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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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I. Geschichte des japanischen Volkes.
und einem Vasallen gegeben, dessen Nachfolger 1868 ein schönes
Beispiel unwandelbarer Lehnstreue gaben.

Die Gesetze des Iyeyasu oder das Testament des
Gongen-sama
*), wie man sie bezeichnender häufig nennt, sind
die geistige Hinterlassenschaft des grossen Mannes, bestimmt, seinen
Nachfolgern zur Richtschnur zu dienen, denselben das Shogunat, dem
Lande Frieden und gedeihliche Entwickelung zu sichern. Schon der
Umstand, dass sie diesem Zwecke dritthalbhundert Jahre hindurch
entsprachen, gibt ihnen eine grosse Bedeutung. Aber sie sind uns
auch zum Verständniss der gesellschaftlichen Zustände, sowie der
Denk- und Handlungsweise unter dem Shogunat der Tokugawa von
grossem Werthe. Indem Iyeyasu einerseits die schon bestehende und
meist von Yoritomo herrührende Feudalordnung, anderseits die Prin-
cipien der chinesischen Weisen Confucius und Mencius seinem
Werke zu Grunde legte, schloss er sich den herrschenden Anschau-
ungen und Verhältnissen an und schuf einen Codex, der, als die her-
vorragendste legislative Leistung Japans, auch im Vergleich mit den
Codices der europäischen Völker aus ihrer Feudalzeit viel Interessantes
bietet.

Die Lehre des Confucius von den fünf Universalpflichten (Go-rin)
und Beziehungen der Menschen zu einander, nämlich zwischen Sou-
verän und Unterthanen, Eltern und Kindern, Gatten, Geschwistern
und Freunden, nahm Iyeyasu zum Ausgangspunkt für seine Gesetze,
und so betrachtete er denn auch gleich Confucius die Familie mit
Recht als die Grundlage des Staates und als Basis der Familie ihr
Haupt. Aus diesem Grunde und aus religiösen Rücksichten musste
die Familie erhalten werden. Ein Mittel, dies zu ermöglichen, wo
sie sonst ausgestorben sein würde, war die Adoption.

"Die Gesetze des Gongen-sama zerfallen in zwei Theile. Der
erste umfasst die achtzehn Gesetze, durch welche der Gründer der
Tokugawa-Herrschaft ein Jahr vor seinem Tode Kaiser und Fürsten
des letzten Restes von Unabhängigkeit beraubte und seinen Nach-

*) Eine gute Uebersetzung erschien im Jahre 1874 zu Yokohama von J. F.
Lowder unter dem Titel: "The Legacy of Iyeyas (deified as Gongen-sama):
a Posthumous Manuscript, in One Hundred Chapters, translated from three colla-
ted Copies of the Original". Ein Jahr zuvor hatte bereits P. Kempermann
eine werthvolle deutsche Uebersetzung im 1. Heft der Deutschen Gesellschaft
Ostasiens etc. gegeben unter dem Titel: "Die Gesetze des Iyeyasu". Endlich
finden wir in den Transactions of the Asiatic Society of Japan, Vol. III. part II.
1875 eine interessante Besprechung derselben von einem englischen Juristen,
Namens W. E. Grigsby.

I. Geschichte des japanischen Volkes.
und einem Vasallen gegeben, dessen Nachfolger 1868 ein schönes
Beispiel unwandelbarer Lehnstreue gaben.

Die Gesetze des Iyeyasu oder das Testament des
Gongen-sama
*), wie man sie bezeichnender häufig nennt, sind
die geistige Hinterlassenschaft des grossen Mannes, bestimmt, seinen
Nachfolgern zur Richtschnur zu dienen, denselben das Shôgunat, dem
Lande Frieden und gedeihliche Entwickelung zu sichern. Schon der
Umstand, dass sie diesem Zwecke dritthalbhundert Jahre hindurch
entsprachen, gibt ihnen eine grosse Bedeutung. Aber sie sind uns
auch zum Verständniss der gesellschaftlichen Zustände, sowie der
Denk- und Handlungsweise unter dem Shôgunat der Tokugawa von
grossem Werthe. Indem Iyeyasu einerseits die schon bestehende und
meist von Yoritomo herrührende Feudalordnung, anderseits die Prin-
cipien der chinesischen Weisen Confucius und Mencius seinem
Werke zu Grunde legte, schloss er sich den herrschenden Anschau-
ungen und Verhältnissen an und schuf einen Codex, der, als die her-
vorragendste legislative Leistung Japans, auch im Vergleich mit den
Codices der europäischen Völker aus ihrer Feudalzeit viel Interessantes
bietet.

Die Lehre des Confucius von den fünf Universalpflichten (Go-rin)
und Beziehungen der Menschen zu einander, nämlich zwischen Sou-
verän und Unterthanen, Eltern und Kindern, Gatten, Geschwistern
und Freunden, nahm Iyeyasu zum Ausgangspunkt für seine Gesetze,
und so betrachtete er denn auch gleich Confucius die Familie mit
Recht als die Grundlage des Staates und als Basis der Familie ihr
Haupt. Aus diesem Grunde und aus religiösen Rücksichten musste
die Familie erhalten werden. Ein Mittel, dies zu ermöglichen, wo
sie sonst ausgestorben sein würde, war die Adoption.

»Die Gesetze des Gongen-sama zerfallen in zwei Theile. Der
erste umfasst die achtzehn Gesetze, durch welche der Gründer der
Tokugawa-Herrschaft ein Jahr vor seinem Tode Kaiser und Fürsten
des letzten Restes von Unabhängigkeit beraubte und seinen Nach-

*) Eine gute Uebersetzung erschien im Jahre 1874 zu Yokohama von J. F.
Lowder unter dem Titel: »The Legacy of Iyéyas (deified as Gongen-sama):
a Posthumous Manuscript, in One Hundred Chapters, translated from three colla-
ted Copies of the Original«. Ein Jahr zuvor hatte bereits P. Kempermann
eine werthvolle deutsche Uebersetzung im 1. Heft der Deutschen Gesellschaft
Ostasiens etc. gegeben unter dem Titel: »Die Gesetze des Iyeyasu«. Endlich
finden wir in den Transactions of the Asiatic Society of Japan, Vol. III. part II.
1875 eine interessante Besprechung derselben von einem englischen Juristen,
Namens W. E. Grigsby.
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[362/0388] I. Geschichte des japanischen Volkes. und einem Vasallen gegeben, dessen Nachfolger 1868 ein schönes Beispiel unwandelbarer Lehnstreue gaben. Die Gesetze des Iyeyasu oder das Testament des Gongen-sama *), wie man sie bezeichnender häufig nennt, sind die geistige Hinterlassenschaft des grossen Mannes, bestimmt, seinen Nachfolgern zur Richtschnur zu dienen, denselben das Shôgunat, dem Lande Frieden und gedeihliche Entwickelung zu sichern. Schon der Umstand, dass sie diesem Zwecke dritthalbhundert Jahre hindurch entsprachen, gibt ihnen eine grosse Bedeutung. Aber sie sind uns auch zum Verständniss der gesellschaftlichen Zustände, sowie der Denk- und Handlungsweise unter dem Shôgunat der Tokugawa von grossem Werthe. Indem Iyeyasu einerseits die schon bestehende und meist von Yoritomo herrührende Feudalordnung, anderseits die Prin- cipien der chinesischen Weisen Confucius und Mencius seinem Werke zu Grunde legte, schloss er sich den herrschenden Anschau- ungen und Verhältnissen an und schuf einen Codex, der, als die her- vorragendste legislative Leistung Japans, auch im Vergleich mit den Codices der europäischen Völker aus ihrer Feudalzeit viel Interessantes bietet. Die Lehre des Confucius von den fünf Universalpflichten (Go-rin) und Beziehungen der Menschen zu einander, nämlich zwischen Sou- verän und Unterthanen, Eltern und Kindern, Gatten, Geschwistern und Freunden, nahm Iyeyasu zum Ausgangspunkt für seine Gesetze, und so betrachtete er denn auch gleich Confucius die Familie mit Recht als die Grundlage des Staates und als Basis der Familie ihr Haupt. Aus diesem Grunde und aus religiösen Rücksichten musste die Familie erhalten werden. Ein Mittel, dies zu ermöglichen, wo sie sonst ausgestorben sein würde, war die Adoption. »Die Gesetze des Gongen-sama zerfallen in zwei Theile. Der erste umfasst die achtzehn Gesetze, durch welche der Gründer der Tokugawa-Herrschaft ein Jahr vor seinem Tode Kaiser und Fürsten des letzten Restes von Unabhängigkeit beraubte und seinen Nach- *) Eine gute Uebersetzung erschien im Jahre 1874 zu Yokohama von J. F. Lowder unter dem Titel: »The Legacy of Iyéyas (deified as Gongen-sama): a Posthumous Manuscript, in One Hundred Chapters, translated from three colla- ted Copies of the Original«. Ein Jahr zuvor hatte bereits P. Kempermann eine werthvolle deutsche Uebersetzung im 1. Heft der Deutschen Gesellschaft Ostasiens etc. gegeben unter dem Titel: »Die Gesetze des Iyeyasu«. Endlich finden wir in den Transactions of the Asiatic Society of Japan, Vol. III. part II. 1875 eine interessante Besprechung derselben von einem englischen Juristen, Namens W. E. Grigsby.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/388>, abgerufen am 22.11.2024.