Theile, im Kern des Volkes, bei verschiedenen Gelegenheiten sich noch kund gibt, völlig zu befriedigen und ihm bei seinem geistigen Erwachen ein treuer und sicherer Leitstern zu sein. Die gegenwär- tigen Verhältnisse liegen wesentlich anders als vor 300 Jahren und die Zunahme der Convertiten ist eine ungleich schwächere. Nur wenige Samurai haben sich bis jetzt offen zum Christenthume bekannt, darunter aber solche, die wegen ihrer Gelehrsamkeit und ihres reinen Lebens bei ihren Standesgenossen in hoher Achtung stehen. Unter dem Volke aber haben die Missionäre, welche redegewandt und der Sprache mächtig sind, stets eine grosse Zahl aufmerksamer Zuhörer und bilden Gemeinden, die zu den besten Hoffnungen berechtigen.
Die grössten Hindernisse, welche der Verkündigung des Evan- geliums entgegenstanden, sind gefallen; mehr und mehr nähert sich das Land völliger Religionsfreiheit. Dennoch fehlt es den Missionären nicht an Schwierigkeiten, mit welchen sie zu kämpfen haben; darunter dürfte als grösste und beklagenswertheste nicht sowohl die Indifferenz der heidnischen Japaner, sowie die Verschiedenheit der christlichen Bekenntnisse, als vielmehr die Gleichgültigkeit, ja Feindschaft gegen das Christenthum seitens mancher Fremden dastehen, welche dieser Gesinnung in Wort und Wandel Ausdruck geben. Der Japaner wird jedoch allmählich unterscheiden lernen zwischen denen, welche blos den christlichen Namen tragen, und Solchen, deren Denken und Handeln durch die christliche Lehre geleitet und veredelt wird, und den Werth des Christenthums nach ersteren nicht weiter abschätzen.
II. Ethnographie. 6. Religiöse Zustände.
Theile, im Kern des Volkes, bei verschiedenen Gelegenheiten sich noch kund gibt, völlig zu befriedigen und ihm bei seinem geistigen Erwachen ein treuer und sicherer Leitstern zu sein. Die gegenwär- tigen Verhältnisse liegen wesentlich anders als vor 300 Jahren und die Zunahme der Convertiten ist eine ungleich schwächere. Nur wenige Samurai haben sich bis jetzt offen zum Christenthume bekannt, darunter aber solche, die wegen ihrer Gelehrsamkeit und ihres reinen Lebens bei ihren Standesgenossen in hoher Achtung stehen. Unter dem Volke aber haben die Missionäre, welche redegewandt und der Sprache mächtig sind, stets eine grosse Zahl aufmerksamer Zuhörer und bilden Gemeinden, die zu den besten Hoffnungen berechtigen.
Die grössten Hindernisse, welche der Verkündigung des Evan- geliums entgegenstanden, sind gefallen; mehr und mehr nähert sich das Land völliger Religionsfreiheit. Dennoch fehlt es den Missionären nicht an Schwierigkeiten, mit welchen sie zu kämpfen haben; darunter dürfte als grösste und beklagenswertheste nicht sowohl die Indifferenz der heidnischen Japaner, sowie die Verschiedenheit der christlichen Bekenntnisse, als vielmehr die Gleichgültigkeit, ja Feindschaft gegen das Christenthum seitens mancher Fremden dastehen, welche dieser Gesinnung in Wort und Wandel Ausdruck geben. Der Japaner wird jedoch allmählich unterscheiden lernen zwischen denen, welche blos den christlichen Namen tragen, und Solchen, deren Denken und Handeln durch die christliche Lehre geleitet und veredelt wird, und den Werth des Christenthums nach ersteren nicht weiter abschätzen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0576"n="538"/><fwplace="top"type="header">II. Ethnographie. 6. Religiöse Zustände.</fw><lb/>
Theile, im Kern des Volkes, bei verschiedenen Gelegenheiten sich<lb/>
noch kund gibt, völlig zu befriedigen und ihm bei seinem geistigen<lb/>
Erwachen ein treuer und sicherer Leitstern zu sein. Die gegenwär-<lb/>
tigen Verhältnisse liegen wesentlich anders als vor 300 Jahren und<lb/>
die Zunahme der Convertiten ist eine ungleich schwächere. Nur<lb/>
wenige Samurai haben sich bis jetzt offen zum Christenthume bekannt,<lb/>
darunter aber solche, die wegen ihrer Gelehrsamkeit und ihres reinen<lb/>
Lebens bei ihren Standesgenossen in hoher Achtung stehen. Unter<lb/>
dem Volke aber haben die Missionäre, welche redegewandt und der<lb/>
Sprache mächtig sind, stets eine grosse Zahl aufmerksamer Zuhörer<lb/>
und bilden Gemeinden, die zu den besten Hoffnungen berechtigen.</p><lb/><p>Die grössten Hindernisse, welche der Verkündigung des Evan-<lb/>
geliums entgegenstanden, sind gefallen; mehr und mehr nähert sich<lb/>
das Land völliger Religionsfreiheit. Dennoch fehlt es den Missionären<lb/>
nicht an Schwierigkeiten, mit welchen sie zu kämpfen haben; darunter<lb/>
dürfte als grösste und beklagenswertheste nicht sowohl die Indifferenz<lb/>
der heidnischen Japaner, sowie die Verschiedenheit der christlichen<lb/>
Bekenntnisse, als vielmehr die Gleichgültigkeit, ja Feindschaft gegen<lb/>
das Christenthum seitens mancher Fremden dastehen, welche dieser<lb/>
Gesinnung in Wort und Wandel Ausdruck geben. Der Japaner wird<lb/>
jedoch allmählich unterscheiden lernen zwischen denen, welche blos<lb/>
den christlichen Namen tragen, und Solchen, deren Denken und<lb/>
Handeln durch die christliche Lehre geleitet und veredelt wird, und<lb/>
den Werth des Christenthums nach ersteren nicht weiter abschätzen.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[538/0576]
II. Ethnographie. 6. Religiöse Zustände.
Theile, im Kern des Volkes, bei verschiedenen Gelegenheiten sich
noch kund gibt, völlig zu befriedigen und ihm bei seinem geistigen
Erwachen ein treuer und sicherer Leitstern zu sein. Die gegenwär-
tigen Verhältnisse liegen wesentlich anders als vor 300 Jahren und
die Zunahme der Convertiten ist eine ungleich schwächere. Nur
wenige Samurai haben sich bis jetzt offen zum Christenthume bekannt,
darunter aber solche, die wegen ihrer Gelehrsamkeit und ihres reinen
Lebens bei ihren Standesgenossen in hoher Achtung stehen. Unter
dem Volke aber haben die Missionäre, welche redegewandt und der
Sprache mächtig sind, stets eine grosse Zahl aufmerksamer Zuhörer
und bilden Gemeinden, die zu den besten Hoffnungen berechtigen.
Die grössten Hindernisse, welche der Verkündigung des Evan-
geliums entgegenstanden, sind gefallen; mehr und mehr nähert sich
das Land völliger Religionsfreiheit. Dennoch fehlt es den Missionären
nicht an Schwierigkeiten, mit welchen sie zu kämpfen haben; darunter
dürfte als grösste und beklagenswertheste nicht sowohl die Indifferenz
der heidnischen Japaner, sowie die Verschiedenheit der christlichen
Bekenntnisse, als vielmehr die Gleichgültigkeit, ja Feindschaft gegen
das Christenthum seitens mancher Fremden dastehen, welche dieser
Gesinnung in Wort und Wandel Ausdruck geben. Der Japaner wird
jedoch allmählich unterscheiden lernen zwischen denen, welche blos
den christlichen Namen tragen, und Solchen, deren Denken und
Handeln durch die christliche Lehre geleitet und veredelt wird, und
den Werth des Christenthums nach ersteren nicht weiter abschätzen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/576>, abgerufen am 04.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.