ihnen, sich auf uncultiviertem Lande niederzulassen. Zu ihrer Be- schäftigung gehörte das Wegtragen der Leichen von den Richtplätzen und Einscharren derselben. Auch sie durften sich nur mit ihres Gleichen verheirathen. Die Yamabushi, eine Gruppe niederer, verachteter Bettelmönche, welche aus Wahrsagern und Zauberern her- vorgegangen waren, gesellten sich hinzu. Alle diese Ausgestossenen gehörten der freisinnigen buddhistischen Secte der Ikkoshiu (Shin) an, welche in der Neuzeit so viel Ansehen geniesst.
Gesha's (Tänzerinnen und Sängerinnen) und Joro's (Dirnen), kurzum Alle, die dem Vergnügen dienten, waren verachtet und standen als nothwendiges Uebel gesellschaftlich noch unter den Hinin. Auch die Schauspieler waren gleich jenen von niedriger Abkunft und hatten keine viel höhere Stellung in der gesellschaftlichen Rangordnung.
c. Beziehungen der Holländer, Engländer und Russen zu Japan während des Shogunats der Tokugawa.
Kaum hatten die Holländer gegen Ende des 16. Jahrhunderts das spanische Joch abgeschüttelt, so fingen sie an, ihren Handel nach allen Richtungen auszubreiten. So wurden sie, von commer- ciellen Interessen getrieben, während ihr Unternehmungsgeist den grössten Aufschwung nahm, am Schlusse des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hervorragende Entdecker und Begründer eines reichen und ausgedehnten Colonialbesitzes. In Ostasien wurde Jakatra (Batavia) auf Java ihr Hauptstützpunkt, von welchem aus ihre Schiffe die holländische Flagge nord- und südwärts nach den Inseln und westlichen Gestaden des Stillen Oceans trugen. Schon im Jahre 1600 erschien ein solches zu Funai in Bungo. Die zwei englischen Steuerleute desselben, William Adams und Timothy Shotten, welche mit einem Theile der Mannschaft ans Land kamen, wurden von den Japanern freundlich empfangen, nicht so von den Portugiesen. Diese klagten die Engländer des Seeraubes und ver- schiedener Verbrechen an und wurden darin von einem Theile der Mannschaft unterstützt. Bald darauf sandte man Adams gefangen nach Osaka zu Iyeyasu, der ihn freundlich empfing und ausforschte. Adams war kein Freund der Jesuiten, konnte Schiffe bauen, in Mathe- matik und Astronomie Unterricht ertheilen und war desshalb Iyeyasu willkommen. Bald entliess dieser ihn aus seiner Gefangenschaft, sandte ihn nach Yedo und benutzte seine Talente. Bill Adams ge- wann viel Einfluss, wurde zum Samurai gemacht, mit den Einkünften eines Dorfes Hemi (bei Yokoska) belehnt, erhielt ein Haus in Yedo, durfte aber das Land nicht verlassen. Nach seinem Tode im Jahre
6. Periode. Das Shôgunat der Tokugawa etc.
ihnen, sich auf uncultiviertem Lande niederzulassen. Zu ihrer Be- schäftigung gehörte das Wegtragen der Leichen von den Richtplätzen und Einscharren derselben. Auch sie durften sich nur mit ihres Gleichen verheirathen. Die Yamabushi, eine Gruppe niederer, verachteter Bettelmönche, welche aus Wahrsagern und Zauberern her- vorgegangen waren, gesellten sich hinzu. Alle diese Ausgestossenen gehörten der freisinnigen buddhistischen Secte der Ikkoshiu (Shin) an, welche in der Neuzeit so viel Ansehen geniesst.
Gesha’s (Tänzerinnen und Sängerinnen) und Jôrô’s (Dirnen), kurzum Alle, die dem Vergnügen dienten, waren verachtet und standen als nothwendiges Uebel gesellschaftlich noch unter den Hinin. Auch die Schauspieler waren gleich jenen von niedriger Abkunft und hatten keine viel höhere Stellung in der gesellschaftlichen Rangordnung.
c. Beziehungen der Holländer, Engländer und Russen zu Japan während des Shôgunats der Tokugawa.
Kaum hatten die Holländer gegen Ende des 16. Jahrhunderts das spanische Joch abgeschüttelt, so fingen sie an, ihren Handel nach allen Richtungen auszubreiten. So wurden sie, von commer- ciellen Interessen getrieben, während ihr Unternehmungsgeist den grössten Aufschwung nahm, am Schlusse des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hervorragende Entdecker und Begründer eines reichen und ausgedehnten Colonialbesitzes. In Ostasien wurde Jakatra (Batavia) auf Java ihr Hauptstützpunkt, von welchem aus ihre Schiffe die holländische Flagge nord- und südwärts nach den Inseln und westlichen Gestaden des Stillen Oceans trugen. Schon im Jahre 1600 erschien ein solches zu Funai in Bungo. Die zwei englischen Steuerleute desselben, William Adams und Timothy Shotten, welche mit einem Theile der Mannschaft ans Land kamen, wurden von den Japanern freundlich empfangen, nicht so von den Portugiesen. Diese klagten die Engländer des Seeraubes und ver- schiedener Verbrechen an und wurden darin von einem Theile der Mannschaft unterstützt. Bald darauf sandte man Adams gefangen nach Ôsaka zu Iyeyasu, der ihn freundlich empfing und ausforschte. Adams war kein Freund der Jesuiten, konnte Schiffe bauen, in Mathe- matik und Astronomie Unterricht ertheilen und war desshalb Iyeyasu willkommen. Bald entliess dieser ihn aus seiner Gefangenschaft, sandte ihn nach Yedo und benutzte seine Talente. Bill Adams ge- wann viel Einfluss, wurde zum Samurai gemacht, mit den Einkünften eines Dorfes Hemi (bei Yokoska) belehnt, erhielt ein Haus in Yedo, durfte aber das Land nicht verlassen. Nach seinem Tode im Jahre
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ihnen, sich auf uncultiviertem Lande niederzulassen. Zu ihrer Be-
schäftigung gehörte das Wegtragen der Leichen von den Richtplätzen
und Einscharren derselben. Auch sie durften sich nur mit ihres
Gleichen verheirathen. Die Yamabushi, eine Gruppe niederer,
verachteter Bettelmönche, welche aus Wahrsagern und Zauberern her-
vorgegangen waren, gesellten sich hinzu. Alle diese Ausgestossenen
gehörten der freisinnigen buddhistischen Secte der Ikkoshiu (Shin) an,
welche in der Neuzeit so viel Ansehen geniesst.
Gesha’s (Tänzerinnen und Sängerinnen) und Jôrô’s (Dirnen),
kurzum Alle, die dem Vergnügen dienten, waren verachtet und standen
als nothwendiges Uebel gesellschaftlich noch unter den Hinin. Auch
die Schauspieler waren gleich jenen von niedriger Abkunft und hatten
keine viel höhere Stellung in der gesellschaftlichen Rangordnung.
c. Beziehungen der Holländer, Engländer und Russen zu Japan
während des Shôgunats der Tokugawa.
Kaum hatten die Holländer gegen Ende des 16. Jahrhunderts
das spanische Joch abgeschüttelt, so fingen sie an, ihren Handel
nach allen Richtungen auszubreiten. So wurden sie, von commer-
ciellen Interessen getrieben, während ihr Unternehmungsgeist den
grössten Aufschwung nahm, am Schlusse des 16. und in der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts hervorragende Entdecker und Begründer
eines reichen und ausgedehnten Colonialbesitzes. In Ostasien wurde
Jakatra (Batavia) auf Java ihr Hauptstützpunkt, von welchem aus
ihre Schiffe die holländische Flagge nord- und südwärts nach den
Inseln und westlichen Gestaden des Stillen Oceans trugen. Schon
im Jahre 1600 erschien ein solches zu Funai in Bungo. Die zwei
englischen Steuerleute desselben, William Adams und Timothy
Shotten, welche mit einem Theile der Mannschaft ans Land kamen,
wurden von den Japanern freundlich empfangen, nicht so von den
Portugiesen. Diese klagten die Engländer des Seeraubes und ver-
schiedener Verbrechen an und wurden darin von einem Theile der
Mannschaft unterstützt. Bald darauf sandte man Adams gefangen
nach Ôsaka zu Iyeyasu, der ihn freundlich empfing und ausforschte.
Adams war kein Freund der Jesuiten, konnte Schiffe bauen, in Mathe-
matik und Astronomie Unterricht ertheilen und war desshalb Iyeyasu
willkommen. Bald entliess dieser ihn aus seiner Gefangenschaft,
sandte ihn nach Yedo und benutzte seine Talente. Bill Adams ge-
wann viel Einfluss, wurde zum Samurai gemacht, mit den Einkünften
eines Dorfes Hemi (bei Yokoska) belehnt, erhielt ein Haus in Yedo,
durfte aber das Land nicht verlassen. Nach seinem Tode im Jahre
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/409>, abgerufen am 22.11.2024.
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