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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881.

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III. Geologische Verhältnisse.
neben mindestens hundert sogenannten erloschenen Vulkanen gibt es
im Japanischen Reich immer noch eine Anzahl, in deren Schlünden
es wie gewaltiges Meeresbrausen rollt und zischt, aus denen beständig
glühende Dämpfe aufsteigen, den Schiffern ein Wahrzeichen in dunkler
Nacht, und die von Zeit zu Zeit ihre verderblichen Lavaergüsse oder
Aschenregen aussenden. Und wer kann sagen, ob an diesem oder
jenem "erloschenen Vulkan" nicht plötzlich wieder ein neuer Ausbruch
stattfindet und einen neuen Kegel aufbaut, wie dies in früheren
Zeiten so oft schon vorgekommen ist? -- An einer ganzen Anzahl
japanischer Vulkane kann man alte umfangreichere Kraterwände nach-
weisen, der Somma des Vesuv vergleichbar, innerhalb deren oder
seitwärts von denen nach langer Ruhe sich ein neuer und engerer
Schlund öffnete und den Aufbau des Berges fortsetzte; ja oft folgte
eine zweite und dritte Wiederholung derselben Erscheinung. So kann
man nach der Lage und Beschaffenheit der verschiedenen Kratere
und ihrer Auswürflinge auch bei japanischen Vulkanen in grossen
Zügen verschiedene Perioden ihrer Thätigkeit feststellen, eben so
sicher, wie sie ein Historiker in der Geschichte eines Volkes nach-
weist. In den meisten Fällen geht auch bei japanischen Vulkanen
das sanfte Ansteigen des Kegels am Fusse in immer steilere Gehänge
über, je höher man kommt. Die Kraterweite beträgt bei der letzten
Kraterbildung der erloschenen, wie der noch thätigen Vulkane im
Durchschnitt 600--800 Meter, während sie bei den erkennbar ältesten
Auswürfen oft 3--4 mal so gross war und in ihrer Ausdehnung an
die gewaltigen Schlünde des Kilauea und Mokuaweoweo auf Hawai
erinnern. Die steilsten Partieen japanischer Vulkane, die ich bestiegen
und gemessen habe, zeigten Böschungswinkel zwischen 30 und 40
Grad, während der sanfte Anstieg am Fusse oft auf weite Strecken,
wie beim Ganju-san in Nambu, zwischen 2--4° Neigung hat. Indess
sind auch bei vulkanischen Bergen Gestalt und Steilheit von mancherlei
Umständen abhängig, unter welchen die Beschaffenheit des Auswurfs-
materials und die herrschende Windrichtung zur Zeit der Eruption,
besonders wenn die Auswürfe nicht in Lava, sondern in Bomben,
Lapilli und Asche bestehen, vor allem aber die Umgebung und die
relative Lage der aufeinander folgenden Kratere von grösster Bedeu-
tung sind. Betrachten wir mit Rücksicht auf die letzteren Verhält-
nisse die durch ihre Kegelform besonders ausgezeichneten Vulkane-
den Fuji-no-yama, Chokai-san, Ganju-san, Iwaki-san, Mioko-san und
andere mächtige Gipfel, von den zahlreichen kleineren nicht zu reden,
so finden wir, dass sie mehr oder minder abseits vom älteren Gebirge,
fast allseits frei aus der Ebene sich erheben und die der Zeit nach

III. Geologische Verhältnisse.
neben mindestens hundert sogenannten erloschenen Vulkanen gibt es
im Japanischen Reich immer noch eine Anzahl, in deren Schlünden
es wie gewaltiges Meeresbrausen rollt und zischt, aus denen beständig
glühende Dämpfe aufsteigen, den Schiffern ein Wahrzeichen in dunkler
Nacht, und die von Zeit zu Zeit ihre verderblichen Lavaergüsse oder
Aschenregen aussenden. Und wer kann sagen, ob an diesem oder
jenem »erloschenen Vulkan« nicht plötzlich wieder ein neuer Ausbruch
stattfindet und einen neuen Kegel aufbaut, wie dies in früheren
Zeiten so oft schon vorgekommen ist? — An einer ganzen Anzahl
japanischer Vulkane kann man alte umfangreichere Kraterwände nach-
weisen, der Somma des Vesuv vergleichbar, innerhalb deren oder
seitwärts von denen nach langer Ruhe sich ein neuer und engerer
Schlund öffnete und den Aufbau des Berges fortsetzte; ja oft folgte
eine zweite und dritte Wiederholung derselben Erscheinung. So kann
man nach der Lage und Beschaffenheit der verschiedenen Kratere
und ihrer Auswürflinge auch bei japanischen Vulkanen in grossen
Zügen verschiedene Perioden ihrer Thätigkeit feststellen, eben so
sicher, wie sie ein Historiker in der Geschichte eines Volkes nach-
weist. In den meisten Fällen geht auch bei japanischen Vulkanen
das sanfte Ansteigen des Kegels am Fusse in immer steilere Gehänge
über, je höher man kommt. Die Kraterweite beträgt bei der letzten
Kraterbildung der erloschenen, wie der noch thätigen Vulkane im
Durchschnitt 600—800 Meter, während sie bei den erkennbar ältesten
Auswürfen oft 3—4 mal so gross war und in ihrer Ausdehnung an
die gewaltigen Schlünde des Kilauea und Mokuaweoweo auf Hawaï
erinnern. Die steilsten Partieen japanischer Vulkane, die ich bestiegen
und gemessen habe, zeigten Böschungswinkel zwischen 30 und 40
Grad, während der sanfte Anstieg am Fusse oft auf weite Strecken,
wie beim Ganju-san in Nambu, zwischen 2—4° Neigung hat. Indess
sind auch bei vulkanischen Bergen Gestalt und Steilheit von mancherlei
Umständen abhängig, unter welchen die Beschaffenheit des Auswurfs-
materials und die herrschende Windrichtung zur Zeit der Eruption,
besonders wenn die Auswürfe nicht in Lava, sondern in Bomben,
Lapilli und Asche bestehen, vor allem aber die Umgebung und die
relative Lage der aufeinander folgenden Kratere von grösster Bedeu-
tung sind. Betrachten wir mit Rücksicht auf die letzteren Verhält-
nisse die durch ihre Kegelform besonders ausgezeichneten Vulkane-
den Fuji-no-yama, Chôkai-san, Ganju-san, Iwaki-san, Mioko-san und
andere mächtige Gipfel, von den zahlreichen kleineren nicht zu reden,
so finden wir, dass sie mehr oder minder abseits vom älteren Gebirge,
fast allseits frei aus der Ebene sich erheben und die der Zeit nach

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[46/0066] III. Geologische Verhältnisse. neben mindestens hundert sogenannten erloschenen Vulkanen gibt es im Japanischen Reich immer noch eine Anzahl, in deren Schlünden es wie gewaltiges Meeresbrausen rollt und zischt, aus denen beständig glühende Dämpfe aufsteigen, den Schiffern ein Wahrzeichen in dunkler Nacht, und die von Zeit zu Zeit ihre verderblichen Lavaergüsse oder Aschenregen aussenden. Und wer kann sagen, ob an diesem oder jenem »erloschenen Vulkan« nicht plötzlich wieder ein neuer Ausbruch stattfindet und einen neuen Kegel aufbaut, wie dies in früheren Zeiten so oft schon vorgekommen ist? — An einer ganzen Anzahl japanischer Vulkane kann man alte umfangreichere Kraterwände nach- weisen, der Somma des Vesuv vergleichbar, innerhalb deren oder seitwärts von denen nach langer Ruhe sich ein neuer und engerer Schlund öffnete und den Aufbau des Berges fortsetzte; ja oft folgte eine zweite und dritte Wiederholung derselben Erscheinung. So kann man nach der Lage und Beschaffenheit der verschiedenen Kratere und ihrer Auswürflinge auch bei japanischen Vulkanen in grossen Zügen verschiedene Perioden ihrer Thätigkeit feststellen, eben so sicher, wie sie ein Historiker in der Geschichte eines Volkes nach- weist. In den meisten Fällen geht auch bei japanischen Vulkanen das sanfte Ansteigen des Kegels am Fusse in immer steilere Gehänge über, je höher man kommt. Die Kraterweite beträgt bei der letzten Kraterbildung der erloschenen, wie der noch thätigen Vulkane im Durchschnitt 600—800 Meter, während sie bei den erkennbar ältesten Auswürfen oft 3—4 mal so gross war und in ihrer Ausdehnung an die gewaltigen Schlünde des Kilauea und Mokuaweoweo auf Hawaï erinnern. Die steilsten Partieen japanischer Vulkane, die ich bestiegen und gemessen habe, zeigten Böschungswinkel zwischen 30 und 40 Grad, während der sanfte Anstieg am Fusse oft auf weite Strecken, wie beim Ganju-san in Nambu, zwischen 2—4° Neigung hat. Indess sind auch bei vulkanischen Bergen Gestalt und Steilheit von mancherlei Umständen abhängig, unter welchen die Beschaffenheit des Auswurfs- materials und die herrschende Windrichtung zur Zeit der Eruption, besonders wenn die Auswürfe nicht in Lava, sondern in Bomben, Lapilli und Asche bestehen, vor allem aber die Umgebung und die relative Lage der aufeinander folgenden Kratere von grösster Bedeu- tung sind. Betrachten wir mit Rücksicht auf die letzteren Verhält- nisse die durch ihre Kegelform besonders ausgezeichneten Vulkane- den Fuji-no-yama, Chôkai-san, Ganju-san, Iwaki-san, Mioko-san und andere mächtige Gipfel, von den zahlreichen kleineren nicht zu reden, so finden wir, dass sie mehr oder minder abseits vom älteren Gebirge, fast allseits frei aus der Ebene sich erheben und die der Zeit nach

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/66>, abgerufen am 21.11.2024.