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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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II. Ethnographie.

Die japanische Todtenbestattung ist in der Regel ein Be-
gräbniss (Doso) auf einem Friedhofe neben einem Buddhatempel,
selten eine Cremation (Buwa-so). Im ersten Falle ist der Sarg (kuwan
oder hitsugi), in welchen 24 Stunden nach dem Tode der Verstorbene
kommt, ein schwerer Kasten aus weissem Holze, welcher den Leich-
nam in sitzender Stellung aufnimmt, mit dem Kopfe auf einem mit
Theeblättern gefüllten Kissen ruhend. Der Todte wird so gelegt und
beigesetzt, dass der Kopf gen Norden, die Füsse nach Süden ge-
richtet sind. Bei Shintoisten und einigen buddhistischen Secten pflegt
man ihn in ein weisses Tuch zu hüllen, andere Buddhisten wählen
dafür das aus Papier bereitete, mit Schriftzeichen der Palisprache
bedeckte Todtenhemd. Der Sarg wird mit einem weissen Tuche be-
deckt und von Männern abwechselnd auf den Schultern getragen, die
Trauernden folgen im Staats- und Traueranzug. Die Beerdigungs-
ceremonien selbst im Trauerhause und am Grabe sind verschieden,
feierlich Seitens der Priester und nächsten Leidtragenden, während
das Verhalten des übrigen Publicums nur Neugierde, kein Mitgefühl
verräth. Auf das eingemauerte Grab kommt ein einfacher Denkstein
mit Namen und Todestag des Verstorbenen und am butsu-dan oder
Altar des Hausgötzen wird ein ihai oder hölzernes Täfelchen, auf
welchem ebenfalls Name und Todestag des Geschiedenen verzeichnet
sind, angebracht. Ist es eine Person von Rang, so wird daneben
wohl auch ein sakaki (Cleyera japonica) und ein sakura (Prunus
pseudocerasus) gepflanzt, im anderen Falle begnügt man sich mit dem
Aufstellen eines Abschnittes von Bambusrohr als Vase, in die man
blühende oder immergrüne Zweige steckt. Der dritte und neunte
Monat jedes Jahres sind den Besuchen der Gräber gewidmet; man
füllt dann die Vasen mit frischen Zweigen und erinnert sich im Hause
der Vorfahren, denen gewisse Opfer gebracht werden.

Die Feuerbestattung wurde früher nur von der Monto-Secte
allgemein geübt, hat sich aber in der Neuzeit, begünstigt von den
Priestern, die darin eine neue erwünschte Einnahmequelle fanden,
nachdem sie durch die jetzige Regierung meist auf Sporteln reduciert
worden waren, auch auf andere Bekenntnisse ausgedehnt. Die erste
bekannte Cremation ist die des berühmten Priesters Dosho um das
Jahr 700, welche seine Schüler den gegebenen Weisungen gemäss
ausführten. Bald fand die Sache auch anderwärts, sogar in den
höchsten Kreisen Anklang. Vom Jahre 1654 ab ist jedoch kein Kaiser
auf diese Art mehr bestattet worden.

Die Vorrichtungen für die Feuerbestattung sind in Japan ein-
facher als in Gotha und ihre Kosten gering. In drei Classen wird

II. Ethnographie.

Die japanische Todtenbestattung ist in der Regel ein Be-
gräbniss (Dôsô) auf einem Friedhofe neben einem Buddhatempel,
selten eine Cremation (Buwa-sô). Im ersten Falle ist der Sarg (kuwan
oder hitsugi), in welchen 24 Stunden nach dem Tode der Verstorbene
kommt, ein schwerer Kasten aus weissem Holze, welcher den Leich-
nam in sitzender Stellung aufnimmt, mit dem Kopfe auf einem mit
Theeblättern gefüllten Kissen ruhend. Der Todte wird so gelegt und
beigesetzt, dass der Kopf gen Norden, die Füsse nach Süden ge-
richtet sind. Bei Shintôisten und einigen buddhistischen Secten pflegt
man ihn in ein weisses Tuch zu hüllen, andere Buddhisten wählen
dafür das aus Papier bereitete, mit Schriftzeichen der Palisprache
bedeckte Todtenhemd. Der Sarg wird mit einem weissen Tuche be-
deckt und von Männern abwechselnd auf den Schultern getragen, die
Trauernden folgen im Staats- und Traueranzug. Die Beerdigungs-
ceremonien selbst im Trauerhause und am Grabe sind verschieden,
feierlich Seitens der Priester und nächsten Leidtragenden, während
das Verhalten des übrigen Publicums nur Neugierde, kein Mitgefühl
verräth. Auf das eingemauerte Grab kommt ein einfacher Denkstein
mit Namen und Todestag des Verstorbenen und am butsu-dan oder
Altar des Hausgötzen wird ein ihai oder hölzernes Täfelchen, auf
welchem ebenfalls Name und Todestag des Geschiedenen verzeichnet
sind, angebracht. Ist es eine Person von Rang, so wird daneben
wohl auch ein sakaki (Cleyera japonica) und ein sakura (Prunus
pseudocerasus) gepflanzt, im anderen Falle begnügt man sich mit dem
Aufstellen eines Abschnittes von Bambusrohr als Vase, in die man
blühende oder immergrüne Zweige steckt. Der dritte und neunte
Monat jedes Jahres sind den Besuchen der Gräber gewidmet; man
füllt dann die Vasen mit frischen Zweigen und erinnert sich im Hause
der Vorfahren, denen gewisse Opfer gebracht werden.

Die Feuerbestattung wurde früher nur von der Monto-Secte
allgemein geübt, hat sich aber in der Neuzeit, begünstigt von den
Priestern, die darin eine neue erwünschte Einnahmequelle fanden,
nachdem sie durch die jetzige Regierung meist auf Sporteln reduciert
worden waren, auch auf andere Bekenntnisse ausgedehnt. Die erste
bekannte Cremation ist die des berühmten Priesters Dôsho um das
Jahr 700, welche seine Schüler den gegebenen Weisungen gemäss
ausführten. Bald fand die Sache auch anderwärts, sogar in den
höchsten Kreisen Anklang. Vom Jahre 1654 ab ist jedoch kein Kaiser
auf diese Art mehr bestattet worden.

Die Vorrichtungen für die Feuerbestattung sind in Japan ein-
facher als in Gotha und ihre Kosten gering. In drei Classen wird

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[502/0536] II. Ethnographie. Die japanische Todtenbestattung ist in der Regel ein Be- gräbniss (Dôsô) auf einem Friedhofe neben einem Buddhatempel, selten eine Cremation (Buwa-sô). Im ersten Falle ist der Sarg (kuwan oder hitsugi), in welchen 24 Stunden nach dem Tode der Verstorbene kommt, ein schwerer Kasten aus weissem Holze, welcher den Leich- nam in sitzender Stellung aufnimmt, mit dem Kopfe auf einem mit Theeblättern gefüllten Kissen ruhend. Der Todte wird so gelegt und beigesetzt, dass der Kopf gen Norden, die Füsse nach Süden ge- richtet sind. Bei Shintôisten und einigen buddhistischen Secten pflegt man ihn in ein weisses Tuch zu hüllen, andere Buddhisten wählen dafür das aus Papier bereitete, mit Schriftzeichen der Palisprache bedeckte Todtenhemd. Der Sarg wird mit einem weissen Tuche be- deckt und von Männern abwechselnd auf den Schultern getragen, die Trauernden folgen im Staats- und Traueranzug. Die Beerdigungs- ceremonien selbst im Trauerhause und am Grabe sind verschieden, feierlich Seitens der Priester und nächsten Leidtragenden, während das Verhalten des übrigen Publicums nur Neugierde, kein Mitgefühl verräth. Auf das eingemauerte Grab kommt ein einfacher Denkstein mit Namen und Todestag des Verstorbenen und am butsu-dan oder Altar des Hausgötzen wird ein ihai oder hölzernes Täfelchen, auf welchem ebenfalls Name und Todestag des Geschiedenen verzeichnet sind, angebracht. Ist es eine Person von Rang, so wird daneben wohl auch ein sakaki (Cleyera japonica) und ein sakura (Prunus pseudocerasus) gepflanzt, im anderen Falle begnügt man sich mit dem Aufstellen eines Abschnittes von Bambusrohr als Vase, in die man blühende oder immergrüne Zweige steckt. Der dritte und neunte Monat jedes Jahres sind den Besuchen der Gräber gewidmet; man füllt dann die Vasen mit frischen Zweigen und erinnert sich im Hause der Vorfahren, denen gewisse Opfer gebracht werden. Die Feuerbestattung wurde früher nur von der Monto-Secte allgemein geübt, hat sich aber in der Neuzeit, begünstigt von den Priestern, die darin eine neue erwünschte Einnahmequelle fanden, nachdem sie durch die jetzige Regierung meist auf Sporteln reduciert worden waren, auch auf andere Bekenntnisse ausgedehnt. Die erste bekannte Cremation ist die des berühmten Priesters Dôsho um das Jahr 700, welche seine Schüler den gegebenen Weisungen gemäss ausführten. Bald fand die Sache auch anderwärts, sogar in den höchsten Kreisen Anklang. Vom Jahre 1654 ab ist jedoch kein Kaiser auf diese Art mehr bestattet worden. Die Vorrichtungen für die Feuerbestattung sind in Japan ein- facher als in Gotha und ihre Kosten gering. In drei Classen wird

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/536>, abgerufen am 22.11.2024.