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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
zum kurzen weiten cylindrischen Halse übergehend, in Gebrauch --,
die quadratisch-prismatischen, um bei der Feuerbestattung die Knochen-
und Aschenreste aufzunehmen --; aber in der Keramik des Alterthums
hat man solche Formen, wie es scheint, nie nachgebildet. Was sich
davon im indischen und persischen Kunstgewerbe findet, ist ebenfalls
höchst wahrscheinlich chinesischen Ursprungs.

Im Kunstgewerbe der arischen Völker: der Indier, Perser, Araber,
Griechen, Römer, sowie des christlichen Abendlandes erscheinen Sym-
metrie und Proportionalität, oder sagen wir kurz Ebenmaass, als
Grundbedingung des Ideal-Schönen; sie bilden den herrschenden Zug
der wirklichen Kunstleistungen aller dieser Nationen. In ihren Mustern
herrscht Stil, d. h. sie zeigen in Decoration und Form ein ideales
Gepräge, das oft von dem der Naturgegenstände, welchen es ursprüng-
lich entstammen mag, weit abweicht. Namentlich gilt dies von den
Verzierungen, welche der arische Künstler in der Regel aus seiner
Idee componirt, und meist, ohne je zur Natur länger in die Lehre
gegangen zu sein. Der Gegensatz hierzu in der herrschenden Deco-
rationsweise der Japaner und Chinesen ist gross, vor allem zu dem
Stile in der Decoration der Indier, Perser und Araber. Die Motive
dieser morgenländischen Gruppe der Arier sind nur ausnahmsweise
der Natur entnommen und dann meist bis zur Unkenntlichkeit stilisiert.
Die gerade Linie spielt im Ornament derselben eine untergeordnete
Rolle; Curven und Schnörkel mancherlei Art und verschiedenartig mit
einander verbunden und verschlungen, doch stets symmetrisch geord-
net, zeichnen dasselbe aus. Gerade in dieser harmonischen Anordnung
liegt ihr Hauptreiz, der Reiz der stilisierten Ornamentik überhaupt.
Beim japanischen Kunstgewerbe fehlt diese Verzierungsweise keines-
wegs, sie tritt aber stark in den Hintergrund gegenüber der realisti-
schen Seite. Sie führt den Namen Kara-kusa, d. h. Chinakraut.

In der lebensvollen, getreuen Nachbildung gegebener Naturgegen-
stände, insbesondere von Pflanzen, Vögeln, Insecten und Meeresthieren,
sowie verschiedener Vierfüssler, wie Affen, Hasen, Ratten, in der
Darstellung von Wolken, Fels- und Wasserpartieen hat der Japaner
eine grosse Fertigkeit und leistet vorzügliches. Scharf und bestimmt,
dem Muster entsprechend, erscheint die Zeichnung in Ausdruck und
Bewegung und fesselt dadurch, wie nicht minder durch die Leichtig-
keit und Zartheit der vollendeten Ausführung den Beschauer. Hierin
liegt der Hauptreiz der kunstgewerblichen Erzeugnisse Japans. In
der allgemeinen Flächendecoration treten Arabesken und andere ideale
Curvenornamente gegenüber den geradlinigen Verzierungselementen
entschieden zurück. Mäander, wozu auch das Gammadion und Henkel-

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
zum kurzen weiten cylindrischen Halse übergehend, in Gebrauch —,
die quadratisch-prismatischen, um bei der Feuerbestattung die Knochen-
und Aschenreste aufzunehmen —; aber in der Keramik des Alterthums
hat man solche Formen, wie es scheint, nie nachgebildet. Was sich
davon im indischen und persischen Kunstgewerbe findet, ist ebenfalls
höchst wahrscheinlich chinesischen Ursprungs.

Im Kunstgewerbe der arischen Völker: der Indier, Perser, Araber,
Griechen, Römer, sowie des christlichen Abendlandes erscheinen Sym-
metrie und Proportionalität, oder sagen wir kurz Ebenmaass, als
Grundbedingung des Ideal-Schönen; sie bilden den herrschenden Zug
der wirklichen Kunstleistungen aller dieser Nationen. In ihren Mustern
herrscht Stil, d. h. sie zeigen in Decoration und Form ein ideales
Gepräge, das oft von dem der Naturgegenstände, welchen es ursprüng-
lich entstammen mag, weit abweicht. Namentlich gilt dies von den
Verzierungen, welche der arische Künstler in der Regel aus seiner
Idee componirt, und meist, ohne je zur Natur länger in die Lehre
gegangen zu sein. Der Gegensatz hierzu in der herrschenden Deco-
rationsweise der Japaner und Chinesen ist gross, vor allem zu dem
Stile in der Decoration der Indier, Perser und Araber. Die Motive
dieser morgenländischen Gruppe der Arier sind nur ausnahmsweise
der Natur entnommen und dann meist bis zur Unkenntlichkeit stilisiert.
Die gerade Linie spielt im Ornament derselben eine untergeordnete
Rolle; Curven und Schnörkel mancherlei Art und verschiedenartig mit
einander verbunden und verschlungen, doch stets symmetrisch geord-
net, zeichnen dasselbe aus. Gerade in dieser harmonischen Anordnung
liegt ihr Hauptreiz, der Reiz der stilisierten Ornamentik überhaupt.
Beim japanischen Kunstgewerbe fehlt diese Verzierungsweise keines-
wegs, sie tritt aber stark in den Hintergrund gegenüber der realisti-
schen Seite. Sie führt den Namen Kara-kusa, d. h. Chinakraut.

In der lebensvollen, getreuen Nachbildung gegebener Naturgegen-
stände, insbesondere von Pflanzen, Vögeln, Insecten und Meeresthieren,
sowie verschiedener Vierfüssler, wie Affen, Hasen, Ratten, in der
Darstellung von Wolken, Fels- und Wasserpartieen hat der Japaner
eine grosse Fertigkeit und leistet vorzügliches. Scharf und bestimmt,
dem Muster entsprechend, erscheint die Zeichnung in Ausdruck und
Bewegung und fesselt dadurch, wie nicht minder durch die Leichtig-
keit und Zartheit der vollendeten Ausführung den Beschauer. Hierin
liegt der Hauptreiz der kunstgewerblichen Erzeugnisse Japans. In
der allgemeinen Flächendecoration treten Arabesken und andere ideale
Curvenornamente gegenüber den geradlinigen Verzierungselementen
entschieden zurück. Mäander, wozu auch das Gammadion und Henkel-

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[378/0402] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. zum kurzen weiten cylindrischen Halse übergehend, in Gebrauch —, die quadratisch-prismatischen, um bei der Feuerbestattung die Knochen- und Aschenreste aufzunehmen —; aber in der Keramik des Alterthums hat man solche Formen, wie es scheint, nie nachgebildet. Was sich davon im indischen und persischen Kunstgewerbe findet, ist ebenfalls höchst wahrscheinlich chinesischen Ursprungs. Im Kunstgewerbe der arischen Völker: der Indier, Perser, Araber, Griechen, Römer, sowie des christlichen Abendlandes erscheinen Sym- metrie und Proportionalität, oder sagen wir kurz Ebenmaass, als Grundbedingung des Ideal-Schönen; sie bilden den herrschenden Zug der wirklichen Kunstleistungen aller dieser Nationen. In ihren Mustern herrscht Stil, d. h. sie zeigen in Decoration und Form ein ideales Gepräge, das oft von dem der Naturgegenstände, welchen es ursprüng- lich entstammen mag, weit abweicht. Namentlich gilt dies von den Verzierungen, welche der arische Künstler in der Regel aus seiner Idee componirt, und meist, ohne je zur Natur länger in die Lehre gegangen zu sein. Der Gegensatz hierzu in der herrschenden Deco- rationsweise der Japaner und Chinesen ist gross, vor allem zu dem Stile in der Decoration der Indier, Perser und Araber. Die Motive dieser morgenländischen Gruppe der Arier sind nur ausnahmsweise der Natur entnommen und dann meist bis zur Unkenntlichkeit stilisiert. Die gerade Linie spielt im Ornament derselben eine untergeordnete Rolle; Curven und Schnörkel mancherlei Art und verschiedenartig mit einander verbunden und verschlungen, doch stets symmetrisch geord- net, zeichnen dasselbe aus. Gerade in dieser harmonischen Anordnung liegt ihr Hauptreiz, der Reiz der stilisierten Ornamentik überhaupt. Beim japanischen Kunstgewerbe fehlt diese Verzierungsweise keines- wegs, sie tritt aber stark in den Hintergrund gegenüber der realisti- schen Seite. Sie führt den Namen Kara-kusa, d. h. Chinakraut. In der lebensvollen, getreuen Nachbildung gegebener Naturgegen- stände, insbesondere von Pflanzen, Vögeln, Insecten und Meeresthieren, sowie verschiedener Vierfüssler, wie Affen, Hasen, Ratten, in der Darstellung von Wolken, Fels- und Wasserpartieen hat der Japaner eine grosse Fertigkeit und leistet vorzügliches. Scharf und bestimmt, dem Muster entsprechend, erscheint die Zeichnung in Ausdruck und Bewegung und fesselt dadurch, wie nicht minder durch die Leichtig- keit und Zartheit der vollendeten Ausführung den Beschauer. Hierin liegt der Hauptreiz der kunstgewerblichen Erzeugnisse Japans. In der allgemeinen Flächendecoration treten Arabesken und andere ideale Curvenornamente gegenüber den geradlinigen Verzierungselementen entschieden zurück. Mäander, wozu auch das Gammadion und Henkel-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/402>, abgerufen am 31.10.2024.