kreuz (chin. Man-tse, jap. Man-ji) zu rechnen sind, und geometrische Figuren, von denen man erstere bei den Gegenständen des indischen und persisch-arabischen Kunstgewerbes vergeblich sucht, letztere nur ausnahmsweise findet, spielen hier eine grosse Rolle.
Kein symbolisches Zeichen war im Alterthum so verbreitet, als das Henkelkreuz. Es findet sich auf scandinavischen, celtischen und gallischen Münzen und Schmuckgegenständen, wie auf etruskischen Amphoren aus Terracotta, auf altägyptischen Monumenten, wo es die Unsterblichkeit, ein Attribut des Osiris und Horus bedeutet*), wie als Decorationsmotiv auf vielen Gebilden der griechischen Kunst. In Indien und Ostasien ist es Symbol der Weisheit und tausendfachen Tugenden Buddhas, ein Zeichen, welches Büsten und Statuen dieses Heiligen nicht selten auf der Brust tragen, namentlich in Hinterindien, wie es auch bei zwei vergoldeten Buddhas der französisch-indischen Co- lonialausstellung zu Antwerpen im vorigen Jahre zu sehen war. Indess unterscheidet sich das Henkelkreuz der Völker des Occidents, einschliess- lich Aegyptens, durch die secundären Häkchen der Fahnen oder Haken von dem des buddhistischen Orients. Auch haben die Fahnen des letzteren oft die entgegengesetzte Richtung, wie nachstehende Skizzen zeigen.
[Abbildung]
a. Griechisches Henkelkreuz. b. Buddhistisches. c. Gammadion.
Die Japaner nennen das Henkelkreuz Man-ji, die Chinesen Man-tse, wobei das Wort man "zehntausend" bedeutet. Durch eine andere Anordnung der vier Gamma des Henkelkreuzes entsteht das Gammadion, welches neben jenem nicht blos die alten Griechen viel anwandten, sondern auch im Kunstgewerbe Ostasiens als Deco- rationsmotiv zur Flächenverzierung viel im Gebrauch ist. So zeigt uns z. B. das Lichtdruckbild der tauschierten Eisenvase (siehe Metall- industrie) die Verbindung des Man-ji mit dem Gammadion zu beiden Seiten der Rebenverzierung.
Das Nichtvorkommen der Mäander (welche in der griechischen und christlichen Kunst als Ornament eine so grosse Rolle spielen) bei den arischen Orientalen, ihre häufige Anwendung wieder im chinesisch- japanischen Kunstgewerbe, ist gewiss auffällig, wiewohl es bisher, so
*) Nach P. Cassel: "Literatur und Symbolik". Leipzig 1884.
1. Das japanische Kunstgewerbe im Allgemeinen.
kreuz (chin. Man-tse, jap. Man-ji) zu rechnen sind, und geometrische Figuren, von denen man erstere bei den Gegenständen des indischen und persisch-arabischen Kunstgewerbes vergeblich sucht, letztere nur ausnahmsweise findet, spielen hier eine grosse Rolle.
Kein symbolisches Zeichen war im Alterthum so verbreitet, als das Henkelkreuz. Es findet sich auf scandinavischen, celtischen und gallischen Münzen und Schmuckgegenständen, wie auf etruskischen Amphoren aus Terracotta, auf altägyptischen Monumenten, wo es die Unsterblichkeit, ein Attribut des Osiris und Horus bedeutet*), wie als Decorationsmotiv auf vielen Gebilden der griechischen Kunst. In Indien und Ostasien ist es Symbol der Weisheit und tausendfachen Tugenden Buddhas, ein Zeichen, welches Büsten und Statuen dieses Heiligen nicht selten auf der Brust tragen, namentlich in Hinterindien, wie es auch bei zwei vergoldeten Buddhas der französisch-indischen Co- lonialausstellung zu Antwerpen im vorigen Jahre zu sehen war. Indess unterscheidet sich das Henkelkreuz der Völker des Occidents, einschliess- lich Aegyptens, durch die secundären Häkchen der Fahnen oder Haken von dem des buddhistischen Orients. Auch haben die Fahnen des letzteren oft die entgegengesetzte Richtung, wie nachstehende Skizzen zeigen.
[Abbildung]
a. Griechisches Henkelkreuz. b. Buddhistisches. c. Gammadion.
Die Japaner nennen das Henkelkreuz Man-ji, die Chinesen Man-tse, wobei das Wort man »zehntausend« bedeutet. Durch eine andere Anordnung der vier Gamma des Henkelkreuzes entsteht das Gammadion, welches neben jenem nicht blos die alten Griechen viel anwandten, sondern auch im Kunstgewerbe Ostasiens als Deco- rationsmotiv zur Flächenverzierung viel im Gebrauch ist. So zeigt uns z. B. das Lichtdruckbild der tauschierten Eisenvase (siehe Metall- industrie) die Verbindung des Man-ji mit dem Gammadion zu beiden Seiten der Rebenverzierung.
Das Nichtvorkommen der Mäander (welche in der griechischen und christlichen Kunst als Ornament eine so grosse Rolle spielen) bei den arischen Orientalen, ihre häufige Anwendung wieder im chinesisch- japanischen Kunstgewerbe, ist gewiss auffällig, wiewohl es bisher, so
*) Nach P. Cassel: »Literatur und Symbolik«. Leipzig 1884.
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1. Das japanische Kunstgewerbe im Allgemeinen.
kreuz (chin. Man-tse, jap. Man-ji) zu rechnen sind, und geometrische
Figuren, von denen man erstere bei den Gegenständen des indischen
und persisch-arabischen Kunstgewerbes vergeblich sucht, letztere nur
ausnahmsweise findet, spielen hier eine grosse Rolle.
Kein symbolisches Zeichen war im Alterthum so verbreitet, als
das Henkelkreuz. Es findet sich auf scandinavischen, celtischen und
gallischen Münzen und Schmuckgegenständen, wie auf etruskischen
Amphoren aus Terracotta, auf altägyptischen Monumenten, wo es die
Unsterblichkeit, ein Attribut des Osiris und Horus bedeutet *), wie als
Decorationsmotiv auf vielen Gebilden der griechischen Kunst. In
Indien und Ostasien ist es Symbol der Weisheit und tausendfachen
Tugenden Buddhas, ein Zeichen, welches Büsten und Statuen dieses
Heiligen nicht selten auf der Brust tragen, namentlich in Hinterindien,
wie es auch bei zwei vergoldeten Buddhas der französisch-indischen Co-
lonialausstellung zu Antwerpen im vorigen Jahre zu sehen war. Indess
unterscheidet sich das Henkelkreuz der Völker des Occidents, einschliess-
lich Aegyptens, durch die secundären Häkchen der Fahnen oder Haken
von dem des buddhistischen Orients. Auch haben die Fahnen des
letzteren oft die entgegengesetzte Richtung, wie nachstehende Skizzen
zeigen.
[Abbildung a. Griechisches Henkelkreuz. b. Buddhistisches. c. Gammadion.]
Die Japaner nennen das Henkelkreuz Man-ji, die Chinesen
Man-tse, wobei das Wort man »zehntausend« bedeutet. Durch eine
andere Anordnung der vier Gamma des Henkelkreuzes entsteht das
Gammadion, welches neben jenem nicht blos die alten Griechen
viel anwandten, sondern auch im Kunstgewerbe Ostasiens als Deco-
rationsmotiv zur Flächenverzierung viel im Gebrauch ist. So zeigt
uns z. B. das Lichtdruckbild der tauschierten Eisenvase (siehe Metall-
industrie) die Verbindung des Man-ji mit dem Gammadion zu beiden
Seiten der Rebenverzierung.
Das Nichtvorkommen der Mäander (welche in der griechischen
und christlichen Kunst als Ornament eine so grosse Rolle spielen) bei
den arischen Orientalen, ihre häufige Anwendung wieder im chinesisch-
japanischen Kunstgewerbe, ist gewiss auffällig, wiewohl es bisher, so
*) Nach P. Cassel: »Literatur und Symbolik«. Leipzig 1884.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/403>, abgerufen am 22.11.2024.
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