dann in der Puppe weiter, so dass der daraus erhaltene Schmetter- ling die Symptome des Uebels deutlich erkennen lässt.
Viel wichtiger, als die angeführten äusseren Kennzeichen der Krankheit, sind die inneren Umwandlungen, welche sie im Körper des Insekts bewirkt. Man hat dieselben von verschiedenen Seiten einem sorgfältigen Studium unterworfen und gefunden, dass als sicherstes Zeichen der Pebrine gewisse eiförmige, ellipsoidische oder walzen- förmige und dann an beiden Enden halbkugelförmig abgerundete Körperchen anzusehen sind, deren Länge 0,005--0,002 mm beträgt und die sich dem Lichte gegenüber wie Oeltropfen verhalten. Diese "Corpusculs vibrants" wurden zuerst von Prof. Cornalia in Mailand näher untersucht und beschrieben und werden desshalb auch nach ihm die Cornalia'schen Körperchen genannt. Die Natur dieser Orga- nismen, der Nosema bombycis Nagl., wurde erst später festgestellt. Sie finden sich in allen Theilen des erkrankten Insekts, auch in den Auswürfen, und pflanzen sich von Generation zu Generation fort. Der gesunde Schmetterling hat keine Körperchen, noch finden sich solche in seinen Eiern. Hierauf hat man denn nach dem Vorgang des be- kannten Physiologen Pasteur auch das einzig wirksame Heilmittel, oder sagen wir besser, das Mittel zur Beherrschung und Beseitigung der Krankheit gegründet, das, consequent durchgeführt, die besten Resultate liefert, wie die Erfahrung gezeigt hat. Es besteht darin, dass man die zur Zucht bestimmten Schmetterlinge und ihren Samen auf's sorg- fältigste mikroskopisch prüft und alles Verdächtige ausscheidet, dass man die Zucht mit grösster Sorgfalt leitet und kranke Raupen mög- lichst fern hält. Die besonderen Vorschriften und Vorrichtungen zu diesem Zweck anzuführen, würde hier zu weit führen. Nur sei im Anschluss daran noch erwähnt, dass die seiner Zeit von Liebig und Andern vertretene Ansicht, als habe die Cultur des Maulbeerbaumes allmählich eine Schwächung und chemische Veränderung des Futters durch Bodenerschöpfung bewirkt und dieses in erster Linie die Krank- heit hervorgerufen, durchaus irrig war, wie ich schon vor 18 Jahren gezeigt habe.*)
Die Sommer 1856, 1862 und 1865 waren die schlechtesten für die Seidenzucht der Neuzeit. Sie zeichneten sich alle durch schwüle Witterung und mehrere lang dauernde Regen während der Raupen- zucht in Südeuropa aus, so dass diese abnorme und ungünstige Witte- rung jedenfalls die Krankheit in hohem Grade förderte.
*) Rein: Der gegenwärtige Stand des Seidenbaues. Frankfurt a/M. 1868. pg. 22--24.
I. Land- und Forstwirthschaft.
dann in der Puppe weiter, so dass der daraus erhaltene Schmetter- ling die Symptome des Uebels deutlich erkennen lässt.
Viel wichtiger, als die angeführten äusseren Kennzeichen der Krankheit, sind die inneren Umwandlungen, welche sie im Körper des Insekts bewirkt. Man hat dieselben von verschiedenen Seiten einem sorgfältigen Studium unterworfen und gefunden, dass als sicherstes Zeichen der Pébrine gewisse eiförmige, ellipsoidische oder walzen- förmige und dann an beiden Enden halbkugelförmig abgerundete Körperchen anzusehen sind, deren Länge 0,005—0,002 mm beträgt und die sich dem Lichte gegenüber wie Oeltropfen verhalten. Diese »Corpusculs vibrants« wurden zuerst von Prof. Cornalia in Mailand näher untersucht und beschrieben und werden desshalb auch nach ihm die Cornalia’schen Körperchen genannt. Die Natur dieser Orga- nismen, der Nosema bombycis Nagl., wurde erst später festgestellt. Sie finden sich in allen Theilen des erkrankten Insekts, auch in den Auswürfen, und pflanzen sich von Generation zu Generation fort. Der gesunde Schmetterling hat keine Körperchen, noch finden sich solche in seinen Eiern. Hierauf hat man denn nach dem Vorgang des be- kannten Physiologen Pasteur auch das einzig wirksame Heilmittel, oder sagen wir besser, das Mittel zur Beherrschung und Beseitigung der Krankheit gegründet, das, consequent durchgeführt, die besten Resultate liefert, wie die Erfahrung gezeigt hat. Es besteht darin, dass man die zur Zucht bestimmten Schmetterlinge und ihren Samen auf’s sorg- fältigste mikroskopisch prüft und alles Verdächtige ausscheidet, dass man die Zucht mit grösster Sorgfalt leitet und kranke Raupen mög- lichst fern hält. Die besonderen Vorschriften und Vorrichtungen zu diesem Zweck anzuführen, würde hier zu weit führen. Nur sei im Anschluss daran noch erwähnt, dass die seiner Zeit von Liebig und Andern vertretene Ansicht, als habe die Cultur des Maulbeerbaumes allmählich eine Schwächung und chemische Veränderung des Futters durch Bodenerschöpfung bewirkt und dieses in erster Linie die Krank- heit hervorgerufen, durchaus irrig war, wie ich schon vor 18 Jahren gezeigt habe.*)
Die Sommer 1856, 1862 und 1865 waren die schlechtesten für die Seidenzucht der Neuzeit. Sie zeichneten sich alle durch schwüle Witterung und mehrere lang dauernde Regen während der Raupen- zucht in Südeuropa aus, so dass diese abnorme und ungünstige Witte- rung jedenfalls die Krankheit in hohem Grade förderte.
*) Rein: Der gegenwärtige Stand des Seidenbaues. Frankfurt a/M. 1868. pg. 22—24.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0260"n="238"/><fwplace="top"type="header">I. Land- und Forstwirthschaft.</fw><lb/>
dann in der Puppe weiter, so dass der daraus erhaltene Schmetter-<lb/>
ling die Symptome des Uebels deutlich erkennen lässt.</p><lb/><p>Viel wichtiger, als die angeführten äusseren Kennzeichen der<lb/>
Krankheit, sind die inneren Umwandlungen, welche sie im Körper des<lb/>
Insekts bewirkt. Man hat dieselben von verschiedenen Seiten einem<lb/>
sorgfältigen Studium unterworfen und gefunden, dass als sicherstes<lb/>
Zeichen der Pébrine gewisse eiförmige, ellipsoidische oder walzen-<lb/>
förmige und dann an beiden Enden halbkugelförmig abgerundete<lb/>
Körperchen anzusehen sind, deren Länge 0,005—0,002 mm beträgt<lb/>
und die sich dem Lichte gegenüber wie Oeltropfen verhalten. Diese<lb/>
»Corpusculs vibrants« wurden zuerst von Prof. Cornalia in Mailand<lb/>
näher untersucht und beschrieben und werden desshalb auch nach<lb/>
ihm die Cornalia’schen Körperchen genannt. Die Natur dieser Orga-<lb/>
nismen, der Nosema bombycis Nagl., wurde erst später festgestellt.<lb/>
Sie finden sich in allen Theilen des erkrankten Insekts, auch in den<lb/>
Auswürfen, und pflanzen sich von Generation zu Generation fort. Der<lb/>
gesunde Schmetterling hat keine Körperchen, noch finden sich solche<lb/>
in seinen Eiern. Hierauf hat man denn nach dem Vorgang des be-<lb/>
kannten Physiologen Pasteur auch das einzig wirksame Heilmittel, oder<lb/>
sagen wir besser, das Mittel zur Beherrschung und Beseitigung der<lb/>
Krankheit gegründet, das, consequent durchgeführt, die besten Resultate<lb/>
liefert, wie die Erfahrung gezeigt hat. Es besteht darin, dass man<lb/>
die zur Zucht bestimmten Schmetterlinge und ihren Samen auf’s sorg-<lb/>
fältigste mikroskopisch prüft und alles Verdächtige ausscheidet, dass<lb/>
man die Zucht mit grösster Sorgfalt leitet und kranke Raupen mög-<lb/>
lichst fern hält. Die besonderen Vorschriften und Vorrichtungen zu<lb/>
diesem Zweck anzuführen, würde hier zu weit führen. Nur sei im<lb/>
Anschluss daran noch erwähnt, dass die seiner Zeit von Liebig und<lb/>
Andern vertretene Ansicht, als habe die Cultur des Maulbeerbaumes<lb/>
allmählich eine Schwächung und chemische Veränderung des Futters<lb/>
durch Bodenerschöpfung bewirkt und dieses in erster Linie die Krank-<lb/>
heit hervorgerufen, durchaus irrig war, wie ich schon vor 18 Jahren<lb/>
gezeigt habe.<noteplace="foot"n="*)">Rein: Der gegenwärtige Stand des Seidenbaues. Frankfurt a/M. 1868.<lb/>
pg. 22—24.</note></p><lb/><p>Die Sommer 1856, 1862 und 1865 waren die schlechtesten für<lb/>
die Seidenzucht der Neuzeit. Sie zeichneten sich alle durch schwüle<lb/>
Witterung und mehrere lang dauernde Regen während der Raupen-<lb/>
zucht in Südeuropa aus, so dass diese abnorme und ungünstige Witte-<lb/>
rung jedenfalls die Krankheit in hohem Grade förderte.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[238/0260]
I. Land- und Forstwirthschaft.
dann in der Puppe weiter, so dass der daraus erhaltene Schmetter-
ling die Symptome des Uebels deutlich erkennen lässt.
Viel wichtiger, als die angeführten äusseren Kennzeichen der
Krankheit, sind die inneren Umwandlungen, welche sie im Körper des
Insekts bewirkt. Man hat dieselben von verschiedenen Seiten einem
sorgfältigen Studium unterworfen und gefunden, dass als sicherstes
Zeichen der Pébrine gewisse eiförmige, ellipsoidische oder walzen-
förmige und dann an beiden Enden halbkugelförmig abgerundete
Körperchen anzusehen sind, deren Länge 0,005—0,002 mm beträgt
und die sich dem Lichte gegenüber wie Oeltropfen verhalten. Diese
»Corpusculs vibrants« wurden zuerst von Prof. Cornalia in Mailand
näher untersucht und beschrieben und werden desshalb auch nach
ihm die Cornalia’schen Körperchen genannt. Die Natur dieser Orga-
nismen, der Nosema bombycis Nagl., wurde erst später festgestellt.
Sie finden sich in allen Theilen des erkrankten Insekts, auch in den
Auswürfen, und pflanzen sich von Generation zu Generation fort. Der
gesunde Schmetterling hat keine Körperchen, noch finden sich solche
in seinen Eiern. Hierauf hat man denn nach dem Vorgang des be-
kannten Physiologen Pasteur auch das einzig wirksame Heilmittel, oder
sagen wir besser, das Mittel zur Beherrschung und Beseitigung der
Krankheit gegründet, das, consequent durchgeführt, die besten Resultate
liefert, wie die Erfahrung gezeigt hat. Es besteht darin, dass man
die zur Zucht bestimmten Schmetterlinge und ihren Samen auf’s sorg-
fältigste mikroskopisch prüft und alles Verdächtige ausscheidet, dass
man die Zucht mit grösster Sorgfalt leitet und kranke Raupen mög-
lichst fern hält. Die besonderen Vorschriften und Vorrichtungen zu
diesem Zweck anzuführen, würde hier zu weit führen. Nur sei im
Anschluss daran noch erwähnt, dass die seiner Zeit von Liebig und
Andern vertretene Ansicht, als habe die Cultur des Maulbeerbaumes
allmählich eine Schwächung und chemische Veränderung des Futters
durch Bodenerschöpfung bewirkt und dieses in erster Linie die Krank-
heit hervorgerufen, durchaus irrig war, wie ich schon vor 18 Jahren
gezeigt habe. *)
Die Sommer 1856, 1862 und 1865 waren die schlechtesten für
die Seidenzucht der Neuzeit. Sie zeichneten sich alle durch schwüle
Witterung und mehrere lang dauernde Regen während der Raupen-
zucht in Südeuropa aus, so dass diese abnorme und ungünstige Witte-
rung jedenfalls die Krankheit in hohem Grade förderte.
*) Rein: Der gegenwärtige Stand des Seidenbaues. Frankfurt a/M. 1868.
pg. 22—24.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/260>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.