allgemein Mode, so wollte sie von nun ab Jedermann womöglich nach japanischer Art verziert haben.
Die meisten übrigen Länder, welche auf dem Marsfelde vertreten waren, boten in der hier besprochenen Richtung wenig Bemerkens- werthes. So hat sich z. B. das russische Kunsthandwerk bis jetzt von dem japanischen Einfluss fast ganz frei gehalten und am meisten seinen nationalen Charakter bewahrt. Aber die Porzellanindustrie von Stockholm, welcher die nahe Insel Ytterby in einem sich ganz weiss brennenden Feldspath (Mikroklin) ein vortreffliches Rohmaterial liefert, das auch verschiedenen deutschen Fabriken dient, hat ebenfalls der Zeitströmung schon Rechnung getragen. Die berühmten Fabriken von Rörstrand und Gustavsberg, welche zu den ältesten Europas gehören und wiederholt im Wettkampfe mit andern Ländern hohe Auszeich- nungen erhielten, hatten theils Form und Decoration, theils blos das Genre der letzteren den Japanern abgesehen. Zu der ersten Art ge- hörten -- eine durchaus misslungene Copie -- zwei vierkantige Vasen, deren Felder mit japanischen Mädchen bemalt waren, die das blonde Haar der Skandinavierinnen trugen. Wo aber die japanische Manier frei und auf edle antike Formen angewandt war, wie z. B. bei zwei andern Vasen, welche schwedische Gräser und Feldblumen zierten, fesselte die Naturtreue und die freie, leichte, schwungvolle Darstel- lung wohl jeden Kunstfreund.
Meine Betrachtungen über das japanische Kunstgewerbe nahen ihrem Schluss. In dem schönen Werke von C. von Lützow "Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung" schrieb pg. 4 J. Falke vornehmlich mit Bezug auf Japan: "Die farbige, decorative Kunst des Orients ist seit den Weltausstellungen aus ihrer isolierten Ruhe herausgetreten; sie ist eine Grösse für Europa geworden, dringt in seine Industrie gewaltig ein und droht seinen Geschmack auf ge- wissen Gebieten vollständig umzuwandeln." War dieser Ausspruch schon durch das, was die Ausstellung von 1873 im Wiener Prater bot, gerechtfertigt, so bewahrheitete er sich noch mehr nach der Entwicke- lung, welche das Kunstgewerbe im Jahre 1878 auf dem Marsfelde zu Paris zeigte. Eine vollständige Umwandlung des europäischen Ge- schmacks durch den japanischen Einfluss halte ich in keinem Zweige für möglich, wohl aber die Fortdauer der blinden Nachahmung japa- nischer Vorbilder für noch geraume Zeit. Sie hat für unser Kunst- handwerk meines Erachtens keinen directen bleibenden Werth, wohl aber den indirecten, dass sie zur Läuterung des Geschmackes dienen, der einseitigen naturwidrigen Stilisierung und ihrer zu weiten Ver- wendung entgegenwirken und mehr zur Natur als Lehrmeisterin führen
III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
allgemein Mode, so wollte sie von nun ab Jedermann womöglich nach japanischer Art verziert haben.
Die meisten übrigen Länder, welche auf dem Marsfelde vertreten waren, boten in der hier besprochenen Richtung wenig Bemerkens- werthes. So hat sich z. B. das russische Kunsthandwerk bis jetzt von dem japanischen Einfluss fast ganz frei gehalten und am meisten seinen nationalen Charakter bewahrt. Aber die Porzellanindustrie von Stockholm, welcher die nahe Insel Ytterby in einem sich ganz weiss brennenden Feldspath (Mikroklin) ein vortreffliches Rohmaterial liefert, das auch verschiedenen deutschen Fabriken dient, hat ebenfalls der Zeitströmung schon Rechnung getragen. Die berühmten Fabriken von Rörstrand und Gustavsberg, welche zu den ältesten Europas gehören und wiederholt im Wettkampfe mit andern Ländern hohe Auszeich- nungen erhielten, hatten theils Form und Decoration, theils blos das Genre der letzteren den Japanern abgesehen. Zu der ersten Art ge- hörten — eine durchaus misslungene Copie — zwei vierkantige Vasen, deren Felder mit japanischen Mädchen bemalt waren, die das blonde Haar der Skandinavierinnen trugen. Wo aber die japanische Manier frei und auf edle antike Formen angewandt war, wie z. B. bei zwei andern Vasen, welche schwedische Gräser und Feldblumen zierten, fesselte die Naturtreue und die freie, leichte, schwungvolle Darstel- lung wohl jeden Kunstfreund.
Meine Betrachtungen über das japanische Kunstgewerbe nahen ihrem Schluss. In dem schönen Werke von C. von Lützow »Kunst und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung« schrieb pg. 4 J. Falke vornehmlich mit Bezug auf Japan: »Die farbige, decorative Kunst des Orients ist seit den Weltausstellungen aus ihrer isolierten Ruhe herausgetreten; sie ist eine Grösse für Europa geworden, dringt in seine Industrie gewaltig ein und droht seinen Geschmack auf ge- wissen Gebieten vollständig umzuwandeln.« War dieser Ausspruch schon durch das, was die Ausstellung von 1873 im Wiener Prater bot, gerechtfertigt, so bewahrheitete er sich noch mehr nach der Entwicke- lung, welche das Kunstgewerbe im Jahre 1878 auf dem Marsfelde zu Paris zeigte. Eine vollständige Umwandlung des europäischen Ge- schmacks durch den japanischen Einfluss halte ich in keinem Zweige für möglich, wohl aber die Fortdauer der blinden Nachahmung japa- nischer Vorbilder für noch geraume Zeit. Sie hat für unser Kunst- handwerk meines Erachtens keinen directen bleibenden Werth, wohl aber den indirecten, dass sie zur Läuterung des Geschmackes dienen, der einseitigen naturwidrigen Stilisierung und ihrer zu weiten Ver- wendung entgegenwirken und mehr zur Natur als Lehrmeisterin führen
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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
allgemein Mode, so wollte sie von nun ab Jedermann womöglich nach
japanischer Art verziert haben.
Die meisten übrigen Länder, welche auf dem Marsfelde vertreten
waren, boten in der hier besprochenen Richtung wenig Bemerkens-
werthes. So hat sich z. B. das russische Kunsthandwerk bis jetzt
von dem japanischen Einfluss fast ganz frei gehalten und am meisten
seinen nationalen Charakter bewahrt. Aber die Porzellanindustrie von
Stockholm, welcher die nahe Insel Ytterby in einem sich ganz weiss
brennenden Feldspath (Mikroklin) ein vortreffliches Rohmaterial liefert,
das auch verschiedenen deutschen Fabriken dient, hat ebenfalls der
Zeitströmung schon Rechnung getragen. Die berühmten Fabriken von
Rörstrand und Gustavsberg, welche zu den ältesten Europas gehören
und wiederholt im Wettkampfe mit andern Ländern hohe Auszeich-
nungen erhielten, hatten theils Form und Decoration, theils blos das
Genre der letzteren den Japanern abgesehen. Zu der ersten Art ge-
hörten — eine durchaus misslungene Copie — zwei vierkantige Vasen,
deren Felder mit japanischen Mädchen bemalt waren, die das blonde
Haar der Skandinavierinnen trugen. Wo aber die japanische Manier
frei und auf edle antike Formen angewandt war, wie z. B. bei zwei
andern Vasen, welche schwedische Gräser und Feldblumen zierten,
fesselte die Naturtreue und die freie, leichte, schwungvolle Darstel-
lung wohl jeden Kunstfreund.
Meine Betrachtungen über das japanische Kunstgewerbe nahen
ihrem Schluss. In dem schönen Werke von C. von Lützow »Kunst
und Kunstgewerbe auf der Wiener Weltausstellung« schrieb pg. 4
J. Falke vornehmlich mit Bezug auf Japan: »Die farbige, decorative
Kunst des Orients ist seit den Weltausstellungen aus ihrer isolierten
Ruhe herausgetreten; sie ist eine Grösse für Europa geworden, dringt
in seine Industrie gewaltig ein und droht seinen Geschmack auf ge-
wissen Gebieten vollständig umzuwandeln.« War dieser Ausspruch
schon durch das, was die Ausstellung von 1873 im Wiener Prater bot,
gerechtfertigt, so bewahrheitete er sich noch mehr nach der Entwicke-
lung, welche das Kunstgewerbe im Jahre 1878 auf dem Marsfelde zu
Paris zeigte. Eine vollständige Umwandlung des europäischen Ge-
schmacks durch den japanischen Einfluss halte ich in keinem Zweige
für möglich, wohl aber die Fortdauer der blinden Nachahmung japa-
nischer Vorbilder für noch geraume Zeit. Sie hat für unser Kunst-
handwerk meines Erachtens keinen directen bleibenden Werth, wohl
aber den indirecten, dass sie zur Läuterung des Geschmackes dienen,
der einseitigen naturwidrigen Stilisierung und ihrer zu weiten Ver-
wendung entgegenwirken und mehr zur Natur als Lehrmeisterin führen
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/418>, abgerufen am 01.11.2024.
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