erbettelnd -- zieht er von Ort zu Ort, seine neue Lehre zu verkünden. Niemand vermag seinem besiegenden Blick, seiner hinreissenden Be- redtsamkeit zu widerstehen. Er kehrt endlich auch in seine Heimath zurück, wo Vater, Gattin, Sohn (Cuddhodana, Yacodhara, Rahula) und das ganze Land alsbald ihm und seiner Lehre anhangen und durch sie glücklich werden.
Buddha war eigentlich nur ein Reformator des in strengen Kasten- geist und groben Bilderdienst versunkenen Brahmanismus. Seine Nachfolger machten ihn zum Gott und bewirkten, dass seine Tugend- lehre mehr und mehr in groben Götzendienst ausartete.
Streifen wir die mystisch-poetische Hülle, womit Person und Lebensgeschichte des Prinzen Siddhartha umgeben wurden, ab, so bleibt immer noch eine erhabene, sittenreine Gestalt vor uns, welche alle Erfordernisse eines wirksamen Reformators in hohem Maasse be- sass: heiligen Ernst und sittliche Tiefe, überzeugende Gewalt und dramatische Kraft der Rede und des ganzen Auftretens.
Als Hauptzüge der durch Siddhartha begründeten neuen Religion hebt Eitel, einer der besten Kenner derselben, folgende hervor:
1. Gesellschaftlich lehrt der Buddhismus die Geringschätzung des Kastenwesens und des Eigenthums.
2. Dogmatisch ist er ein Atheismus, der Menschen und sitt- liche Ideen vergöttert.
3. Moralisch ist der Buddhismus die Lehre von der Eitelkeit und Unbeständigkeit aller irdischen Güter, von der Seelenwanderung und endlichen Absorption in Nirwana.
Die drei Hauptzüge des Buddhismus sind sonach: 1. Atheis- mus, oder sagen wir besser Deification von Menschen und Ideen in polytheistischer Form der Verehrung; 2. die Lehre von der Seelen- wanderung, womit die Beseitigung des Kastenwesens zusammen- hängt und worauf sich die Wirksamkeit der buddhistischen Ethik stützt; 3. die Lehre von der Erlösung von den Sünden und Ge- brechen und dem Uebergang nach Nirwana aus eigener Kraft.
Shaka (Buddha) ist gleich Confucius nur Philosoph und Tugend- spiegel, kein Erlöser. Nach Buddha kann der Mensch das Er- lösungswerk selbst vollbringen, und hierin, wie in manchem anderen Punkte, steht er den chinesischen Philosophen nicht fern. Er erkennt auch ein gutes sittliches Princip an, und fast sollte man meinen, er vereinige es mit dem Begriffe von einem lebendigen Gott (der aber bei seinen Nachfolgern keine rechte Gestalt gewinnt), wenn er spricht: "Höher als der Himmel und weit unter der Hölle, ausserhalb der fernsten Sterne und weiter als Brahma wohnt, vor Anfang und Ende,
6. Religiöse Zustände.
erbettelnd — zieht er von Ort zu Ort, seine neue Lehre zu verkünden. Niemand vermag seinem besiegenden Blick, seiner hinreissenden Be- redtsamkeit zu widerstehen. Er kehrt endlich auch in seine Heimath zurück, wo Vater, Gattin, Sohn (Çuddhôdana, Yaçôdharâ, Râhula) und das ganze Land alsbald ihm und seiner Lehre anhangen und durch sie glücklich werden.
Buddha war eigentlich nur ein Reformator des in strengen Kasten- geist und groben Bilderdienst versunkenen Brahmanismus. Seine Nachfolger machten ihn zum Gott und bewirkten, dass seine Tugend- lehre mehr und mehr in groben Götzendienst ausartete.
Streifen wir die mystisch-poetische Hülle, womit Person und Lebensgeschichte des Prinzen Siddhârtha umgeben wurden, ab, so bleibt immer noch eine erhabene, sittenreine Gestalt vor uns, welche alle Erfordernisse eines wirksamen Reformators in hohem Maasse be- sass: heiligen Ernst und sittliche Tiefe, überzeugende Gewalt und dramatische Kraft der Rede und des ganzen Auftretens.
Als Hauptzüge der durch Siddhârtha begründeten neuen Religion hebt Eitel, einer der besten Kenner derselben, folgende hervor:
1. Gesellschaftlich lehrt der Buddhismus die Geringschätzung des Kastenwesens und des Eigenthums.
2. Dogmatisch ist er ein Atheïsmus, der Menschen und sitt- liche Ideen vergöttert.
3. Moralisch ist der Buddhismus die Lehre von der Eitelkeit und Unbeständigkeit aller irdischen Güter, von der Seelenwanderung und endlichen Absorption in Nirwâna.
Die drei Hauptzüge des Buddhismus sind sonach: 1. Atheïs- mus, oder sagen wir besser Deïfication von Menschen und Ideen in polytheïstischer Form der Verehrung; 2. die Lehre von der Seelen- wanderung, womit die Beseitigung des Kastenwesens zusammen- hängt und worauf sich die Wirksamkeit der buddhistischen Ethik stützt; 3. die Lehre von der Erlösung von den Sünden und Ge- brechen und dem Uebergang nach Nirwâna aus eigener Kraft.
Shaka (Buddha) ist gleich Confucius nur Philosoph und Tugend- spiegel, kein Erlöser. Nach Buddha kann der Mensch das Er- lösungswerk selbst vollbringen, und hierin, wie in manchem anderen Punkte, steht er den chinesischen Philosophen nicht fern. Er erkennt auch ein gutes sittliches Princip an, und fast sollte man meinen, er vereinige es mit dem Begriffe von einem lebendigen Gott (der aber bei seinen Nachfolgern keine rechte Gestalt gewinnt), wenn er spricht: »Höher als der Himmel und weit unter der Hölle, ausserhalb der fernsten Sterne und weiter als Brahma wohnt, vor Anfang und Ende,
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erbettelnd — zieht er von Ort zu Ort, seine neue Lehre zu verkünden.
Niemand vermag seinem besiegenden Blick, seiner hinreissenden Be-
redtsamkeit zu widerstehen. Er kehrt endlich auch in seine Heimath
zurück, wo Vater, Gattin, Sohn (Çuddhôdana, Yaçôdharâ, Râhula) und
das ganze Land alsbald ihm und seiner Lehre anhangen und durch
sie glücklich werden.
Buddha war eigentlich nur ein Reformator des in strengen Kasten-
geist und groben Bilderdienst versunkenen Brahmanismus. Seine
Nachfolger machten ihn zum Gott und bewirkten, dass seine Tugend-
lehre mehr und mehr in groben Götzendienst ausartete.
Streifen wir die mystisch-poetische Hülle, womit Person und
Lebensgeschichte des Prinzen Siddhârtha umgeben wurden, ab, so
bleibt immer noch eine erhabene, sittenreine Gestalt vor uns, welche
alle Erfordernisse eines wirksamen Reformators in hohem Maasse be-
sass: heiligen Ernst und sittliche Tiefe, überzeugende Gewalt und
dramatische Kraft der Rede und des ganzen Auftretens.
Als Hauptzüge der durch Siddhârtha begründeten neuen Religion
hebt Eitel, einer der besten Kenner derselben, folgende hervor:
1. Gesellschaftlich lehrt der Buddhismus die Geringschätzung
des Kastenwesens und des Eigenthums.
2. Dogmatisch ist er ein Atheïsmus, der Menschen und sitt-
liche Ideen vergöttert.
3. Moralisch ist der Buddhismus die Lehre von der Eitelkeit
und Unbeständigkeit aller irdischen Güter, von der Seelenwanderung
und endlichen Absorption in Nirwâna.
Die drei Hauptzüge des Buddhismus sind sonach: 1. Atheïs-
mus, oder sagen wir besser Deïfication von Menschen und Ideen in
polytheïstischer Form der Verehrung; 2. die Lehre von der Seelen-
wanderung, womit die Beseitigung des Kastenwesens zusammen-
hängt und worauf sich die Wirksamkeit der buddhistischen Ethik
stützt; 3. die Lehre von der Erlösung von den Sünden und Ge-
brechen und dem Uebergang nach Nirwâna aus eigener Kraft.
Shaka (Buddha) ist gleich Confucius nur Philosoph und Tugend-
spiegel, kein Erlöser. Nach Buddha kann der Mensch das Er-
lösungswerk selbst vollbringen, und hierin, wie in manchem anderen
Punkte, steht er den chinesischen Philosophen nicht fern. Er erkennt
auch ein gutes sittliches Princip an, und fast sollte man meinen, er
vereinige es mit dem Begriffe von einem lebendigen Gott (der aber
bei seinen Nachfolgern keine rechte Gestalt gewinnt), wenn er spricht:
»Höher als der Himmel und weit unter der Hölle, ausserhalb der
fernsten Sterne und weiter als Brahma wohnt, vor Anfang und Ende,
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/555>, abgerufen am 22.11.2024.
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