Iyenari Bunkio (1787--1836 n. Chr.) als die eigentliche Glanzzeit des altjapanischen Kunstgewerbes.
Endlich, nach langer Uebung und nachdem die gewaltigen Ver- kehrsschranken gefallen waren, erschien Neu-Japan mit den mannig- faltigen Erzeugnissen seiner Lackierkunst, seiner Keramik und Emai- lierung kupferner und irdener Gefässe, seiner Bronze-Industrie und Waf- fenschmiedekunst, mit seinen herrlichen seidenen Geweben und Sticke- reien und einer Menge der verschiedenartigsten Spiel- und Phantasie- stücke auf den Märkten des Occidents, erwarb sich rasch die Bewun- derung der meisten Kunstfreunde und kämpfte auf den verschiedenen internationalen Ausstellungen mit den civilisierten Völkern der Christen- heit erfolgreich um die Krone. Dem Bergwasser vergleichbar, das während langer Stauung sich sammelt, dann aber plötzlich losbricht, über die Ebene hereinströmt und sie überschwemmt und befruchtet, erschienen in Westeuropa diese Producte des japanischen Gewerb- fleisses auf den Märkten und übten mehr oder minder Einfluss auf den Geschmack und die Bestrebungen vieler Gewerbetreibenden aus.
In Japan selbst waren das Feudalsystem und seine Schranken überwunden, die Daimioburgen gefallen und die Klöster eines ansehn- lichen Theils ihrer Mittel beraubt, und damit die bisherigen Stützen und Förderer des eigenartigen Kunsthandwerks verschwunden. Die meisten der angesammelten Erzeugnisse desselben gingen ins Ausland, um private und öffentliche Sammlungen zu schmücken; manche wurden zu Spottpreisen verschleudert. Damit verbreitete sich allgemein die Furcht, dass die alte Kunstfertigkeit nun aussterben, das Kunstgewerbe Japans entarten werde. Diese Besorgniss war um so begründeter, als die fremden Exporteure solcher Erzeugnisse nun in den Vertragshäfen und im Landesinnern die Gegenstände fabrikmässig und massenhaft anfertigen liessen, und es ihnen meist nur um Erzielung eines hohen Absatzes, und dem entsprechend um billige Preise zu thun war. Der Gewerbetreibende selbst verliess vielfach seine alten Muster und Ar- beitsmethoden, suchte eifrig nach neuen Formen und Verzierungsweisen, blos um sie dem europäischen Geschmack anzupassen, den er im übri- gen gar nicht kannte. Die geschmacklosesten Dinge, auch nach ja- panischer Auffassung, kamen so auf den Markt und fanden auch noch ihre Abnehmer.
Unerwartet aber trat mit der Neubelebung unseres eigenen Kunst- handwerks und mit der Verbreitung eines geläuterten Geschmacks in Europa auch ein Wendepunkt in dieser verderblichen Richtung des japanischen Kunstgewerbes ein. Die Zahl der Kenner und Liebhaber der gediegenen kunstindustriellen Leistungen Japans mehrte sich, die
III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Iyenari Bunkio (1787—1836 n. Chr.) als die eigentliche Glanzzeit des altjapanischen Kunstgewerbes.
Endlich, nach langer Uebung und nachdem die gewaltigen Ver- kehrsschranken gefallen waren, erschien Neu-Japan mit den mannig- faltigen Erzeugnissen seiner Lackierkunst, seiner Keramik und Emai- lierung kupferner und irdener Gefässe, seiner Bronze-Industrie und Waf- fenschmiedekunst, mit seinen herrlichen seidenen Geweben und Sticke- reien und einer Menge der verschiedenartigsten Spiel- und Phantasie- stücke auf den Märkten des Occidents, erwarb sich rasch die Bewun- derung der meisten Kunstfreunde und kämpfte auf den verschiedenen internationalen Ausstellungen mit den civilisierten Völkern der Christen- heit erfolgreich um die Krone. Dem Bergwasser vergleichbar, das während langer Stauung sich sammelt, dann aber plötzlich losbricht, über die Ebene hereinströmt und sie überschwemmt und befruchtet, erschienen in Westeuropa diese Producte des japanischen Gewerb- fleisses auf den Märkten und übten mehr oder minder Einfluss auf den Geschmack und die Bestrebungen vieler Gewerbetreibenden aus.
In Japan selbst waren das Feudalsystem und seine Schranken überwunden, die Daimiôburgen gefallen und die Klöster eines ansehn- lichen Theils ihrer Mittel beraubt, und damit die bisherigen Stützen und Förderer des eigenartigen Kunsthandwerks verschwunden. Die meisten der angesammelten Erzeugnisse desselben gingen ins Ausland, um private und öffentliche Sammlungen zu schmücken; manche wurden zu Spottpreisen verschleudert. Damit verbreitete sich allgemein die Furcht, dass die alte Kunstfertigkeit nun aussterben, das Kunstgewerbe Japans entarten werde. Diese Besorgniss war um so begründeter, als die fremden Exporteure solcher Erzeugnisse nun in den Vertragshäfen und im Landesinnern die Gegenstände fabrikmässig und massenhaft anfertigen liessen, und es ihnen meist nur um Erzielung eines hohen Absatzes, und dem entsprechend um billige Preise zu thun war. Der Gewerbetreibende selbst verliess vielfach seine alten Muster und Ar- beitsmethoden, suchte eifrig nach neuen Formen und Verzierungsweisen, blos um sie dem europäischen Geschmack anzupassen, den er im übri- gen gar nicht kannte. Die geschmacklosesten Dinge, auch nach ja- panischer Auffassung, kamen so auf den Markt und fanden auch noch ihre Abnehmer.
Unerwartet aber trat mit der Neubelebung unseres eigenen Kunst- handwerks und mit der Verbreitung eines geläuterten Geschmacks in Europa auch ein Wendepunkt in dieser verderblichen Richtung des japanischen Kunstgewerbes ein. Die Zahl der Kenner und Liebhaber der gediegenen kunstindustriellen Leistungen Japans mehrte sich, die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0410"n="386"/><fwplace="top"type="header">III. Kunstgewerbe und Verwandtes.</fw><lb/><hirendition="#g">Iyenari Bunkio</hi> (1787—1836 n. Chr.) als die eigentliche Glanzzeit<lb/>
des altjapanischen Kunstgewerbes.</p><lb/><p>Endlich, nach langer Uebung und nachdem die gewaltigen Ver-<lb/>
kehrsschranken gefallen waren, erschien Neu-Japan mit den mannig-<lb/>
faltigen Erzeugnissen seiner Lackierkunst, seiner Keramik und Emai-<lb/>
lierung kupferner und irdener Gefässe, seiner Bronze-Industrie und Waf-<lb/>
fenschmiedekunst, mit seinen herrlichen seidenen Geweben und Sticke-<lb/>
reien und einer Menge der verschiedenartigsten Spiel- und Phantasie-<lb/>
stücke auf den Märkten des Occidents, erwarb sich rasch die Bewun-<lb/>
derung der meisten Kunstfreunde und kämpfte auf den verschiedenen<lb/>
internationalen Ausstellungen mit den civilisierten Völkern der Christen-<lb/>
heit erfolgreich um die Krone. Dem Bergwasser vergleichbar, das<lb/>
während langer Stauung sich sammelt, dann aber plötzlich losbricht,<lb/>
über die Ebene hereinströmt und sie überschwemmt und befruchtet,<lb/>
erschienen in Westeuropa diese Producte des japanischen Gewerb-<lb/>
fleisses auf den Märkten und übten mehr oder minder Einfluss auf<lb/>
den Geschmack und die Bestrebungen vieler Gewerbetreibenden aus.</p><lb/><p>In Japan selbst waren das Feudalsystem und seine Schranken<lb/>
überwunden, die Daimiôburgen gefallen und die Klöster eines ansehn-<lb/>
lichen Theils ihrer Mittel beraubt, und damit die bisherigen Stützen<lb/>
und Förderer des eigenartigen Kunsthandwerks verschwunden. Die<lb/>
meisten der angesammelten Erzeugnisse desselben gingen ins Ausland,<lb/>
um private und öffentliche Sammlungen zu schmücken; manche wurden<lb/>
zu Spottpreisen verschleudert. Damit verbreitete sich allgemein die<lb/>
Furcht, dass die alte Kunstfertigkeit nun aussterben, das Kunstgewerbe<lb/>
Japans entarten werde. Diese Besorgniss war um so begründeter, als<lb/>
die fremden Exporteure solcher Erzeugnisse nun in den Vertragshäfen<lb/>
und im Landesinnern die Gegenstände fabrikmässig und massenhaft<lb/>
anfertigen liessen, und es ihnen meist nur um Erzielung eines hohen<lb/>
Absatzes, und dem entsprechend um billige Preise zu thun war. Der<lb/>
Gewerbetreibende selbst verliess vielfach seine alten Muster und Ar-<lb/>
beitsmethoden, suchte eifrig nach neuen Formen und Verzierungsweisen,<lb/>
blos um sie dem europäischen Geschmack anzupassen, den er im übri-<lb/>
gen gar nicht kannte. Die geschmacklosesten Dinge, auch nach ja-<lb/>
panischer Auffassung, kamen so auf den Markt und fanden auch noch<lb/>
ihre Abnehmer.</p><lb/><p>Unerwartet aber trat mit der Neubelebung unseres eigenen Kunst-<lb/>
handwerks und mit der Verbreitung eines geläuterten Geschmacks in<lb/>
Europa auch ein Wendepunkt in dieser verderblichen Richtung des<lb/>
japanischen Kunstgewerbes ein. Die Zahl der Kenner und Liebhaber<lb/>
der gediegenen kunstindustriellen Leistungen Japans mehrte sich, die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[386/0410]
III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Iyenari Bunkio (1787—1836 n. Chr.) als die eigentliche Glanzzeit
des altjapanischen Kunstgewerbes.
Endlich, nach langer Uebung und nachdem die gewaltigen Ver-
kehrsschranken gefallen waren, erschien Neu-Japan mit den mannig-
faltigen Erzeugnissen seiner Lackierkunst, seiner Keramik und Emai-
lierung kupferner und irdener Gefässe, seiner Bronze-Industrie und Waf-
fenschmiedekunst, mit seinen herrlichen seidenen Geweben und Sticke-
reien und einer Menge der verschiedenartigsten Spiel- und Phantasie-
stücke auf den Märkten des Occidents, erwarb sich rasch die Bewun-
derung der meisten Kunstfreunde und kämpfte auf den verschiedenen
internationalen Ausstellungen mit den civilisierten Völkern der Christen-
heit erfolgreich um die Krone. Dem Bergwasser vergleichbar, das
während langer Stauung sich sammelt, dann aber plötzlich losbricht,
über die Ebene hereinströmt und sie überschwemmt und befruchtet,
erschienen in Westeuropa diese Producte des japanischen Gewerb-
fleisses auf den Märkten und übten mehr oder minder Einfluss auf
den Geschmack und die Bestrebungen vieler Gewerbetreibenden aus.
In Japan selbst waren das Feudalsystem und seine Schranken
überwunden, die Daimiôburgen gefallen und die Klöster eines ansehn-
lichen Theils ihrer Mittel beraubt, und damit die bisherigen Stützen
und Förderer des eigenartigen Kunsthandwerks verschwunden. Die
meisten der angesammelten Erzeugnisse desselben gingen ins Ausland,
um private und öffentliche Sammlungen zu schmücken; manche wurden
zu Spottpreisen verschleudert. Damit verbreitete sich allgemein die
Furcht, dass die alte Kunstfertigkeit nun aussterben, das Kunstgewerbe
Japans entarten werde. Diese Besorgniss war um so begründeter, als
die fremden Exporteure solcher Erzeugnisse nun in den Vertragshäfen
und im Landesinnern die Gegenstände fabrikmässig und massenhaft
anfertigen liessen, und es ihnen meist nur um Erzielung eines hohen
Absatzes, und dem entsprechend um billige Preise zu thun war. Der
Gewerbetreibende selbst verliess vielfach seine alten Muster und Ar-
beitsmethoden, suchte eifrig nach neuen Formen und Verzierungsweisen,
blos um sie dem europäischen Geschmack anzupassen, den er im übri-
gen gar nicht kannte. Die geschmacklosesten Dinge, auch nach ja-
panischer Auffassung, kamen so auf den Markt und fanden auch noch
ihre Abnehmer.
Unerwartet aber trat mit der Neubelebung unseres eigenen Kunst-
handwerks und mit der Verbreitung eines geläuterten Geschmacks in
Europa auch ein Wendepunkt in dieser verderblichen Richtung des
japanischen Kunstgewerbes ein. Die Zahl der Kenner und Liebhaber
der gediegenen kunstindustriellen Leistungen Japans mehrte sich, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/410>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.