bindung zogen, gestattete auch den hervorragenden Aerzten ihrer Colonie zu Deshima eingehendere Studien über die Geschichte, Reli- gion, Sitten, Flora und Fauna Japans zu machen, als sie je seitens der portugiesischen und spanischen Missionare versucht worden waren, ungeachtet diesen eine grosse Freiheit der Bewegung und mächtige christliche Daimios zu Gebote gestanden hatten.
So befanden sich Kiushiu und sein wichtigster Hafen Nagasaki während mehr als 300 Jahren in der bevorzugten Stellung eines Ver- mittlers zwischen Japan und dem Auslande, ohne dass man für die- selben einen noch heute erkennbaren Gewinn aus diesem Verkehr gegenüber dem Rest des japanischen Reiches nennen könnte. Nur in der keramischen Iudustrie haben Hizen und Satsuma aus ihren näheren Beziehungen zu Korea und China einen dauernden Vortheil gezogen und lange Zeit hindurch einen bedeutenden Vorsprung vor dem übrigen Lande genossen, wobei freilich günstige Verhältnisse Betreffs vortrefflicher Rohmaterialien wesentlich mitwirkten.
Allerdings muss man bei diesem Verkehr mit dem Auslande den etwa 80jährigen, freieren der christlichen Periode wohl unterscheiden von dem beschränkten und streng überwachten mit den Holländern auf Deshima. Jener brachte ohne Zweifel einem ansehnlichen Theile der Bewohner mit dem Christenthum auch eine höhere Bildung und Gesittung, sowie einen gewissen materiellen Wohlstand, Vortheile, die dann freilich durch die Schrecken und Drangsale der Reaction gänzlich verloren gingen.
Die Insel Kiushiu hiess in alter Zeit Tsukushi. Später verblieb dieser Name, mit dem Chikushiu gleichbedeutend ist, nur dem nord- westlichen Theil, während das übrige in Toyo-kuni, Hi-no-kuni und Kumaso-no-kuni unterschieden wurde. Endlich erfolgte eine weitere Theilung von Chikushiu in Chikuzen und Chikugo, von Toyo-kuni (Hoshiu oder Bushiu) in Buzen und Bungo, von Hi-no-kuni (Hishiu) in Hizen und Higo und von Kumaso-no-kuni in Satsuma, Osumi und Hiuga. In Folge dieser Eintheilung wurde der Name Kiushiu (Neun- land) gebräuchlich, doch wird die Insel nicht selten auch Saikoku (Westland) und in Büchern zuweilen Chinsei genannt.
Die Provinzen des Saikaido umfassen 5050000 Bewohner und bilden gegenwärtig die Gouvernements (ken) Nagasaki, Fukuoka, Oida, Kumamoto und Kagoshima.
1. Chikuzen. Diese Provinz grenzt im Osten an Bushiu, im Süden an Chikugo und Hizen, im Westen und Norden an die Genkai- nada, wie hier der Korea-Sund genannt wird. Sie besteht aus Hügel- land und kleinen fruchtbaren Ebenen, in welchen die gewöhnlichen
VIII. Kiushiu.
bindung zogen, gestattete auch den hervorragenden Aerzten ihrer Colonie zu Deshima eingehendere Studien über die Geschichte, Reli- gion, Sitten, Flora und Fauna Japans zu machen, als sie je seitens der portugiesischen und spanischen Missionare versucht worden waren, ungeachtet diesen eine grosse Freiheit der Bewegung und mächtige christliche Daimios zu Gebote gestanden hatten.
So befanden sich Kiushiu und sein wichtigster Hafen Nagasaki während mehr als 300 Jahren in der bevorzugten Stellung eines Ver- mittlers zwischen Japan und dem Auslande, ohne dass man für die- selben einen noch heute erkennbaren Gewinn aus diesem Verkehr gegenüber dem Rest des japanischen Reiches nennen könnte. Nur in der keramischen Iudustrie haben Hizen und Satsuma aus ihren näheren Beziehungen zu Korea und China einen dauernden Vortheil gezogen und lange Zeit hindurch einen bedeutenden Vorsprung vor dem übrigen Lande genossen, wobei freilich günstige Verhältnisse Betreffs vortrefflicher Rohmaterialien wesentlich mitwirkten.
Allerdings muss man bei diesem Verkehr mit dem Auslande den etwa 80jährigen, freieren der christlichen Periode wohl unterscheiden von dem beschränkten und streng überwachten mit den Holländern auf Deshima. Jener brachte ohne Zweifel einem ansehnlichen Theile der Bewohner mit dem Christenthum auch eine höhere Bildung und Gesittung, sowie einen gewissen materiellen Wohlstand, Vortheile, die dann freilich durch die Schrecken und Drangsale der Reaction gänzlich verloren gingen.
Die Insel Kiushiu hiess in alter Zeit Tsukushi. Später verblieb dieser Name, mit dem Chikushiu gleichbedeutend ist, nur dem nord- westlichen Theil, während das übrige in Toyo-kuni, Hi-no-kuni und Kumaso-no-kuni unterschieden wurde. Endlich erfolgte eine weitere Theilung von Chikushiu in Chikuzen und Chikugo, von Toyo-kuni (Hôshiu oder Bushiu) in Buzen und Bungo, von Hi-no-kuni (Hishiu) in Hizen und Higo und von Kumaso-no-kuni in Satsuma, Ôsumi und Hiuga. In Folge dieser Eintheilung wurde der Name Kiushiu (Neun- land) gebräuchlich, doch wird die Insel nicht selten auch Saikoku (Westland) und in Büchern zuweilen Chinsei genannt.
Die Provinzen des Saikaidô umfassen 5050000 Bewohner und bilden gegenwärtig die Gouvernements (ken) Nagasaki, Fukuoka, Oida, Kumamoto und Kagoshima.
1. Chikuzen. Diese Provinz grenzt im Osten an Bushiu, im Süden an Chikugo und Hizen, im Westen und Norden an die Genkai- nada, wie hier der Korea-Sund genannt wird. Sie besteht aus Hügel- land und kleinen fruchtbaren Ebenen, in welchen die gewöhnlichen
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VIII. Kiushiu.
bindung zogen, gestattete auch den hervorragenden Aerzten ihrer
Colonie zu Deshima eingehendere Studien über die Geschichte, Reli-
gion, Sitten, Flora und Fauna Japans zu machen, als sie je seitens
der portugiesischen und spanischen Missionare versucht worden waren,
ungeachtet diesen eine grosse Freiheit der Bewegung und mächtige
christliche Daimios zu Gebote gestanden hatten.
So befanden sich Kiushiu und sein wichtigster Hafen Nagasaki
während mehr als 300 Jahren in der bevorzugten Stellung eines Ver-
mittlers zwischen Japan und dem Auslande, ohne dass man für die-
selben einen noch heute erkennbaren Gewinn aus diesem Verkehr
gegenüber dem Rest des japanischen Reiches nennen könnte. Nur
in der keramischen Iudustrie haben Hizen und Satsuma aus ihren
näheren Beziehungen zu Korea und China einen dauernden Vortheil
gezogen und lange Zeit hindurch einen bedeutenden Vorsprung vor
dem übrigen Lande genossen, wobei freilich günstige Verhältnisse
Betreffs vortrefflicher Rohmaterialien wesentlich mitwirkten.
Allerdings muss man bei diesem Verkehr mit dem Auslande den
etwa 80jährigen, freieren der christlichen Periode wohl unterscheiden
von dem beschränkten und streng überwachten mit den Holländern
auf Deshima. Jener brachte ohne Zweifel einem ansehnlichen Theile
der Bewohner mit dem Christenthum auch eine höhere Bildung und
Gesittung, sowie einen gewissen materiellen Wohlstand, Vortheile,
die dann freilich durch die Schrecken und Drangsale der Reaction
gänzlich verloren gingen.
Die Insel Kiushiu hiess in alter Zeit Tsukushi. Später verblieb
dieser Name, mit dem Chikushiu gleichbedeutend ist, nur dem nord-
westlichen Theil, während das übrige in Toyo-kuni, Hi-no-kuni und
Kumaso-no-kuni unterschieden wurde. Endlich erfolgte eine weitere
Theilung von Chikushiu in Chikuzen und Chikugo, von Toyo-kuni
(Hôshiu oder Bushiu) in Buzen und Bungo, von Hi-no-kuni (Hishiu)
in Hizen und Higo und von Kumaso-no-kuni in Satsuma, Ôsumi und
Hiuga. In Folge dieser Eintheilung wurde der Name Kiushiu (Neun-
land) gebräuchlich, doch wird die Insel nicht selten auch Saikoku
(Westland) und in Büchern zuweilen Chinsei genannt.
Die Provinzen des Saikaidô umfassen 5050000 Bewohner und
bilden gegenwärtig die Gouvernements (ken) Nagasaki, Fukuoka, Oida,
Kumamoto und Kagoshima.
1. Chikuzen. Diese Provinz grenzt im Osten an Bushiu, im
Süden an Chikugo und Hizen, im Westen und Norden an die Genkai-
nada, wie hier der Korea-Sund genannt wird. Sie besteht aus Hügel-
land und kleinen fruchtbaren Ebenen, in welchen die gewöhnlichen
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/643>, abgerufen am 22.11.2024.
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