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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
lan. In Holland selbst übten sie nur auf die Keramik einen nach-
weisbaren Einfluss aus. In Delft florierte damals (1639--1764) die
berühmte Faience-Fabrik von Lambertus Cleffius. Sie folgte der
Richtung ihrer Zeit und malte ihre Bilder auf hartes, gebranntes Zinn-
email, während in der vorausgegangenen Periode die Farben auf die
lufttrockne Emailhülle aufgetragen und dann mit derselben gebrannt
wurden, wodurch die Verzierungen sich viel zarter und leichter ge-
stalteten.

Was nun die Decorationsmotive betrifft, so finden wir die Maler
der Fabrik in hohem Grade von japanischen Mustern inspiriert, ebenso
diejenigen verschiedener andern holländischen Fabriken aus jener Zeit,
die alle ihre Producte Porzellan nannten und theilweise sogar Patente
für treue Nachahmung der Japaner erhielten, wie z. B. Pinaker. Die
japanischen Muster erkennt man jedoch weniger in dem angewandten
Material, noch in den Formen, als vielmehr in der Verzierungsweise.
Wir finden auf den Erzeugnissen dieser ausgedehnten holländischen
Faience-Industrie z. B. den Botan (Paeonia Moutan), die Mume (Pru-
nus Mume), die Matsu (Pinus densiflora) und andere Kinder der japa-
nischen Flora dargestellt, aber auch Kraniche, Silberreiher, Pfauen etc.
nach japanischen Vorbildern.

Als aber im 18. Jahrhundert die Faience mit ihrem opaken Zinn-
email durch das Aufblühen der Porzellan-Industrie in Europa mehr
und mehr zurückgedrängt wurde, schwanden auch ihre japanischen
Muster und wurden durch chinesische ersetzt, wie wir dies vor allem
an den älteren Erzeugnissen von Meissen und Sevres wahrnehmen
können. Die frühesten Producte Böttgers und von Tschirnhaus, das
sogenannte "rothe Porzellan" -- Steingut und Irdenwaare von roth-
brauner Jaspisfarbe, wie sie ähnlich noch 80 Jahre später von Wedge-
wood in England geliefert wurden --, bestehen vornehmlich in Thee-
töpfen, welche nach Färbung, Form und Verzierung manchen noch
heutiges Tags in China, z. B. den in der Provinz Shantung verfer-
tigten, zum Theil zum Verwechseln ähnlich sind. Ebenso reiht sich
das von 1709 ab in Meissen zuerst dargestellte Hartporzellan in jeder
Beziehung den chinesischen Mustern an. In späterer Zeit verliess die
Ausschmückung in Meissen, wie anderwärts, die ostasiatischen Vor-
bilder mehr und mehr und behielt davon nur noch einige stylisierte
Theile, wie die Blüthen der Rose, Päonie und Mumepflaume, welche
sie, getrennt von den übrigen Bestandtheilen der Pflanze, durch Ara-
besken und andere ideale Verzierungen verband und so Bilder schuf,
welche durch Symmetrie und Gefälligkeit der Formen ersetzten, was
ihnen an Naturtreue abging.

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
lan. In Holland selbst übten sie nur auf die Keramik einen nach-
weisbaren Einfluss aus. In Delft florierte damals (1639—1764) die
berühmte Faience-Fabrik von Lambertus Cleffius. Sie folgte der
Richtung ihrer Zeit und malte ihre Bilder auf hartes, gebranntes Zinn-
email, während in der vorausgegangenen Periode die Farben auf die
lufttrockne Emailhülle aufgetragen und dann mit derselben gebrannt
wurden, wodurch die Verzierungen sich viel zarter und leichter ge-
stalteten.

Was nun die Decorationsmotive betrifft, so finden wir die Maler
der Fabrik in hohem Grade von japanischen Mustern inspiriert, ebenso
diejenigen verschiedener andern holländischen Fabriken aus jener Zeit,
die alle ihre Producte Porzellan nannten und theilweise sogar Patente
für treue Nachahmung der Japaner erhielten, wie z. B. Pinaker. Die
japanischen Muster erkennt man jedoch weniger in dem angewandten
Material, noch in den Formen, als vielmehr in der Verzierungsweise.
Wir finden auf den Erzeugnissen dieser ausgedehnten holländischen
Faience-Industrie z. B. den Botan (Paeonia Moutan), die Mume (Pru-
nus Mume), die Matsu (Pinus densiflora) und andere Kinder der japa-
nischen Flora dargestellt, aber auch Kraniche, Silberreiher, Pfauen etc.
nach japanischen Vorbildern.

Als aber im 18. Jahrhundert die Faience mit ihrem opaken Zinn-
email durch das Aufblühen der Porzellan-Industrie in Europa mehr
und mehr zurückgedrängt wurde, schwanden auch ihre japanischen
Muster und wurden durch chinesische ersetzt, wie wir dies vor allem
an den älteren Erzeugnissen von Meissen und Sèvres wahrnehmen
können. Die frühesten Producte Böttgers und von Tschirnhaus, das
sogenannte »rothe Porzellan« — Steingut und Irdenwaare von roth-
brauner Jaspisfarbe, wie sie ähnlich noch 80 Jahre später von Wedge-
wood in England geliefert wurden —, bestehen vornehmlich in Thee-
töpfen, welche nach Färbung, Form und Verzierung manchen noch
heutiges Tags in China, z. B. den in der Provinz Shantung verfer-
tigten, zum Theil zum Verwechseln ähnlich sind. Ebenso reiht sich
das von 1709 ab in Meissen zuerst dargestellte Hartporzellan in jeder
Beziehung den chinesischen Mustern an. In späterer Zeit verliess die
Ausschmückung in Meissen, wie anderwärts, die ostasiatischen Vor-
bilder mehr und mehr und behielt davon nur noch einige stylisierte
Theile, wie die Blüthen der Rose, Päonie und Mumepflaume, welche
sie, getrennt von den übrigen Bestandtheilen der Pflanze, durch Ara-
besken und andere ideale Verzierungen verband und so Bilder schuf,
welche durch Symmetrie und Gefälligkeit der Formen ersetzten, was
ihnen an Naturtreue abging.

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[390/0414] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. lan. In Holland selbst übten sie nur auf die Keramik einen nach- weisbaren Einfluss aus. In Delft florierte damals (1639—1764) die berühmte Faience-Fabrik von Lambertus Cleffius. Sie folgte der Richtung ihrer Zeit und malte ihre Bilder auf hartes, gebranntes Zinn- email, während in der vorausgegangenen Periode die Farben auf die lufttrockne Emailhülle aufgetragen und dann mit derselben gebrannt wurden, wodurch die Verzierungen sich viel zarter und leichter ge- stalteten. Was nun die Decorationsmotive betrifft, so finden wir die Maler der Fabrik in hohem Grade von japanischen Mustern inspiriert, ebenso diejenigen verschiedener andern holländischen Fabriken aus jener Zeit, die alle ihre Producte Porzellan nannten und theilweise sogar Patente für treue Nachahmung der Japaner erhielten, wie z. B. Pinaker. Die japanischen Muster erkennt man jedoch weniger in dem angewandten Material, noch in den Formen, als vielmehr in der Verzierungsweise. Wir finden auf den Erzeugnissen dieser ausgedehnten holländischen Faience-Industrie z. B. den Botan (Paeonia Moutan), die Mume (Pru- nus Mume), die Matsu (Pinus densiflora) und andere Kinder der japa- nischen Flora dargestellt, aber auch Kraniche, Silberreiher, Pfauen etc. nach japanischen Vorbildern. Als aber im 18. Jahrhundert die Faience mit ihrem opaken Zinn- email durch das Aufblühen der Porzellan-Industrie in Europa mehr und mehr zurückgedrängt wurde, schwanden auch ihre japanischen Muster und wurden durch chinesische ersetzt, wie wir dies vor allem an den älteren Erzeugnissen von Meissen und Sèvres wahrnehmen können. Die frühesten Producte Böttgers und von Tschirnhaus, das sogenannte »rothe Porzellan« — Steingut und Irdenwaare von roth- brauner Jaspisfarbe, wie sie ähnlich noch 80 Jahre später von Wedge- wood in England geliefert wurden —, bestehen vornehmlich in Thee- töpfen, welche nach Färbung, Form und Verzierung manchen noch heutiges Tags in China, z. B. den in der Provinz Shantung verfer- tigten, zum Theil zum Verwechseln ähnlich sind. Ebenso reiht sich das von 1709 ab in Meissen zuerst dargestellte Hartporzellan in jeder Beziehung den chinesischen Mustern an. In späterer Zeit verliess die Ausschmückung in Meissen, wie anderwärts, die ostasiatischen Vor- bilder mehr und mehr und behielt davon nur noch einige stylisierte Theile, wie die Blüthen der Rose, Päonie und Mumepflaume, welche sie, getrennt von den übrigen Bestandtheilen der Pflanze, durch Ara- besken und andere ideale Verzierungen verband und so Bilder schuf, welche durch Symmetrie und Gefälligkeit der Formen ersetzten, was ihnen an Naturtreue abging.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/414>, abgerufen am 24.11.2024.