der als dieses Moment dürfte übrigens die mit dem Jahre 1600 be- ginnende lange Friedenszeit auf die Gestaltung der japanischen Land- wirthschaft gewirkt haben; denn obgleich dieselbe sich schon früh- zeitig nach chinesischem Vorbilde kräftig entwickelt hatte, war sie doch später durch die beständigen Bürgerkriege vielfach zurück- gegangen.
Der Mikado war und ist nach alter japanischer Anschauung, die sich an die Sage und Vorstellung von seiner himmlischen Herkunft und der Erschaffung der japanischen Inseln durch seine göttlichen Urahnen Isanagi und Isanami knüpft, der Herr des ganzen Landes, der einzige Grossgrundbesitzer desselben. In der Praxis aber gehörten später die ausgedehnten Bergwaldungen, sowie das Wüst- und Oedland vorwiegend den Feudalherrn und nunmehr dem Staat, der cultivierte Boden dagegen dem Bauer als Erbpächter. Er war und ist nach unserer Auffassung Kleingrundbesitzer, der sein Eigenthum vererben, verpachten', durch Kauf vermehren oder durch Verkauf in andere Hände überführen konnte, in allen Fällen aber dafür sorgen musste, dass es unter hergebrachter Cultur blieb und der vorgesetzten Behörde die darauf berechneten Abgaben rechtzeitig eingeliefert wurden. Hier- durch waren demnach Besitz- und Verfügungsrecht beschränkt. Die Abgaben, welche auf dem Culturboden ruhten, waren im Allgemeinen hoch und in Natur zu leisten; im übrigen aber nahm der japanische Bauer eine viel freiere Stellung ein, als viele seiner europäischen Standesgenossen im Mittelalter, welche durch Frohndienste und son- stige Lasten in viel höherem Grade bedrückt wurden, wie dies schon Thunberg hervorhebt*).
Aus dem Gesagten lässt sich auf eine grosse Verschiedenheit in der Ausdehnung des bäuerlichen Grundbesitzes schliessen; dennoch fehlen grössere und in unserem Sinne wohlarrondierte Güter durch- aus. Es gibt also keinen Grossgrundbesitz in Japan, weder für den Bauer, noch für den Adel. In ältester Zeit, so lange der Mikado noch thatsächlich erster und alleiniger Landes- und Kriegsherr war und die verschiedenen Klassen der Gesellschaft sich noch nicht streng und erblich geschieden hatten, war die Besteuerung der Bauern für japanische Verhältnisse leicht. Je acht Familien mussten ein Neuntel des ihnen überwiesenen und unter sie gleich vertheilten Ackerlandes für den Mikado bebauen und den Naturalertrag an die Beamten des- selben abliefern. Als aber der Dualismus in der Regierung und das Feudalsystem unter dem Shogunat sich herausbildete, wuchs die Zahl
*) In "Akerbruket." Resa IV pag. 76--92.
1. Die japanische Landwirthschaft im Allgemeinen.
der als dieses Moment dürfte übrigens die mit dem Jahre 1600 be- ginnende lange Friedenszeit auf die Gestaltung der japanischen Land- wirthschaft gewirkt haben; denn obgleich dieselbe sich schon früh- zeitig nach chinesischem Vorbilde kräftig entwickelt hatte, war sie doch später durch die beständigen Bürgerkriege vielfach zurück- gegangen.
Der Mikado war und ist nach alter japanischer Anschauung, die sich an die Sage und Vorstellung von seiner himmlischen Herkunft und der Erschaffung der japanischen Inseln durch seine göttlichen Urahnen Isanagi und Isanami knüpft, der Herr des ganzen Landes, der einzige Grossgrundbesitzer desselben. In der Praxis aber gehörten später die ausgedehnten Bergwaldungen, sowie das Wüst- und Oedland vorwiegend den Feudalherrn und nunmehr dem Staat, der cultivierte Boden dagegen dem Bauer als Erbpächter. Er war und ist nach unserer Auffassung Kleingrundbesitzer, der sein Eigenthum vererben, verpachten', durch Kauf vermehren oder durch Verkauf in andere Hände überführen konnte, in allen Fällen aber dafür sorgen musste, dass es unter hergebrachter Cultur blieb und der vorgesetzten Behörde die darauf berechneten Abgaben rechtzeitig eingeliefert wurden. Hier- durch waren demnach Besitz- und Verfügungsrecht beschränkt. Die Abgaben, welche auf dem Culturboden ruhten, waren im Allgemeinen hoch und in Natur zu leisten; im übrigen aber nahm der japanische Bauer eine viel freiere Stellung ein, als viele seiner europäischen Standesgenossen im Mittelalter, welche durch Frohndienste und son- stige Lasten in viel höherem Grade bedrückt wurden, wie dies schon Thunberg hervorhebt*).
Aus dem Gesagten lässt sich auf eine grosse Verschiedenheit in der Ausdehnung des bäuerlichen Grundbesitzes schliessen; dennoch fehlen grössere und in unserem Sinne wohlarrondierte Güter durch- aus. Es gibt also keinen Grossgrundbesitz in Japan, weder für den Bauer, noch für den Adel. In ältester Zeit, so lange der Mikado noch thatsächlich erster und alleiniger Landes- und Kriegsherr war und die verschiedenen Klassen der Gesellschaft sich noch nicht streng und erblich geschieden hatten, war die Besteuerung der Bauern für japanische Verhältnisse leicht. Je acht Familien mussten ein Neuntel des ihnen überwiesenen und unter sie gleich vertheilten Ackerlandes für den Mikado bebauen und den Naturalertrag an die Beamten des- selben abliefern. Als aber der Dualismus in der Regierung und das Feudalsystem unter dem Shôgunat sich herausbildete, wuchs die Zahl
*) In »Åkerbruket.« Resa IV pag. 76—92.
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1. Die japanische Landwirthschaft im Allgemeinen.
der als dieses Moment dürfte übrigens die mit dem Jahre 1600 be-
ginnende lange Friedenszeit auf die Gestaltung der japanischen Land-
wirthschaft gewirkt haben; denn obgleich dieselbe sich schon früh-
zeitig nach chinesischem Vorbilde kräftig entwickelt hatte, war sie
doch später durch die beständigen Bürgerkriege vielfach zurück-
gegangen.
Der Mikado war und ist nach alter japanischer Anschauung, die
sich an die Sage und Vorstellung von seiner himmlischen Herkunft
und der Erschaffung der japanischen Inseln durch seine göttlichen
Urahnen Isanagi und Isanami knüpft, der Herr des ganzen Landes,
der einzige Grossgrundbesitzer desselben. In der Praxis aber gehörten
später die ausgedehnten Bergwaldungen, sowie das Wüst- und Oedland
vorwiegend den Feudalherrn und nunmehr dem Staat, der cultivierte
Boden dagegen dem Bauer als Erbpächter. Er war und ist nach
unserer Auffassung Kleingrundbesitzer, der sein Eigenthum vererben,
verpachten', durch Kauf vermehren oder durch Verkauf in andere
Hände überführen konnte, in allen Fällen aber dafür sorgen musste,
dass es unter hergebrachter Cultur blieb und der vorgesetzten Behörde
die darauf berechneten Abgaben rechtzeitig eingeliefert wurden. Hier-
durch waren demnach Besitz- und Verfügungsrecht beschränkt. Die
Abgaben, welche auf dem Culturboden ruhten, waren im Allgemeinen
hoch und in Natur zu leisten; im übrigen aber nahm der japanische
Bauer eine viel freiere Stellung ein, als viele seiner europäischen
Standesgenossen im Mittelalter, welche durch Frohndienste und son-
stige Lasten in viel höherem Grade bedrückt wurden, wie dies schon
Thunberg hervorhebt *).
Aus dem Gesagten lässt sich auf eine grosse Verschiedenheit in
der Ausdehnung des bäuerlichen Grundbesitzes schliessen; dennoch
fehlen grössere und in unserem Sinne wohlarrondierte Güter durch-
aus. Es gibt also keinen Grossgrundbesitz in Japan, weder für den
Bauer, noch für den Adel. In ältester Zeit, so lange der Mikado
noch thatsächlich erster und alleiniger Landes- und Kriegsherr war
und die verschiedenen Klassen der Gesellschaft sich noch nicht streng
und erblich geschieden hatten, war die Besteuerung der Bauern für
japanische Verhältnisse leicht. Je acht Familien mussten ein Neuntel
des ihnen überwiesenen und unter sie gleich vertheilten Ackerlandes
für den Mikado bebauen und den Naturalertrag an die Beamten des-
selben abliefern. Als aber der Dualismus in der Regierung und das
Feudalsystem unter dem Shôgunat sich herausbildete, wuchs die Zahl
*) In »Åkerbruket.« Resa IV pag. 76—92.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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