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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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5. Periode. Von Nobunaga bis auf Iyeyasu, oder Zeit der Usurpatoren etc.
gegen Hideyoshi eine Schlacht verloren hatte, floh er in seine Provinz
Echizen, wohin ihm der Sieger folgte. In seiner Burg zu Kitanosho,
dem heutigen Fukui, wurde er von Hideyoshi belagert. Als Shibata
sah, dass keine Hülfe und kein Ausweg für ihn blieb, beschloss er,
sich selbst den Tod zu geben, um nicht in die Hände des Feindes
zu fallen, und theilte dies seinen Vasallen mit, ihnen anheimstellend,
Frieden zu schliessen und so sich und ihre Familien zu retten. Diese
aber erklärten alle, auch im Tode ihres Herrn würdig sein zu wollen
und seinem Beispiele zu folgen. Shibata Katsuye dankte ihnen,
dann liess er nach dem Grundsatze der Epicuräer: "Lasset uns essen,
trinken und fröhlich sein, denn morgen sind wir todt", ein grosses
Fest bereiten. Mitten im fröhlichen Verlaufe desselben theilte er
dann seiner Frau den Entschluss, das Harakiri auszuführen, mit und
stellte ihr anheim, mit den übrigen Frauen und Kindern aus dem
Schlosse zu ziehen und ihr Leben zu retten. Die Schwester Nobu-
naga's wollte aber ihrem Bruder und ihrem Manne an heroischem
Muthe nicht nachstehen. Mit Thränen in den Augen dankte sie diesem
für alle empfangene Güte und bat um die Ehre, mit ihm sterben zu
dürfen. Aehnlich verhielten sich die übrigen Frauen. Hierauf liess
Shibata das Schloss anzünden, gab dann seiner Frau, den Kindern
und weiblichen Dienstboten den Todesstoss und schlitzte sich zuletzt
selbst den Leib auf. Seinem Beispiele folgten die übrigen Bewaffneten.
Die Flammen verzehrten darauf Schloss und Leichname.

Noch zeigt man bei Fukui unter einigen alten Kiefern in einem
Tempel das Grabmal von Shibata Katsuye zusammen mit verschie-
denen Andenken, die man, wie Theile seiner Rüstung, nach dem
Brande auffand. Die Geschichte aber von diesem tragischen Ende
eines eigenartig heroischen Geschlechtes hat sich in Fukui von Gene-
ration zu Generation fortgepflanzt. Sie stimmt überein mit dem, was
die Jesuiten seiner Zeit über den Xibatadono (Shibata-dono, Herrn
von Shibata) berichteten.

Nach diesen Ereignissen in Mino und Echizen kehrte Hideyoshi
nach Kioto zurück und zeigte nun, dass er nicht blos Heere führen
und Schlachten gewinnen konnte, sondern auch die Werke des Frie-
dens zu fördern gesonnen war. Die Hauptstadt blühte unter seiner
Leitung von neuem auf und wurde durch manches hervorragende
Bauwerk verschönert. Das Bett des Kamo-gawa wurde corrigiert
und mit Steinplatten ausgelegt. Auch die stattlichste der Brücken,
welche darüber führt, die Sanjo-bashi, ist Hideyoshi's Werk. Er
befestigte Fushimi, das Vorwerk von Kioto, und baute an Stelle des
früheren Klosters in Osaka, welches Nobunaga zerstört hatte, eine

Rein, Japan I. 21

5. Periode. Von Nobunaga bis auf Iyeyasu, oder Zeit der Usurpatoren etc.
gegen Hideyoshi eine Schlacht verloren hatte, floh er in seine Provinz
Echizen, wohin ihm der Sieger folgte. In seiner Burg zu Kitanoshô,
dem heutigen Fukui, wurde er von Hideyoshi belagert. Als Shibata
sah, dass keine Hülfe und kein Ausweg für ihn blieb, beschloss er,
sich selbst den Tod zu geben, um nicht in die Hände des Feindes
zu fallen, und theilte dies seinen Vasallen mit, ihnen anheimstellend,
Frieden zu schliessen und so sich und ihre Familien zu retten. Diese
aber erklärten alle, auch im Tode ihres Herrn würdig sein zu wollen
und seinem Beispiele zu folgen. Shibata Katsuye dankte ihnen,
dann liess er nach dem Grundsatze der Epicuräer: »Lasset uns essen,
trinken und fröhlich sein, denn morgen sind wir todt«, ein grosses
Fest bereiten. Mitten im fröhlichen Verlaufe desselben theilte er
dann seiner Frau den Entschluss, das Harakiri auszuführen, mit und
stellte ihr anheim, mit den übrigen Frauen und Kindern aus dem
Schlosse zu ziehen und ihr Leben zu retten. Die Schwester Nobu-
naga’s wollte aber ihrem Bruder und ihrem Manne an heroischem
Muthe nicht nachstehen. Mit Thränen in den Augen dankte sie diesem
für alle empfangene Güte und bat um die Ehre, mit ihm sterben zu
dürfen. Aehnlich verhielten sich die übrigen Frauen. Hierauf liess
Shibata das Schloss anzünden, gab dann seiner Frau, den Kindern
und weiblichen Dienstboten den Todesstoss und schlitzte sich zuletzt
selbst den Leib auf. Seinem Beispiele folgten die übrigen Bewaffneten.
Die Flammen verzehrten darauf Schloss und Leichname.

Noch zeigt man bei Fukui unter einigen alten Kiefern in einem
Tempel das Grabmal von Shibata Katsuye zusammen mit verschie-
denen Andenken, die man, wie Theile seiner Rüstung, nach dem
Brande auffand. Die Geschichte aber von diesem tragischen Ende
eines eigenartig heroischen Geschlechtes hat sich in Fukui von Gene-
ration zu Generation fortgepflanzt. Sie stimmt überein mit dem, was
die Jesuiten seiner Zeit über den Xibatadono (Shibata-dono, Herrn
von Shibata) berichteten.

Nach diesen Ereignissen in Mino und Echizen kehrte Hideyoshi
nach Kiôto zurück und zeigte nun, dass er nicht blos Heere führen
und Schlachten gewinnen konnte, sondern auch die Werke des Frie-
dens zu fördern gesonnen war. Die Hauptstadt blühte unter seiner
Leitung von neuem auf und wurde durch manches hervorragende
Bauwerk verschönert. Das Bett des Kamo-gawa wurde corrigiert
und mit Steinplatten ausgelegt. Auch die stattlichste der Brücken,
welche darüber führt, die Sanjô-bashi, ist Hideyoshi’s Werk. Er
befestigte Fushimi, das Vorwerk von Kiôto, und baute an Stelle des
früheren Klosters in Ôsaka, welches Nobunaga zerstört hatte, eine

Rein, Japan I. 21
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[321/0347] 5. Periode. Von Nobunaga bis auf Iyeyasu, oder Zeit der Usurpatoren etc. gegen Hideyoshi eine Schlacht verloren hatte, floh er in seine Provinz Echizen, wohin ihm der Sieger folgte. In seiner Burg zu Kitanoshô, dem heutigen Fukui, wurde er von Hideyoshi belagert. Als Shibata sah, dass keine Hülfe und kein Ausweg für ihn blieb, beschloss er, sich selbst den Tod zu geben, um nicht in die Hände des Feindes zu fallen, und theilte dies seinen Vasallen mit, ihnen anheimstellend, Frieden zu schliessen und so sich und ihre Familien zu retten. Diese aber erklärten alle, auch im Tode ihres Herrn würdig sein zu wollen und seinem Beispiele zu folgen. Shibata Katsuye dankte ihnen, dann liess er nach dem Grundsatze der Epicuräer: »Lasset uns essen, trinken und fröhlich sein, denn morgen sind wir todt«, ein grosses Fest bereiten. Mitten im fröhlichen Verlaufe desselben theilte er dann seiner Frau den Entschluss, das Harakiri auszuführen, mit und stellte ihr anheim, mit den übrigen Frauen und Kindern aus dem Schlosse zu ziehen und ihr Leben zu retten. Die Schwester Nobu- naga’s wollte aber ihrem Bruder und ihrem Manne an heroischem Muthe nicht nachstehen. Mit Thränen in den Augen dankte sie diesem für alle empfangene Güte und bat um die Ehre, mit ihm sterben zu dürfen. Aehnlich verhielten sich die übrigen Frauen. Hierauf liess Shibata das Schloss anzünden, gab dann seiner Frau, den Kindern und weiblichen Dienstboten den Todesstoss und schlitzte sich zuletzt selbst den Leib auf. Seinem Beispiele folgten die übrigen Bewaffneten. Die Flammen verzehrten darauf Schloss und Leichname. Noch zeigt man bei Fukui unter einigen alten Kiefern in einem Tempel das Grabmal von Shibata Katsuye zusammen mit verschie- denen Andenken, die man, wie Theile seiner Rüstung, nach dem Brande auffand. Die Geschichte aber von diesem tragischen Ende eines eigenartig heroischen Geschlechtes hat sich in Fukui von Gene- ration zu Generation fortgepflanzt. Sie stimmt überein mit dem, was die Jesuiten seiner Zeit über den Xibatadono (Shibata-dono, Herrn von Shibata) berichteten. Nach diesen Ereignissen in Mino und Echizen kehrte Hideyoshi nach Kiôto zurück und zeigte nun, dass er nicht blos Heere führen und Schlachten gewinnen konnte, sondern auch die Werke des Frie- dens zu fördern gesonnen war. Die Hauptstadt blühte unter seiner Leitung von neuem auf und wurde durch manches hervorragende Bauwerk verschönert. Das Bett des Kamo-gawa wurde corrigiert und mit Steinplatten ausgelegt. Auch die stattlichste der Brücken, welche darüber führt, die Sanjô-bashi, ist Hideyoshi’s Werk. Er befestigte Fushimi, das Vorwerk von Kiôto, und baute an Stelle des früheren Klosters in Ôsaka, welches Nobunaga zerstört hatte, eine Rein, Japan I. 21

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/347>, abgerufen am 15.06.2024.