Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Land- und Forstwirthschaft.
belief sich schon 1863 auf 30000 Cartons, 1864 auf 300000 und 1865
sogar auf 2500000. Dieser enorme Absatz und der hohe Gewinn,
welchen vor allem die japanischen Kaufleute dabei erzielten, führte
zu Betrügereien und Fälschungen mancherlei Art, nicht blos durch
Beimengung von Eiern schlechter Zuchten, sondern auch der Bivol-
tini, so dass die Klagen darüber zunahmen. Anderseits konnte eine
solche Steigerung der Ausfuhr von Cartons nicht ohne nachtheiligen
Einfluss auf die einheimische Seidenzucht bleiben, und so wurde die
Regierung veranlasst, sich in's Mittel zu legen. Sie that dies, indem
sie die Ausfuhr des Seidensamens wohl frei gab, dagegen zugleich
eine Regulierung und Controle der Produktion in die Hand nahm, wo-
bei sie sich zum Theil bisherigen Erfahrungen und Gewohnheiten an-
schloss. Es war längst bekannt, dass die Eier höher gelegener
Orte viel bessere Zuchten lieferten als die der tieferen mit viel inten-
siverer Seidenzucht. Darum bezogen und beziehen z. B. die Züchter
der seidenreichen Provinz Joshiu ihren Samen aus Shinano. Die Re-
gierung erlaubte nun nur Seidenzüchtern solcher hochgelegenen Orte
für den Export zu grainieren, controllierte ihre Zuchten und versah
deren Cartons mit ihrem Stempel, bevor dieselben nach den Vertrags-
häfen gingen. Die günstige Wirkung ihrer Massregeln war unver-
kennbar, sowohl auf die einheimische Zucht, als auch auf die Aus-
fuhr der Cartons, welche jedoch vielerlei Schwankungen unterlag, so-
wohl hinsichtlich der Zahl, als auch der Preise, und im allgemeinen
nach beiden Richtungen in der Neuzeit sehr zurückgegangen ist. Die
Preise erlangten ihre grösste Höhe 1873, wo der Durchnittswerth des
Carton 2,15 yen = 8,60 Mark war, während er 1877 auf 0,29 yen =
1,16 Mark sank.

1868 wurden 1886320 Cartons im Werthe von yen 3712351 =
14849404 Mark ausgeführt, im Jahre 1877 1167502 Cartons für nur
341467 yen = 1365868 Mark.

Die Seidenzucht Japans ist, wie dies bereits früher angedeutet
wurde, auf die Hauptinsel Hondo beschränkt. Zu den verschiedenen
Produkten derselben, welche über Yokohama nach Europa und den
Vereinigten Staaten exportiert werden, der Seide, jap. Kinu oder Ito
im weitesten Sinne, gehört als wichtigstes vor allen Dingen die
Haspelseide, jap. Sage-ito, franz. Grege, engl. Hanks, welche an
Güte nur von der französischen und italienischen übertroffen wird.
Ferner sind die Seidenabfälle aller Art, franz. dechets, zu erwähnen,
welche zur Darstellung der Schappe oder Floretseide dienen. Hierher
gehören vor allen Dingen diejenigen Abfälle, welche bei der Zucht
selbst sich ergeben, nämlich die Flockseide (franz. blaze) oder das

I. Land- und Forstwirthschaft.
belief sich schon 1863 auf 30000 Cartons, 1864 auf 300000 und 1865
sogar auf 2500000. Dieser enorme Absatz und der hohe Gewinn,
welchen vor allem die japanischen Kaufleute dabei erzielten, führte
zu Betrügereien und Fälschungen mancherlei Art, nicht blos durch
Beimengung von Eiern schlechter Zuchten, sondern auch der Bivol-
tini, so dass die Klagen darüber zunahmen. Anderseits konnte eine
solche Steigerung der Ausfuhr von Cartons nicht ohne nachtheiligen
Einfluss auf die einheimische Seidenzucht bleiben, und so wurde die
Regierung veranlasst, sich in’s Mittel zu legen. Sie that dies, indem
sie die Ausfuhr des Seidensamens wohl frei gab, dagegen zugleich
eine Regulierung und Controle der Produktion in die Hand nahm, wo-
bei sie sich zum Theil bisherigen Erfahrungen und Gewohnheiten an-
schloss. Es war längst bekannt, dass die Eier höher gelegener
Orte viel bessere Zuchten lieferten als die der tieferen mit viel inten-
siverer Seidenzucht. Darum bezogen und beziehen z. B. die Züchter
der seidenreichen Provinz Jôshiu ihren Samen aus Shinano. Die Re-
gierung erlaubte nun nur Seidenzüchtern solcher hochgelegenen Orte
für den Export zu grainieren, controllierte ihre Zuchten und versah
deren Cartons mit ihrem Stempel, bevor dieselben nach den Vertrags-
häfen gingen. Die günstige Wirkung ihrer Massregeln war unver-
kennbar, sowohl auf die einheimische Zucht, als auch auf die Aus-
fuhr der Cartons, welche jedoch vielerlei Schwankungen unterlag, so-
wohl hinsichtlich der Zahl, als auch der Preise, und im allgemeinen
nach beiden Richtungen in der Neuzeit sehr zurückgegangen ist. Die
Preise erlangten ihre grösste Höhe 1873, wo der Durchnittswerth des
Carton 2,15 yen = 8,60 Mark war, während er 1877 auf 0,29 yen =
1,16 Mark sank.

1868 wurden 1886320 Cartons im Werthe von yen 3712351 =
14849404 Mark ausgeführt, im Jahre 1877 1167502 Cartons für nur
341467 yen = 1365868 Mark.

Die Seidenzucht Japans ist, wie dies bereits früher angedeutet
wurde, auf die Hauptinsel Hondo beschränkt. Zu den verschiedenen
Produkten derselben, welche über Yokohama nach Europa und den
Vereinigten Staaten exportiert werden, der Seide, jap. Kinu oder Ito
im weitesten Sinne, gehört als wichtigstes vor allen Dingen die
Haspelseide, jap. Sage-ito, franz. Grège, engl. Hanks, welche an
Güte nur von der französischen und italienischen übertroffen wird.
Ferner sind die Seidenabfälle aller Art, franz. déchets, zu erwähnen,
welche zur Darstellung der Schappe oder Floretseide dienen. Hierher
gehören vor allen Dingen diejenigen Abfälle, welche bei der Zucht
selbst sich ergeben, nämlich die Flockseide (franz. blaze) oder das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0262" n="240"/><fw place="top" type="header">I. Land- und Forstwirthschaft.</fw><lb/>
belief sich schon 1863 auf 30000 Cartons, 1864 auf 300000 und 1865<lb/>
sogar auf 2500000. Dieser enorme Absatz und der hohe Gewinn,<lb/>
welchen vor allem die japanischen Kaufleute dabei erzielten, führte<lb/>
zu Betrügereien und Fälschungen mancherlei Art, nicht blos durch<lb/>
Beimengung von Eiern schlechter Zuchten, sondern auch der Bivol-<lb/>
tini, so dass die Klagen darüber zunahmen. Anderseits konnte eine<lb/>
solche Steigerung der Ausfuhr von Cartons nicht ohne nachtheiligen<lb/>
Einfluss auf die einheimische Seidenzucht bleiben, und so wurde die<lb/>
Regierung veranlasst, sich in&#x2019;s Mittel zu legen. Sie that dies, indem<lb/>
sie die Ausfuhr des Seidensamens wohl frei gab, dagegen zugleich<lb/>
eine Regulierung und Controle der Produktion in die Hand nahm, wo-<lb/>
bei sie sich zum Theil bisherigen Erfahrungen und Gewohnheiten an-<lb/>
schloss. Es war längst bekannt, dass die Eier höher gelegener<lb/>
Orte viel bessere Zuchten lieferten als die der tieferen mit viel inten-<lb/>
siverer Seidenzucht. Darum bezogen und beziehen z. B. die Züchter<lb/>
der seidenreichen Provinz Jôshiu ihren Samen aus Shinano. Die Re-<lb/>
gierung erlaubte nun nur Seidenzüchtern solcher hochgelegenen Orte<lb/>
für den Export zu grainieren, controllierte ihre Zuchten und versah<lb/>
deren Cartons mit ihrem Stempel, bevor dieselben nach den Vertrags-<lb/>
häfen gingen. Die günstige Wirkung ihrer Massregeln war unver-<lb/>
kennbar, sowohl auf die einheimische Zucht, als auch auf die Aus-<lb/>
fuhr der Cartons, welche jedoch vielerlei Schwankungen unterlag, so-<lb/>
wohl hinsichtlich der Zahl, als auch der Preise, und im allgemeinen<lb/>
nach beiden Richtungen in der Neuzeit sehr zurückgegangen ist. Die<lb/>
Preise erlangten ihre grösste Höhe 1873, wo der Durchnittswerth des<lb/>
Carton 2,15 yen = 8,60 Mark war, während er 1877 auf 0,29 yen =<lb/>
1,16 Mark sank.</p><lb/>
            <p>1868 wurden 1886320 Cartons im Werthe von yen 3712351 =<lb/>
14849404 Mark ausgeführt, im Jahre 1877 1167502 Cartons für nur<lb/>
341467 yen = 1365868 Mark.</p><lb/>
            <p>Die Seidenzucht Japans ist, wie dies bereits früher angedeutet<lb/>
wurde, auf die Hauptinsel Hondo beschränkt. Zu den verschiedenen<lb/>
Produkten derselben, welche über Yokohama nach Europa und den<lb/>
Vereinigten Staaten exportiert werden, der Seide, jap. <hi rendition="#g">Kinu</hi> oder <hi rendition="#g">Ito</hi><lb/>
im weitesten Sinne, gehört als wichtigstes vor allen Dingen die<lb/>
Haspelseide, jap. <hi rendition="#g">Sage-ito</hi>, franz. Grège, engl. Hanks, welche an<lb/>
Güte nur von der französischen und italienischen übertroffen wird.<lb/>
Ferner sind die Seidenabfälle aller Art, franz. déchets, zu erwähnen,<lb/>
welche zur Darstellung der Schappe oder Floretseide dienen. Hierher<lb/>
gehören vor allen Dingen diejenigen Abfälle, welche bei der Zucht<lb/>
selbst sich ergeben, nämlich die Flockseide (franz. blaze) oder das<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0262] I. Land- und Forstwirthschaft. belief sich schon 1863 auf 30000 Cartons, 1864 auf 300000 und 1865 sogar auf 2500000. Dieser enorme Absatz und der hohe Gewinn, welchen vor allem die japanischen Kaufleute dabei erzielten, führte zu Betrügereien und Fälschungen mancherlei Art, nicht blos durch Beimengung von Eiern schlechter Zuchten, sondern auch der Bivol- tini, so dass die Klagen darüber zunahmen. Anderseits konnte eine solche Steigerung der Ausfuhr von Cartons nicht ohne nachtheiligen Einfluss auf die einheimische Seidenzucht bleiben, und so wurde die Regierung veranlasst, sich in’s Mittel zu legen. Sie that dies, indem sie die Ausfuhr des Seidensamens wohl frei gab, dagegen zugleich eine Regulierung und Controle der Produktion in die Hand nahm, wo- bei sie sich zum Theil bisherigen Erfahrungen und Gewohnheiten an- schloss. Es war längst bekannt, dass die Eier höher gelegener Orte viel bessere Zuchten lieferten als die der tieferen mit viel inten- siverer Seidenzucht. Darum bezogen und beziehen z. B. die Züchter der seidenreichen Provinz Jôshiu ihren Samen aus Shinano. Die Re- gierung erlaubte nun nur Seidenzüchtern solcher hochgelegenen Orte für den Export zu grainieren, controllierte ihre Zuchten und versah deren Cartons mit ihrem Stempel, bevor dieselben nach den Vertrags- häfen gingen. Die günstige Wirkung ihrer Massregeln war unver- kennbar, sowohl auf die einheimische Zucht, als auch auf die Aus- fuhr der Cartons, welche jedoch vielerlei Schwankungen unterlag, so- wohl hinsichtlich der Zahl, als auch der Preise, und im allgemeinen nach beiden Richtungen in der Neuzeit sehr zurückgegangen ist. Die Preise erlangten ihre grösste Höhe 1873, wo der Durchnittswerth des Carton 2,15 yen = 8,60 Mark war, während er 1877 auf 0,29 yen = 1,16 Mark sank. 1868 wurden 1886320 Cartons im Werthe von yen 3712351 = 14849404 Mark ausgeführt, im Jahre 1877 1167502 Cartons für nur 341467 yen = 1365868 Mark. Die Seidenzucht Japans ist, wie dies bereits früher angedeutet wurde, auf die Hauptinsel Hondo beschränkt. Zu den verschiedenen Produkten derselben, welche über Yokohama nach Europa und den Vereinigten Staaten exportiert werden, der Seide, jap. Kinu oder Ito im weitesten Sinne, gehört als wichtigstes vor allen Dingen die Haspelseide, jap. Sage-ito, franz. Grège, engl. Hanks, welche an Güte nur von der französischen und italienischen übertroffen wird. Ferner sind die Seidenabfälle aller Art, franz. déchets, zu erwähnen, welche zur Darstellung der Schappe oder Floretseide dienen. Hierher gehören vor allen Dingen diejenigen Abfälle, welche bei der Zucht selbst sich ergeben, nämlich die Flockseide (franz. blaze) oder das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/262
Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/262>, abgerufen am 26.06.2024.