waren, keine nennenswerthe Bereicherung erfahren, wohl aber konnten die Notizen über Lebensweise und Verbreitung einzelner Species wesentlich berichtigt und ergänzt werden. Unsere zoologische Kennt- niss des Binnenlandes beschränkt sich nicht mehr, wie noch vor 10 Jahren, auf die Angaben der Japaner, und hat namentlich auf dem Gebiete der wirbellosen Thiere viel gewonnen.
Von dem Vertreter der Quadrumana, Inuus speciosus Tem., dem Saru der Japaner, nahmen v. Siebold und v. Martens an, dass der 35. oder 36. Parallel seine Nordgrenze sei. Er findet sich aber, wie ich bereits vor Jahren zeigte *), bis über den 41. Breitegrad hinaus, bis zur Tsugaru-Strasse, in Theilen des nördlichen und nord- westlichen Honshiu, wo im Winter der Schnee oft 15--20 Fuss hoch liegt und die Temperatur in wenigstens 100 Nächten 2--12°C. unter Null sinkt. Im Spätherbst kommt dieser rothwangige Affe dem Land- mann nicht selten im Ernten seiner Hülsenfrüchte und Hirse am Waldrande zuvor, im Winter aber müssen ihm die Früchte beeren- tragender Sträucher und Schlingpflanzen, vor allem aber der Cupuli- feren die nöthige Nahrung liefern, bis er selbst, von der Flinte oder Falle des Jägers erreicht, abgezogen und verspeist wird.
Saru ist ein allenthalben wohlbekanntes Thier, dessen Name sich in den verschiedensten Landestheilen bei den Benennungen von Flüssen, Orten und Pflanzen angewandt findet. So heisst der bedeutendste linke Nebenfluss des Kitakami Saru-ga-ishi-gawa (Affensteinfluss), so gibt es Orte, wie Saruhashi (Affenbrücke) und Saruhara (Affenfeld) und ähnliche. Ein grosser Löcherschwamm an diversen Baumarten des Nikkogebirges heisst Sarukoshikake (Affenstuhl), die Lager- stroemia indica führt den Namen Sarusuberi (Affengleiter), die Früchte mehrerer Actinidien werden Sarunashi (Affenbirnen) und von Smilax- Arten Sarumame (Affenbohnen) genannt.
In China findet man einen nahen Verwandten des japanischen Affen, nämlich Macacus (Inuus) Tscheliensis M. Edw., fast eben so weit nordwärts, während bekanntlich eine dritte Art (Inuus ecaudatus) noch spärlich auf Gibraltar vorkommt, dagegen im übrigen Südeuropa ganz verschwunden ist. Es ist bemerkenswerth, dass, wie die hier angeführten Affen nahe Verwandte sind, so auch die Palmen, welche in den extremsten Theilen des alten Continentes im wilden Zustande am weitesten nordwärts ragen (Chamaerops humilis und Ch. excelsa), derselben Gattung angehören.
*)Rein, Notizen über die Verbreitung einiger Säugethiere auf Nippon, in "Der Zoologische Garten" XVI (1875), pag. 55.
VIII. Fauna.
waren, keine nennenswerthe Bereicherung erfahren, wohl aber konnten die Notizen über Lebensweise und Verbreitung einzelner Species wesentlich berichtigt und ergänzt werden. Unsere zoologische Kennt- niss des Binnenlandes beschränkt sich nicht mehr, wie noch vor 10 Jahren, auf die Angaben der Japaner, und hat namentlich auf dem Gebiete der wirbellosen Thiere viel gewonnen.
Von dem Vertreter der Quadrumana, Inuus speciosus Tem., dem Saru der Japaner, nahmen v. Siebold und v. Martens an, dass der 35. oder 36. Parallel seine Nordgrenze sei. Er findet sich aber, wie ich bereits vor Jahren zeigte *), bis über den 41. Breitegrad hinaus, bis zur Tsugaru-Strasse, in Theilen des nördlichen und nord- westlichen Honshiu, wo im Winter der Schnee oft 15—20 Fuss hoch liegt und die Temperatur in wenigstens 100 Nächten 2—12°C. unter Null sinkt. Im Spätherbst kommt dieser rothwangige Affe dem Land- mann nicht selten im Ernten seiner Hülsenfrüchte und Hirse am Waldrande zuvor, im Winter aber müssen ihm die Früchte beeren- tragender Sträucher und Schlingpflanzen, vor allem aber der Cupuli- feren die nöthige Nahrung liefern, bis er selbst, von der Flinte oder Falle des Jägers erreicht, abgezogen und verspeist wird.
Saru ist ein allenthalben wohlbekanntes Thier, dessen Name sich in den verschiedensten Landestheilen bei den Benennungen von Flüssen, Orten und Pflanzen angewandt findet. So heisst der bedeutendste linke Nebenfluss des Kitakami Saru-ga-ishi-gawa (Affensteinfluss), so gibt es Orte, wie Saruhashi (Affenbrücke) und Saruhara (Affenfeld) und ähnliche. Ein grosser Löcherschwamm an diversen Baumarten des Nikkôgebirges heisst Sarukoshikake (Affenstuhl), die Lager- stroemia indica führt den Namen Sarusuberi (Affengleiter), die Früchte mehrerer Actinidien werden Sarunashi (Affenbirnen) und von Smilax- Arten Sarumame (Affenbohnen) genannt.
In China findet man einen nahen Verwandten des japanischen Affen, nämlich Macacus (Inuus) Tscheliensis M. Edw., fast eben so weit nordwärts, während bekanntlich eine dritte Art (Inuus ecaudatus) noch spärlich auf Gibraltar vorkommt, dagegen im übrigen Südeuropa ganz verschwunden ist. Es ist bemerkenswerth, dass, wie die hier angeführten Affen nahe Verwandte sind, so auch die Palmen, welche in den extremsten Theilen des alten Continentes im wilden Zustande am weitesten nordwärts ragen (Chamaerops humilis und Ch. excelsa), derselben Gattung angehören.
*)Rein, Notizen über die Verbreitung einiger Säugethiere auf Nippon, in »Der Zoologische Garten« XVI (1875), pag. 55.
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waren, keine nennenswerthe Bereicherung erfahren, wohl aber konnten
die Notizen über Lebensweise und Verbreitung einzelner Species
wesentlich berichtigt und ergänzt werden. Unsere zoologische Kennt-
niss des Binnenlandes beschränkt sich nicht mehr, wie noch vor 10
Jahren, auf die Angaben der Japaner, und hat namentlich auf dem
Gebiete der wirbellosen Thiere viel gewonnen.
Von dem Vertreter der Quadrumana, Inuus speciosus Tem.,
dem Saru der Japaner, nahmen v. Siebold und v. Martens an,
dass der 35. oder 36. Parallel seine Nordgrenze sei. Er findet sich
aber, wie ich bereits vor Jahren zeigte *), bis über den 41. Breitegrad
hinaus, bis zur Tsugaru-Strasse, in Theilen des nördlichen und nord-
westlichen Honshiu, wo im Winter der Schnee oft 15—20 Fuss hoch
liegt und die Temperatur in wenigstens 100 Nächten 2—12°C. unter
Null sinkt. Im Spätherbst kommt dieser rothwangige Affe dem Land-
mann nicht selten im Ernten seiner Hülsenfrüchte und Hirse am
Waldrande zuvor, im Winter aber müssen ihm die Früchte beeren-
tragender Sträucher und Schlingpflanzen, vor allem aber der Cupuli-
feren die nöthige Nahrung liefern, bis er selbst, von der Flinte oder
Falle des Jägers erreicht, abgezogen und verspeist wird.
Saru ist ein allenthalben wohlbekanntes Thier, dessen Name sich
in den verschiedensten Landestheilen bei den Benennungen von Flüssen,
Orten und Pflanzen angewandt findet. So heisst der bedeutendste
linke Nebenfluss des Kitakami Saru-ga-ishi-gawa (Affensteinfluss),
so gibt es Orte, wie Saruhashi (Affenbrücke) und Saruhara (Affenfeld)
und ähnliche. Ein grosser Löcherschwamm an diversen Baumarten
des Nikkôgebirges heisst Sarukoshikake (Affenstuhl), die Lager-
stroemia indica führt den Namen Sarusuberi (Affengleiter), die Früchte
mehrerer Actinidien werden Sarunashi (Affenbirnen) und von Smilax-
Arten Sarumame (Affenbohnen) genannt.
In China findet man einen nahen Verwandten des japanischen
Affen, nämlich Macacus (Inuus) Tscheliensis M. Edw., fast eben so
weit nordwärts, während bekanntlich eine dritte Art (Inuus ecaudatus)
noch spärlich auf Gibraltar vorkommt, dagegen im übrigen Südeuropa
ganz verschwunden ist. Es ist bemerkenswerth, dass, wie die hier
angeführten Affen nahe Verwandte sind, so auch die Palmen, welche
in den extremsten Theilen des alten Continentes im wilden Zustande
am weitesten nordwärts ragen (Chamaerops humilis und Ch. excelsa),
derselben Gattung angehören.
*) Rein, Notizen über die Verbreitung einiger Säugethiere auf Nippon, in
»Der Zoologische Garten« XVI (1875), pag. 55.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/226>, abgerufen am 21.11.2024.
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