der Magnolien, Camellien und Aralien nennen; denn wenn auch die drei Familien, welche durch diese Namen repräsentiert werden, ihre Hauptentwickelung in den Tropen finden, so sind sie doch dort über ein enormes Gebiet zerstreut und bilden keineswegs einen so cha- rakteristischen und wichtigen Bestandtheil der Vegetation wie im nordöstlichen Monsungebiete, dem gegenüber auch die Vertretung der Magnoliaceen, Ternstroemiaceen und Araliaceen in Nordamerika (auch was die Zahl der Gattungen und Arten betrifft) untergeordnet er- scheint. Das nordöstliche Monsungebiet ist ferner die Region von
13*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0219"n="195"/><fwplace="top"type="header">Zusammensetzung der japan. Flora u. weitere bemerkenswerthe Züge etc.</fw><lb/>
welche sie in den nördlichen Landestheilen und allenthalben im Ge-<lb/>
birge Monate lang einhüllt, von grosser Wichtigkeit, so z. B. für die<lb/>
Cucurbitaceen, deren grüne oberirdische Theile wohl der erste Herbst-<lb/>
reif knickt, deren Wurzeln aber durch den Schnee vor dem Erfrieren<lb/>
geschützt sind. Wir müssen eben im Auge behalten, dass selbst auf<lb/>
Yezo das Thermometer nur ausnahmsweise auf —16°C. sinkt, und<lb/>
dies in der rauheren Luft, während unter dem Schnee so niedrige<lb/>
Temperaturen nie vorkommen.</p><lb/><p>Insbesondere aber ist es die überraschend grosse Zahl von Holz-<lb/>
gewächsen, deren Fortkommen wir, unbekümmert um die Frage nach<lb/>
ihrem Ursprung, vor allem der Gunst des Klimas zuschreiben müssen.<lb/>
Die nordischen Formen fanden hier die gewohnte lange Winterruhe,<lb/>
die tropischen die nöthigen warmen Sommerregen wieder. In einem<lb/>
Klima mit strengen Wintern würden letztere, in einem solchen mit<lb/>
trockenen heissen Sommern die meisten Arten aus beiden Kategorien<lb/>
nicht fortkommen.</p><lb/><p>Es ist desshalb mit Sicherheit anzunehmen, dass in dem Maasse,<lb/>
in welchem von der ostasiatischen Küste aus landeinwärts der Cha-<lb/>
rakter des Klimas sich ändert, der Gegensatz zwischen strengen<lb/>
Wintern und heissen Sommern sich schärfer ausgebildet hat und die<lb/>
Menge des Niederschlages rasch abnimmt; auch der Charakter der<lb/>
Vegetation sich wesentlich ändert. Das chinesisch-japanische Floren-<lb/>
gebiet <hirendition="#g">Grisebach’s</hi> umfasst ausser Japan, der russischen Küsten-<lb/>
provinz und Korea keineswegs das ganze chinesische Reich, sondern<lb/>
nur den von den Monsunen beeinflussten östlichsten Theil desselben.<lb/>
Ich ziehe desshalb die Bezeichnung <hirendition="#g">nordöstliches Monsunge-<lb/>
biet</hi> vor. Dieses pflanzengeographische Gebiet erstreckt sich nach<lb/>
meiner Auffassung von der Fukian-Strasse und den Gebirgen der<lb/>
Insel Formosa bis gegen die Amurmündung hin und umfasst alle<lb/>
Küstenländer und Inseln rings um das Gelbe und das Japanische<lb/>
Meer, also weit mehr als »<hirendition="#g">Kämpfer’s</hi> Reich, das Gebiet der Ca-<lb/>
mellien und Celastrineen« nach <hirendition="#g">Schouw</hi>. Wir dürfen es das Reich<lb/>
der Magnolien, Camellien und Aralien nennen; denn wenn auch die<lb/>
drei Familien, welche durch diese Namen repräsentiert werden, ihre<lb/>
Hauptentwickelung in den Tropen finden, so sind sie doch dort über<lb/>
ein enormes Gebiet zerstreut und bilden keineswegs einen so cha-<lb/>
rakteristischen und wichtigen Bestandtheil der Vegetation wie im<lb/>
nordöstlichen Monsungebiete, dem gegenüber auch die Vertretung der<lb/>
Magnoliaceen, Ternstroemiaceen und Araliaceen in Nordamerika (auch<lb/>
was die Zahl der Gattungen und Arten betrifft) untergeordnet er-<lb/>
scheint. Das nordöstliche Monsungebiet ist ferner die Region von<lb/><fwplace="bottom"type="sig">13*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[195/0219]
Zusammensetzung der japan. Flora u. weitere bemerkenswerthe Züge etc.
welche sie in den nördlichen Landestheilen und allenthalben im Ge-
birge Monate lang einhüllt, von grosser Wichtigkeit, so z. B. für die
Cucurbitaceen, deren grüne oberirdische Theile wohl der erste Herbst-
reif knickt, deren Wurzeln aber durch den Schnee vor dem Erfrieren
geschützt sind. Wir müssen eben im Auge behalten, dass selbst auf
Yezo das Thermometer nur ausnahmsweise auf —16°C. sinkt, und
dies in der rauheren Luft, während unter dem Schnee so niedrige
Temperaturen nie vorkommen.
Insbesondere aber ist es die überraschend grosse Zahl von Holz-
gewächsen, deren Fortkommen wir, unbekümmert um die Frage nach
ihrem Ursprung, vor allem der Gunst des Klimas zuschreiben müssen.
Die nordischen Formen fanden hier die gewohnte lange Winterruhe,
die tropischen die nöthigen warmen Sommerregen wieder. In einem
Klima mit strengen Wintern würden letztere, in einem solchen mit
trockenen heissen Sommern die meisten Arten aus beiden Kategorien
nicht fortkommen.
Es ist desshalb mit Sicherheit anzunehmen, dass in dem Maasse,
in welchem von der ostasiatischen Küste aus landeinwärts der Cha-
rakter des Klimas sich ändert, der Gegensatz zwischen strengen
Wintern und heissen Sommern sich schärfer ausgebildet hat und die
Menge des Niederschlages rasch abnimmt; auch der Charakter der
Vegetation sich wesentlich ändert. Das chinesisch-japanische Floren-
gebiet Grisebach’s umfasst ausser Japan, der russischen Küsten-
provinz und Korea keineswegs das ganze chinesische Reich, sondern
nur den von den Monsunen beeinflussten östlichsten Theil desselben.
Ich ziehe desshalb die Bezeichnung nordöstliches Monsunge-
biet vor. Dieses pflanzengeographische Gebiet erstreckt sich nach
meiner Auffassung von der Fukian-Strasse und den Gebirgen der
Insel Formosa bis gegen die Amurmündung hin und umfasst alle
Küstenländer und Inseln rings um das Gelbe und das Japanische
Meer, also weit mehr als »Kämpfer’s Reich, das Gebiet der Ca-
mellien und Celastrineen« nach Schouw. Wir dürfen es das Reich
der Magnolien, Camellien und Aralien nennen; denn wenn auch die
drei Familien, welche durch diese Namen repräsentiert werden, ihre
Hauptentwickelung in den Tropen finden, so sind sie doch dort über
ein enormes Gebiet zerstreut und bilden keineswegs einen so cha-
rakteristischen und wichtigen Bestandtheil der Vegetation wie im
nordöstlichen Monsungebiete, dem gegenüber auch die Vertretung der
Magnoliaceen, Ternstroemiaceen und Araliaceen in Nordamerika (auch
was die Zahl der Gattungen und Arten betrifft) untergeordnet er-
scheint. Das nordöstliche Monsungebiet ist ferner die Region von
13*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/219>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.