8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa.
Wurzel wieder ausschlägt, im Freien nicht gut gezogen werden. An- derseits sagen ihr auch die trocknen heissen Sommer Südeuropas nicht zu. In Norditalien und Südfrankreich findet man sie noch sehr häufig, weiter südlich nimmt ihr Vorkommen jedoch rasch ab und ist endlich nur noch unter besonderem Schutz an schattigen Stellen möglich.
Ueber hundert Jahre wird nun diese weibliche Aucuba in ihren verschiedenen Abarten mit panachierten Blättern gezogen; aber ob dies in der veränderlichen Zimmerluft, im Kalthaus oder freien Lande geschehe, und wie verschieden auch der Boden und die sonstige Be- handlung sein möge: die Pflanze ist nicht wesentlich abgewichen von ihrer ursprünglichen, geflecktblätterigen Form und kaum mit einem Blatt, geschweige als ganzes Individuum zurückgekehrt in den einfach grünen, ursprünglichen Zustand. Ist die Variation des Chlorophylls bei einer solchen Beständigkeit der Fleckenbildung wirklich nur eine Krankheit? --
Bis zum Jahre 1862 kannte man nur die erwähnte weibliche Form (plante veuve, wie sie Siebold nennt) der Aucuba in Europa. Dazu fand dann Fortune in China auch die männliche Pflanze, ebenso die einfach grünblätterige Stammform, und schickte beide nach England. Desgleichen machte Siebold um jene Zeit holländische Gärtner von Japan aus mit der ursprünglichen Pflanze bekannt. Daher kommt es, dass die Zahl der einfach grünblätterigen und der männlichen Exem- plare gegenüber den weiblichen mit gefleckten Blättern immer noch sehr gering ist. In der Neuzeit ist nun noch eine zweite Species, die Aucuba himalaica Hooker als Zierpflanze hinzugekommen, welche je- doch der vorerwähnten noch in keiner Weise das Feld streitig macht.
Fatsia japonica Decn. & Planch. (Aralia japonica Thunb., A. Sieboldi Hort.). Die Japaner nennen diese Pflanze Yatsu-de, d. h. "Achtfinger", ein Name, welcher sich auf die acht Zipfel bezieht, in welche die grossen, glänzend grünen Blätter enden. Viele derselben sind jedoch, zumal bei uns, nur siebenlappig, während anderseits auch neun Blattlappen vorkommen. Der Name Fatsia dürfte wohl als Corruption aus der japanischen Benennung hervorgegangen sein. Diese herrliche Decorationspflanze von tropisch üppigem Aussehen ging gleich der Aucuba nach ihrer Einführung in Europa aus dem Warmhaus ins Kalthaus und auf die Blumentische über, wo sich beide jetzt in Bezug auf Beliebt- heit und Leichtigkeit der Cultur den Rang streitig machen. Im süd- lichen und mittleren Japan kommt Yatsu-de hin und wieder wild vor; doch begegnet man ihr häufiger als Zierpflanze in Höfen, Gärten und Tempelhainen. Sie blüht dort, wie bei uns, im November und Decem- ber und reift ihre schwarzen Beeren im März.
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8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa.
Wurzel wieder ausschlägt, im Freien nicht gut gezogen werden. An- derseits sagen ihr auch die trocknen heissen Sommer Südeuropas nicht zu. In Norditalien und Südfrankreich findet man sie noch sehr häufig, weiter südlich nimmt ihr Vorkommen jedoch rasch ab und ist endlich nur noch unter besonderem Schutz an schattigen Stellen möglich.
Ueber hundert Jahre wird nun diese weibliche Aucuba in ihren verschiedenen Abarten mit panachierten Blättern gezogen; aber ob dies in der veränderlichen Zimmerluft, im Kalthaus oder freien Lande geschehe, und wie verschieden auch der Boden und die sonstige Be- handlung sein möge: die Pflanze ist nicht wesentlich abgewichen von ihrer ursprünglichen, geflecktblätterigen Form und kaum mit einem Blatt, geschweige als ganzes Individuum zurückgekehrt in den einfach grünen, ursprünglichen Zustand. Ist die Variation des Chlorophylls bei einer solchen Beständigkeit der Fleckenbildung wirklich nur eine Krankheit? —
Bis zum Jahre 1862 kannte man nur die erwähnte weibliche Form (plante veuve, wie sie Siebold nennt) der Aucuba in Europa. Dazu fand dann Fortune in China auch die männliche Pflanze, ebenso die einfach grünblätterige Stammform, und schickte beide nach England. Desgleichen machte Siebold um jene Zeit holländische Gärtner von Japan aus mit der ursprünglichen Pflanze bekannt. Daher kommt es, dass die Zahl der einfach grünblätterigen und der männlichen Exem- plare gegenüber den weiblichen mit gefleckten Blättern immer noch sehr gering ist. In der Neuzeit ist nun noch eine zweite Species, die Aucuba himalaica Hooker als Zierpflanze hinzugekommen, welche je- doch der vorerwähnten noch in keiner Weise das Feld streitig macht.
Fatsia japonica Decn. & Planch. (Aralia japonica Thunb., A. Sieboldi Hort.). Die Japaner nennen diese Pflanze Yatsu-de, d. h. »Achtfinger«, ein Name, welcher sich auf die acht Zipfel bezieht, in welche die grossen, glänzend grünen Blätter enden. Viele derselben sind jedoch, zumal bei uns, nur siebenlappig, während anderseits auch neun Blattlappen vorkommen. Der Name Fatsia dürfte wohl als Corruption aus der japanischen Benennung hervorgegangen sein. Diese herrliche Decorationspflanze von tropisch üppigem Aussehen ging gleich der Aucuba nach ihrer Einführung in Europa aus dem Warmhaus ins Kalthaus und auf die Blumentische über, wo sich beide jetzt in Bezug auf Beliebt- heit und Leichtigkeit der Cultur den Rang streitig machen. Im süd- lichen und mittleren Japan kommt Yatsu-de hin und wieder wild vor; doch begegnet man ihr häufiger als Zierpflanze in Höfen, Gärten und Tempelhainen. Sie blüht dort, wie bei uns, im November und Decem- ber und reift ihre schwarzen Beeren im März.
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8. Acclimatisation u. Verbreitung japan. Zier- u. Nutzpflanzen in Europa.
Wurzel wieder ausschlägt, im Freien nicht gut gezogen werden. An-
derseits sagen ihr auch die trocknen heissen Sommer Südeuropas nicht
zu. In Norditalien und Südfrankreich findet man sie noch sehr häufig,
weiter südlich nimmt ihr Vorkommen jedoch rasch ab und ist endlich
nur noch unter besonderem Schutz an schattigen Stellen möglich.
Ueber hundert Jahre wird nun diese weibliche Aucuba in ihren
verschiedenen Abarten mit panachierten Blättern gezogen; aber ob
dies in der veränderlichen Zimmerluft, im Kalthaus oder freien Lande
geschehe, und wie verschieden auch der Boden und die sonstige Be-
handlung sein möge: die Pflanze ist nicht wesentlich abgewichen von
ihrer ursprünglichen, geflecktblätterigen Form und kaum mit einem
Blatt, geschweige als ganzes Individuum zurückgekehrt in den einfach
grünen, ursprünglichen Zustand. Ist die Variation des Chlorophylls
bei einer solchen Beständigkeit der Fleckenbildung wirklich nur eine
Krankheit? —
Bis zum Jahre 1862 kannte man nur die erwähnte weibliche Form
(plante veuve, wie sie Siebold nennt) der Aucuba in Europa. Dazu
fand dann Fortune in China auch die männliche Pflanze, ebenso die
einfach grünblätterige Stammform, und schickte beide nach England.
Desgleichen machte Siebold um jene Zeit holländische Gärtner von
Japan aus mit der ursprünglichen Pflanze bekannt. Daher kommt es,
dass die Zahl der einfach grünblätterigen und der männlichen Exem-
plare gegenüber den weiblichen mit gefleckten Blättern immer noch
sehr gering ist. In der Neuzeit ist nun noch eine zweite Species, die
Aucuba himalaica Hooker als Zierpflanze hinzugekommen, welche je-
doch der vorerwähnten noch in keiner Weise das Feld streitig macht.
Fatsia japonica Decn. & Planch. (Aralia japonica Thunb.,
A. Sieboldi Hort.). Die Japaner nennen diese Pflanze Yatsu-de, d. h.
»Achtfinger«, ein Name, welcher sich auf die acht Zipfel bezieht, in
welche die grossen, glänzend grünen Blätter enden. Viele derselben sind
jedoch, zumal bei uns, nur siebenlappig, während anderseits auch neun
Blattlappen vorkommen. Der Name Fatsia dürfte wohl als Corruption
aus der japanischen Benennung hervorgegangen sein. Diese herrliche
Decorationspflanze von tropisch üppigem Aussehen ging gleich der Aucuba
nach ihrer Einführung in Europa aus dem Warmhaus ins Kalthaus und
auf die Blumentische über, wo sich beide jetzt in Bezug auf Beliebt-
heit und Leichtigkeit der Cultur den Rang streitig machen. Im süd-
lichen und mittleren Japan kommt Yatsu-de hin und wieder wild vor;
doch begegnet man ihr häufiger als Zierpflanze in Höfen, Gärten und
Tempelhainen. Sie blüht dort, wie bei uns, im November und Decem-
ber und reift ihre schwarzen Beeren im März.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/363>, abgerufen am 22.11.2024.
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