4. Die Familie. Adoption. Erziehung und Unterricht etc.
Obwohl Kindersegen wie bei den meisten Völkern so auch in Japan als besondere Gunst des Himmels angesehen wurde und dieser Auffassung auch das Sprüchwort: "Richigi mono ko taxan" (biedere Leute haben viele Kinder) Ausdruck gibt, sind doch die meisten Familien wenig zahlreich und bilden drei Kinder wohl den Durch- schnitt *).
Das neugeborene Kind erhält am siebenten Tage seinen Namen. Ist es 30 Tage alt, so wird ihm der Kopf rasiert. Gereinigt und festlich geschmückt trägt es die Mutter hierauf in den Tempel, opfert hier einige Münzen und bringt dem Familiengotte ihren Dank dar. Von hier wird es den nächsten Verwandten präsentiert, die der Mutter verschiedene symbolische Geschenke für dasselbe mitgeben. Wenn es vier Monate alt ist, wird ein neuer Abschnitt in seinem Leben festlich begonnen. Es wird nun nach Art der Erwachsenen gekleidet und erhält, wenn es der Sohn eines Samurai ist, von seinem Pathen einen Ceremonien-Anzug, der mit den Bildern von Kranichen und Schildkröten als Symbolen eines langen Lebens geziert ist. Eine weitere Feier ist mit dem 11. Tage des 11. Monats verknüpft, von welchem an nur noch einige Stellen des Kopfes vom Kinde rasiert werden, während man an den übrigen das Haar wachsen lässt. Ist der Knabe endlich 15 Jahre alt geworden, so wird er zum Manne, wechselt den Namen und die Haartracht und ist nun heirathsfähig.
Ehrerbietung gegen die Eltern ist die erste Kindespflicht. Man- cher Ausspruch berühmter Männer und bekannte Sprichwörter geben derselben Ausdruck. "Ko-hitsuji-wa hisamadzuite chichi-o nomu", "das Lamm trinkt die Milch knieend", also selbst das Thier achtet seine Eltern, sagt man, oder auch "Karasu-wa oya-no on-o mukuyu", (sogar) "der Rabe vergilt die Wohlthaten seiner Eltern". Darum spricht auch das alte japanische Gesetz eine Strafe von 100 Tagen Gefängniss aus gegen ein Kind, das sich während der gesetzlichen Trauer um Eltern oder Grosseltern verheirathen, und von einem Jahr gegen ein solches, das an der Trauer überhaupt nicht theilnehmen sollte. Es gibt Beispiele genug, dass ein Mann seine Tochter auf einige Jahre an ein Yoshiwara (Freudenfeld, Freudenhaus) ver- kaufte, um die Mittel zu einem ehrbaren Begräbniss seines Vaters zu gewinnen, und die Geschichte der 47 Ronin weist einen Fall auf,
*) Wir müssen uns hier auf die Angabe dieser Thatsache beschränken. Näheres darüber, sowie über Geburt, Krankheiten und andere Dinge, welche besonders in das Bereich der ärztlichen Beobachtung fallen, findet man in dem interessanten Buche von Dr. A. Wernich: "Geographisch-medicinische Studien, Berlin 1878".
4. Die Familie. Adoption. Erziehung und Unterricht etc.
Obwohl Kindersegen wie bei den meisten Völkern so auch in Japan als besondere Gunst des Himmels angesehen wurde und dieser Auffassung auch das Sprüchwort: »Richigi mono ko taxan« (biedere Leute haben viele Kinder) Ausdruck gibt, sind doch die meisten Familien wenig zahlreich und bilden drei Kinder wohl den Durch- schnitt *).
Das neugeborene Kind erhält am siebenten Tage seinen Namen. Ist es 30 Tage alt, so wird ihm der Kopf rasiert. Gereinigt und festlich geschmückt trägt es die Mutter hierauf in den Tempel, opfert hier einige Münzen und bringt dem Familiengotte ihren Dank dar. Von hier wird es den nächsten Verwandten präsentiert, die der Mutter verschiedene symbolische Geschenke für dasselbe mitgeben. Wenn es vier Monate alt ist, wird ein neuer Abschnitt in seinem Leben festlich begonnen. Es wird nun nach Art der Erwachsenen gekleidet und erhält, wenn es der Sohn eines Samurai ist, von seinem Pathen einen Ceremonien-Anzug, der mit den Bildern von Kranichen und Schildkröten als Symbolen eines langen Lebens geziert ist. Eine weitere Feier ist mit dem 11. Tage des 11. Monats verknüpft, von welchem an nur noch einige Stellen des Kopfes vom Kinde rasiert werden, während man an den übrigen das Haar wachsen lässt. Ist der Knabe endlich 15 Jahre alt geworden, so wird er zum Manne, wechselt den Namen und die Haartracht und ist nun heirathsfähig.
Ehrerbietung gegen die Eltern ist die erste Kindespflicht. Man- cher Ausspruch berühmter Männer und bekannte Sprichwörter geben derselben Ausdruck. »Ko-hitsuji-wa hisamadzuite chichi-o nomu«, »das Lamm trinkt die Milch knieend«, also selbst das Thier achtet seine Eltern, sagt man, oder auch »Karasu-wa oya-no on-o mukuyu«, (sogar) »der Rabe vergilt die Wohlthaten seiner Eltern«. Darum spricht auch das alte japanische Gesetz eine Strafe von 100 Tagen Gefängniss aus gegen ein Kind, das sich während der gesetzlichen Trauer um Eltern oder Grosseltern verheirathen, und von einem Jahr gegen ein solches, das an der Trauer überhaupt nicht theilnehmen sollte. Es gibt Beispiele genug, dass ein Mann seine Tochter auf einige Jahre an ein Yoshiwara (Freudenfeld, Freudenhaus) ver- kaufte, um die Mittel zu einem ehrbaren Begräbniss seines Vaters zu gewinnen, und die Geschichte der 47 Rônin weist einen Fall auf,
*) Wir müssen uns hier auf die Angabe dieser Thatsache beschränken. Näheres darüber, sowie über Geburt, Krankheiten und andere Dinge, welche besonders in das Bereich der ärztlichen Beobachtung fallen, findet man in dem interessanten Buche von Dr. A. Wernich: »Geographisch-medicinische Studien, Berlin 1878«.
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4. Die Familie. Adoption. Erziehung und Unterricht etc.
Obwohl Kindersegen wie bei den meisten Völkern so auch in
Japan als besondere Gunst des Himmels angesehen wurde und dieser
Auffassung auch das Sprüchwort: »Richigi mono ko taxan« (biedere
Leute haben viele Kinder) Ausdruck gibt, sind doch die meisten
Familien wenig zahlreich und bilden drei Kinder wohl den Durch-
schnitt *).
Das neugeborene Kind erhält am siebenten Tage seinen Namen.
Ist es 30 Tage alt, so wird ihm der Kopf rasiert. Gereinigt und
festlich geschmückt trägt es die Mutter hierauf in den Tempel, opfert
hier einige Münzen und bringt dem Familiengotte ihren Dank dar.
Von hier wird es den nächsten Verwandten präsentiert, die der Mutter
verschiedene symbolische Geschenke für dasselbe mitgeben. Wenn
es vier Monate alt ist, wird ein neuer Abschnitt in seinem Leben
festlich begonnen. Es wird nun nach Art der Erwachsenen gekleidet
und erhält, wenn es der Sohn eines Samurai ist, von seinem Pathen
einen Ceremonien-Anzug, der mit den Bildern von Kranichen und
Schildkröten als Symbolen eines langen Lebens geziert ist. Eine
weitere Feier ist mit dem 11. Tage des 11. Monats verknüpft, von
welchem an nur noch einige Stellen des Kopfes vom Kinde rasiert
werden, während man an den übrigen das Haar wachsen lässt. Ist
der Knabe endlich 15 Jahre alt geworden, so wird er zum Manne,
wechselt den Namen und die Haartracht und ist nun heirathsfähig.
Ehrerbietung gegen die Eltern ist die erste Kindespflicht. Man-
cher Ausspruch berühmter Männer und bekannte Sprichwörter geben
derselben Ausdruck. »Ko-hitsuji-wa hisamadzuite chichi-o nomu«,
»das Lamm trinkt die Milch knieend«, also selbst das Thier achtet
seine Eltern, sagt man, oder auch »Karasu-wa oya-no on-o mukuyu«,
(sogar) »der Rabe vergilt die Wohlthaten seiner Eltern«. Darum
spricht auch das alte japanische Gesetz eine Strafe von 100 Tagen
Gefängniss aus gegen ein Kind, das sich während der gesetzlichen
Trauer um Eltern oder Grosseltern verheirathen, und von einem Jahr
gegen ein solches, das an der Trauer überhaupt nicht theilnehmen
sollte. Es gibt Beispiele genug, dass ein Mann seine Tochter auf
einige Jahre an ein Yoshiwara (Freudenfeld, Freudenhaus) ver-
kaufte, um die Mittel zu einem ehrbaren Begräbniss seines Vaters
zu gewinnen, und die Geschichte der 47 Rônin weist einen Fall auf,
*) Wir müssen uns hier auf die Angabe dieser Thatsache beschränken.
Näheres darüber, sowie über Geburt, Krankheiten und andere Dinge, welche
besonders in das Bereich der ärztlichen Beobachtung fallen, findet man in dem
interessanten Buche von Dr. A. Wernich: »Geographisch-medicinische Studien,
Berlin 1878«.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/529>, abgerufen am 22.11.2024.
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