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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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1. Das japanische Kunstgewerbe im Allgemeinen.
Verkehr Portugals mit Japan umfasst die zweite Hälfte des 16. Jahr-
hunderts. Nach der Entdeckung des Landes durch Mendez Pinto im
Jahre 1542 folgten portugiesische Jesuiten der Führung des Francisco
Xavier und verkündigten im südlichen und mittleren Theile desselben
das Christenthum, und zwar mit solchem Erfolge, dass viele Tausende
zu demselben übertraten. Zusehends wuchs der Einfluss dieser An-
hänger Loyolas und bewirkte im Jahre 1582 bei einigen christlichen
Fürsten der Insel Kiushiu sogar die Absendung einer Gesandtschaft
mit reichen Geschenken an den Papst nach Rom und den Hof nach
Madrid über Lissabon.

Diese Geschenke, sowie alle sonstigen gewerblichen Erzeugnisse
Japans, welche in jener Periode nach der iberischen und italischen
Halbinsel gelangt sein mögen, haben keinerlei nachweisbaren Einfluss
auf das Kunstgewerbe derselben geübt, ebensowenig, wie die mit
Japan damals verkehrenden portugiesischen Priester und Kaufleute
selbst.*) Als diese in den ersten Decennien des 17. Jahrhunderts des
Landes verwiesen wurden, hatte Europa von ihrem 80jährigen Verkehr
mit Japan ausser der Erweiterung seiner geschichtlichen und ethno-
graphischen Kenntnisse nur geringen Vorteil geerntet. Namentlich
war das interessante Land in naturwissenschaftlicher Beziehung eine
terra incognita geblieben, deren Erforschung erst gegen Ende des Jahr-
hunderts durch unsern Landsmann E. Kämpfer begann.

Während der langen Zeit (1624--1854), in welcher nur Holland
unter zwar sehr vorteilhaften, aber höchst demüthigenden Bedingungen,
in Nagasaki den Verkehr Europas mit Japan unterhielt, kam manches
werthvolle Industrieerzeugniss des letzteren nach den Niederlanden.
Lange Zeit hindurch blieben diese Gegenstände dem übrigen Europa so
zu sagen fremd, denn sie gelangten nur in die Privatsammlungen einzel-
ner Fürsten, vornehmlich urnenförmige Deckelvasen aus Hizen-Porzel-

*) Meine Hoffnung, es möchten wenigstens jene Geschenke selbst, sowie an-
dere Erzeugnisse des japanischen Gewerbfleisses aus damaliger Zeit in den Samm-
lungen Lissabons, Madrids und Roms oder portugiesischer Klöster zu finden sein
und so einen festen Anhalt zur Beurteilung der Leistungen Japans im 16. Jahr-
hundert bieten, hat sich zu meinem Bedauern nicht erfüllt. Die Nachforschungen,
welche ich durch einen sachverständigen Freund im vorigen Jahre in Rom anstellen
liess, blieben eben so resultatlos, wie meine eigenen in Madrid, Lissabon und
Nachbarschaft. Der kunstsinnige König Don Fernando, ein vortrefflicher Beur-
teiler kunstgewerblicher Erzeugnisse, der die Gewogenheit hatte, mich in seiner
herrlichen Sammlung in Lissabon selbst umher zu führen, war der Meinung, dass
Portugal nichts mehr aus jener Zeit besitzt. Dasselbe gilt in noch höherem Grade
von Spanien, dessen Hauptstadt es noch nicht zu einer kunstgewerblichen oder
ethnographischen Sammlung gebracht hat.

1. Das japanische Kunstgewerbe im Allgemeinen.
Verkehr Portugals mit Japan umfasst die zweite Hälfte des 16. Jahr-
hunderts. Nach der Entdeckung des Landes durch Mendez Pinto im
Jahre 1542 folgten portugiesische Jesuiten der Führung des Francisco
Xavier und verkündigten im südlichen und mittleren Theile desselben
das Christenthum, und zwar mit solchem Erfolge, dass viele Tausende
zu demselben übertraten. Zusehends wuchs der Einfluss dieser An-
hänger Loyolas und bewirkte im Jahre 1582 bei einigen christlichen
Fürsten der Insel Kiushiu sogar die Absendung einer Gesandtschaft
mit reichen Geschenken an den Papst nach Rom und den Hof nach
Madrid über Lissabon.

Diese Geschenke, sowie alle sonstigen gewerblichen Erzeugnisse
Japans, welche in jener Periode nach der iberischen und italischen
Halbinsel gelangt sein mögen, haben keinerlei nachweisbaren Einfluss
auf das Kunstgewerbe derselben geübt, ebensowenig, wie die mit
Japan damals verkehrenden portugiesischen Priester und Kaufleute
selbst.*) Als diese in den ersten Decennien des 17. Jahrhunderts des
Landes verwiesen wurden, hatte Europa von ihrem 80jährigen Verkehr
mit Japan ausser der Erweiterung seiner geschichtlichen und ethno-
graphischen Kenntnisse nur geringen Vorteil geerntet. Namentlich
war das interessante Land in naturwissenschaftlicher Beziehung eine
terra incognita geblieben, deren Erforschung erst gegen Ende des Jahr-
hunderts durch unsern Landsmann E. Kämpfer begann.

Während der langen Zeit (1624—1854), in welcher nur Holland
unter zwar sehr vorteilhaften, aber höchst demüthigenden Bedingungen,
in Nagasaki den Verkehr Europas mit Japan unterhielt, kam manches
werthvolle Industrieerzeugniss des letzteren nach den Niederlanden.
Lange Zeit hindurch blieben diese Gegenstände dem übrigen Europa so
zu sagen fremd, denn sie gelangten nur in die Privatsammlungen einzel-
ner Fürsten, vornehmlich urnenförmige Deckelvasen aus Hizen-Porzel-

*) Meine Hoffnung, es möchten wenigstens jene Geschenke selbst, sowie an-
dere Erzeugnisse des japanischen Gewerbfleisses aus damaliger Zeit in den Samm-
lungen Lissabons, Madrids und Roms oder portugiesischer Klöster zu finden sein
und so einen festen Anhalt zur Beurteilung der Leistungen Japans im 16. Jahr-
hundert bieten, hat sich zu meinem Bedauern nicht erfüllt. Die Nachforschungen,
welche ich durch einen sachverständigen Freund im vorigen Jahre in Rom anstellen
liess, blieben eben so resultatlos, wie meine eigenen in Madrid, Lissabon und
Nachbarschaft. Der kunstsinnige König Don Fernando, ein vortrefflicher Beur-
teiler kunstgewerblicher Erzeugnisse, der die Gewogenheit hatte, mich in seiner
herrlichen Sammlung in Lissabon selbst umher zu führen, war der Meinung, dass
Portugal nichts mehr aus jener Zeit besitzt. Dasselbe gilt in noch höherem Grade
von Spanien, dessen Hauptstadt es noch nicht zu einer kunstgewerblichen oder
ethnographischen Sammlung gebracht hat.
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[389/0413] 1. Das japanische Kunstgewerbe im Allgemeinen. Verkehr Portugals mit Japan umfasst die zweite Hälfte des 16. Jahr- hunderts. Nach der Entdeckung des Landes durch Mendez Pinto im Jahre 1542 folgten portugiesische Jesuiten der Führung des Francisco Xavier und verkündigten im südlichen und mittleren Theile desselben das Christenthum, und zwar mit solchem Erfolge, dass viele Tausende zu demselben übertraten. Zusehends wuchs der Einfluss dieser An- hänger Loyolas und bewirkte im Jahre 1582 bei einigen christlichen Fürsten der Insel Kiushiu sogar die Absendung einer Gesandtschaft mit reichen Geschenken an den Papst nach Rom und den Hof nach Madrid über Lissabon. Diese Geschenke, sowie alle sonstigen gewerblichen Erzeugnisse Japans, welche in jener Periode nach der iberischen und italischen Halbinsel gelangt sein mögen, haben keinerlei nachweisbaren Einfluss auf das Kunstgewerbe derselben geübt, ebensowenig, wie die mit Japan damals verkehrenden portugiesischen Priester und Kaufleute selbst. *) Als diese in den ersten Decennien des 17. Jahrhunderts des Landes verwiesen wurden, hatte Europa von ihrem 80jährigen Verkehr mit Japan ausser der Erweiterung seiner geschichtlichen und ethno- graphischen Kenntnisse nur geringen Vorteil geerntet. Namentlich war das interessante Land in naturwissenschaftlicher Beziehung eine terra incognita geblieben, deren Erforschung erst gegen Ende des Jahr- hunderts durch unsern Landsmann E. Kämpfer begann. Während der langen Zeit (1624—1854), in welcher nur Holland unter zwar sehr vorteilhaften, aber höchst demüthigenden Bedingungen, in Nagasaki den Verkehr Europas mit Japan unterhielt, kam manches werthvolle Industrieerzeugniss des letzteren nach den Niederlanden. Lange Zeit hindurch blieben diese Gegenstände dem übrigen Europa so zu sagen fremd, denn sie gelangten nur in die Privatsammlungen einzel- ner Fürsten, vornehmlich urnenförmige Deckelvasen aus Hizen-Porzel- *) Meine Hoffnung, es möchten wenigstens jene Geschenke selbst, sowie an- dere Erzeugnisse des japanischen Gewerbfleisses aus damaliger Zeit in den Samm- lungen Lissabons, Madrids und Roms oder portugiesischer Klöster zu finden sein und so einen festen Anhalt zur Beurteilung der Leistungen Japans im 16. Jahr- hundert bieten, hat sich zu meinem Bedauern nicht erfüllt. Die Nachforschungen, welche ich durch einen sachverständigen Freund im vorigen Jahre in Rom anstellen liess, blieben eben so resultatlos, wie meine eigenen in Madrid, Lissabon und Nachbarschaft. Der kunstsinnige König Don Fernando, ein vortrefflicher Beur- teiler kunstgewerblicher Erzeugnisse, der die Gewogenheit hatte, mich in seiner herrlichen Sammlung in Lissabon selbst umher zu führen, war der Meinung, dass Portugal nichts mehr aus jener Zeit besitzt. Dasselbe gilt in noch höherem Grade von Spanien, dessen Hauptstadt es noch nicht zu einer kunstgewerblichen oder ethnographischen Sammlung gebracht hat.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/413>, abgerufen am 27.07.2024.