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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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dann in der Puppe weiter, so dass der daraus erhaltene Schmetter-
ling die Symptome des Uebels deutlich erkennen lässt.

Viel wichtiger, als die angeführten äusseren Kennzeichen der
Krankheit, sind die inneren Umwandlungen, welche sie im Körper des
Insekts bewirkt. Man hat dieselben von verschiedenen Seiten einem
sorgfältigen Studium unterworfen und gefunden, dass als sicherstes
Zeichen der Pebrine gewisse eiförmige, ellipsoidische oder walzen-
förmige und dann an beiden Enden halbkugelförmig abgerundete
Körperchen anzusehen sind, deren Länge 0,005--0,002 mm beträgt
und die sich dem Lichte gegenüber wie Oeltropfen verhalten. Diese
"Corpusculs vibrants" wurden zuerst von Prof. Cornalia in Mailand
näher untersucht und beschrieben und werden desshalb auch nach
ihm die Cornalia'schen Körperchen genannt. Die Natur dieser Orga-
nismen, der Nosema bombycis Nagl., wurde erst später festgestellt.
Sie finden sich in allen Theilen des erkrankten Insekts, auch in den
Auswürfen, und pflanzen sich von Generation zu Generation fort. Der
gesunde Schmetterling hat keine Körperchen, noch finden sich solche
in seinen Eiern. Hierauf hat man denn nach dem Vorgang des be-
kannten Physiologen Pasteur auch das einzig wirksame Heilmittel, oder
sagen wir besser, das Mittel zur Beherrschung und Beseitigung der
Krankheit gegründet, das, consequent durchgeführt, die besten Resultate
liefert, wie die Erfahrung gezeigt hat. Es besteht darin, dass man
die zur Zucht bestimmten Schmetterlinge und ihren Samen auf's sorg-
fältigste mikroskopisch prüft und alles Verdächtige ausscheidet, dass
man die Zucht mit grösster Sorgfalt leitet und kranke Raupen mög-
lichst fern hält. Die besonderen Vorschriften und Vorrichtungen zu
diesem Zweck anzuführen, würde hier zu weit führen. Nur sei im
Anschluss daran noch erwähnt, dass die seiner Zeit von Liebig und
Andern vertretene Ansicht, als habe die Cultur des Maulbeerbaumes
allmählich eine Schwächung und chemische Veränderung des Futters
durch Bodenerschöpfung bewirkt und dieses in erster Linie die Krank-
heit hervorgerufen, durchaus irrig war, wie ich schon vor 18 Jahren
gezeigt habe.*)

Die Sommer 1856, 1862 und 1865 waren die schlechtesten für
die Seidenzucht der Neuzeit. Sie zeichneten sich alle durch schwüle
Witterung und mehrere lang dauernde Regen während der Raupen-
zucht in Südeuropa aus, so dass diese abnorme und ungünstige Witte-
rung jedenfalls die Krankheit in hohem Grade förderte.

*) Rein: Der gegenwärtige Stand des Seidenbaues. Frankfurt a/M. 1868.
pg. 22--24.

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dann in der Puppe weiter, so dass der daraus erhaltene Schmetter-
ling die Symptome des Uebels deutlich erkennen lässt.

Viel wichtiger, als die angeführten äusseren Kennzeichen der
Krankheit, sind die inneren Umwandlungen, welche sie im Körper des
Insekts bewirkt. Man hat dieselben von verschiedenen Seiten einem
sorgfältigen Studium unterworfen und gefunden, dass als sicherstes
Zeichen der Pébrine gewisse eiförmige, ellipsoidische oder walzen-
förmige und dann an beiden Enden halbkugelförmig abgerundete
Körperchen anzusehen sind, deren Länge 0,005—0,002 mm beträgt
und die sich dem Lichte gegenüber wie Oeltropfen verhalten. Diese
»Corpusculs vibrants« wurden zuerst von Prof. Cornalia in Mailand
näher untersucht und beschrieben und werden desshalb auch nach
ihm die Cornalia’schen Körperchen genannt. Die Natur dieser Orga-
nismen, der Nosema bombycis Nagl., wurde erst später festgestellt.
Sie finden sich in allen Theilen des erkrankten Insekts, auch in den
Auswürfen, und pflanzen sich von Generation zu Generation fort. Der
gesunde Schmetterling hat keine Körperchen, noch finden sich solche
in seinen Eiern. Hierauf hat man denn nach dem Vorgang des be-
kannten Physiologen Pasteur auch das einzig wirksame Heilmittel, oder
sagen wir besser, das Mittel zur Beherrschung und Beseitigung der
Krankheit gegründet, das, consequent durchgeführt, die besten Resultate
liefert, wie die Erfahrung gezeigt hat. Es besteht darin, dass man
die zur Zucht bestimmten Schmetterlinge und ihren Samen auf’s sorg-
fältigste mikroskopisch prüft und alles Verdächtige ausscheidet, dass
man die Zucht mit grösster Sorgfalt leitet und kranke Raupen mög-
lichst fern hält. Die besonderen Vorschriften und Vorrichtungen zu
diesem Zweck anzuführen, würde hier zu weit führen. Nur sei im
Anschluss daran noch erwähnt, dass die seiner Zeit von Liebig und
Andern vertretene Ansicht, als habe die Cultur des Maulbeerbaumes
allmählich eine Schwächung und chemische Veränderung des Futters
durch Bodenerschöpfung bewirkt und dieses in erster Linie die Krank-
heit hervorgerufen, durchaus irrig war, wie ich schon vor 18 Jahren
gezeigt habe.*)

Die Sommer 1856, 1862 und 1865 waren die schlechtesten für
die Seidenzucht der Neuzeit. Sie zeichneten sich alle durch schwüle
Witterung und mehrere lang dauernde Regen während der Raupen-
zucht in Südeuropa aus, so dass diese abnorme und ungünstige Witte-
rung jedenfalls die Krankheit in hohem Grade förderte.

*) Rein: Der gegenwärtige Stand des Seidenbaues. Frankfurt a/M. 1868.
pg. 22—24.
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[238/0260] I. Land- und Forstwirthschaft. dann in der Puppe weiter, so dass der daraus erhaltene Schmetter- ling die Symptome des Uebels deutlich erkennen lässt. Viel wichtiger, als die angeführten äusseren Kennzeichen der Krankheit, sind die inneren Umwandlungen, welche sie im Körper des Insekts bewirkt. Man hat dieselben von verschiedenen Seiten einem sorgfältigen Studium unterworfen und gefunden, dass als sicherstes Zeichen der Pébrine gewisse eiförmige, ellipsoidische oder walzen- förmige und dann an beiden Enden halbkugelförmig abgerundete Körperchen anzusehen sind, deren Länge 0,005—0,002 mm beträgt und die sich dem Lichte gegenüber wie Oeltropfen verhalten. Diese »Corpusculs vibrants« wurden zuerst von Prof. Cornalia in Mailand näher untersucht und beschrieben und werden desshalb auch nach ihm die Cornalia’schen Körperchen genannt. Die Natur dieser Orga- nismen, der Nosema bombycis Nagl., wurde erst später festgestellt. Sie finden sich in allen Theilen des erkrankten Insekts, auch in den Auswürfen, und pflanzen sich von Generation zu Generation fort. Der gesunde Schmetterling hat keine Körperchen, noch finden sich solche in seinen Eiern. Hierauf hat man denn nach dem Vorgang des be- kannten Physiologen Pasteur auch das einzig wirksame Heilmittel, oder sagen wir besser, das Mittel zur Beherrschung und Beseitigung der Krankheit gegründet, das, consequent durchgeführt, die besten Resultate liefert, wie die Erfahrung gezeigt hat. Es besteht darin, dass man die zur Zucht bestimmten Schmetterlinge und ihren Samen auf’s sorg- fältigste mikroskopisch prüft und alles Verdächtige ausscheidet, dass man die Zucht mit grösster Sorgfalt leitet und kranke Raupen mög- lichst fern hält. Die besonderen Vorschriften und Vorrichtungen zu diesem Zweck anzuführen, würde hier zu weit führen. Nur sei im Anschluss daran noch erwähnt, dass die seiner Zeit von Liebig und Andern vertretene Ansicht, als habe die Cultur des Maulbeerbaumes allmählich eine Schwächung und chemische Veränderung des Futters durch Bodenerschöpfung bewirkt und dieses in erster Linie die Krank- heit hervorgerufen, durchaus irrig war, wie ich schon vor 18 Jahren gezeigt habe. *) Die Sommer 1856, 1862 und 1865 waren die schlechtesten für die Seidenzucht der Neuzeit. Sie zeichneten sich alle durch schwüle Witterung und mehrere lang dauernde Regen während der Raupen- zucht in Südeuropa aus, so dass diese abnorme und ungünstige Witte- rung jedenfalls die Krankheit in hohem Grade förderte. *) Rein: Der gegenwärtige Stand des Seidenbaues. Frankfurt a/M. 1868. pg. 22—24.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/260>, abgerufen am 22.11.2024.