Die vorerwähnten Eigenschaften sind es denn auch, durch welche sich -- ganz abgesehen von der künstlerischen Ausschmückung -- die japanische und chinesische Lackwaare sofort erkennen und von ihren europäischen Nachahmungen, wie sie aus Holland, von Spa, Forbach und andern Orten in den Handel gebracht werden, leicht unterscheiden lassen; denn alle diese Nachbildungen werden aus Harzlacken bereitet, welche jene Eigenschaften des japanischen nicht theilen.
Alle japanische Lackwaaren werden Nuri-mono, seltener Uru- shi-saiku genannt. Urushi heisst nämlich der Lack, nuri über- streichen, besonders mit Lack, mono, die Arbeit, saiku, die Waare, das Fabrikat. Die Lackierer zerfallen in zwei Hauptklassen; nämlich in Nuri-mono-shi oder Nushi-ya und in Makiye-shi. Erstere liefern die Grundierung und gewöhnlichen Lackarbeiten; sie verstehen nichts vom Geschäft der andern und wenden nur ausnahmsweise Edelmetalle zur Verzierung an. Die Makiye-shi oder Lackmaler stehen höher. Sie ver- stehen auch alle Arbeiten des Nuri-mono-shi, beschäftigen sich aber meist nur mit der Ausschmückung der grundierten Lackwaare, vor- nehmlich mit der Darstellung von Bildern und Verzierungen mittelst Gold- und Silberstaub. Es sind wirkliche Künstler, welche ihre kleinen Pinsel mit grosser Sicherheit und Geschicklichkeit führen und nicht blos nach Vorlagen arbeiten, sondern zum Theil eine bewunderns- werthe schöpferische Kraft im Entwerfen von Bildern entwickeln.
Neben den Erwähnten gibt es oder gab es noch verschiedene Klassen von Specialisten, z. B. die Ao-gai-shi oder Perlmutter-Ein- leger, die Saya-shi oder Schwertscheide-Lackierer etc.
Um die japanische Lackierkunst schwebt keinerlei Geheimniss mehr, so viel auch noch in neuerer Zeit das Gegentheil behauptet wurde. Die Gewinnung und Verwerthung des Rohmaterials kann Jeder, der sich die Zeit nimmt und die nöthigen Vorkenntnisse dazu mitbringt, im Lande studieren, wie ich es auch gethan habe. Freilich ist ein eignes, sachverständiges Studium nöthig, und da nur Wenige dazu bisher Zeit und Gelegenheit hatten, Viele aber nichtsdestoweni- ger das, was ihnen incompetente japanische Quellen angaben, kritiklos in Berichten wiederholten, so wimmeln die meisten derselben immer noch von irrigen Behauptungen.
Aus diesen Gründen, und weil diese Abhandlung fast ausschliess- lich das Resultat eigener, an Ort und Stelle gemachter und in Europa später fortgesetzter Studien ist, erscheint eine vollständige Literatur- angabe hier überflüssig. Nur die beachtenswerthesten Artikel über den Gegenstand will ich hier anführen und zum Theil mit einigen Bemerkungen begleiten.
III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Die vorerwähnten Eigenschaften sind es denn auch, durch welche sich — ganz abgesehen von der künstlerischen Ausschmückung — die japanische und chinesische Lackwaare sofort erkennen und von ihren europäischen Nachahmungen, wie sie aus Holland, von Spa, Forbach und andern Orten in den Handel gebracht werden, leicht unterscheiden lassen; denn alle diese Nachbildungen werden aus Harzlacken bereitet, welche jene Eigenschaften des japanischen nicht theilen.
Alle japanische Lackwaaren werden Nuri-mono, seltener Uru- shi-saiku genannt. Urushi heisst nämlich der Lack, nuri über- streichen, besonders mit Lack, mono, die Arbeit, saiku, die Waare, das Fabrikat. Die Lackierer zerfallen in zwei Hauptklassen; nämlich in Nuri-mono-shi oder Nushi-ya und in Makiye-shi. Erstere liefern die Grundierung und gewöhnlichen Lackarbeiten; sie verstehen nichts vom Geschäft der andern und wenden nur ausnahmsweise Edelmetalle zur Verzierung an. Die Makiye-shi oder Lackmaler stehen höher. Sie ver- stehen auch alle Arbeiten des Nuri-mono-shi, beschäftigen sich aber meist nur mit der Ausschmückung der grundierten Lackwaare, vor- nehmlich mit der Darstellung von Bildern und Verzierungen mittelst Gold- und Silberstaub. Es sind wirkliche Künstler, welche ihre kleinen Pinsel mit grosser Sicherheit und Geschicklichkeit führen und nicht blos nach Vorlagen arbeiten, sondern zum Theil eine bewunderns- werthe schöpferische Kraft im Entwerfen von Bildern entwickeln.
Neben den Erwähnten gibt es oder gab es noch verschiedene Klassen von Specialisten, z. B. die Ao-gai-shi oder Perlmutter-Ein- leger, die Saya-shi oder Schwertscheide-Lackierer etc.
Um die japanische Lackierkunst schwebt keinerlei Geheimniss mehr, so viel auch noch in neuerer Zeit das Gegentheil behauptet wurde. Die Gewinnung und Verwerthung des Rohmaterials kann Jeder, der sich die Zeit nimmt und die nöthigen Vorkenntnisse dazu mitbringt, im Lande studieren, wie ich es auch gethan habe. Freilich ist ein eignes, sachverständiges Studium nöthig, und da nur Wenige dazu bisher Zeit und Gelegenheit hatten, Viele aber nichtsdestoweni- ger das, was ihnen incompetente japanische Quellen angaben, kritiklos in Berichten wiederholten, so wimmeln die meisten derselben immer noch von irrigen Behauptungen.
Aus diesen Gründen, und weil diese Abhandlung fast ausschliess- lich das Resultat eigener, an Ort und Stelle gemachter und in Europa später fortgesetzter Studien ist, erscheint eine vollständige Literatur- angabe hier überflüssig. Nur die beachtenswerthesten Artikel über den Gegenstand will ich hier anführen und zum Theil mit einigen Bemerkungen begleiten.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0426"n="402"/><fwplace="top"type="header">III. Kunstgewerbe und Verwandtes.</fw><lb/><p>Die vorerwähnten Eigenschaften sind es denn auch, durch welche<lb/>
sich — ganz abgesehen von der künstlerischen Ausschmückung — die<lb/>
japanische und chinesische Lackwaare sofort erkennen und von ihren<lb/>
europäischen Nachahmungen, wie sie aus Holland, von Spa, Forbach<lb/>
und andern Orten in den Handel gebracht werden, leicht unterscheiden<lb/>
lassen; denn alle diese Nachbildungen werden aus Harzlacken bereitet,<lb/>
welche jene Eigenschaften des japanischen nicht theilen.</p><lb/><p>Alle japanische Lackwaaren werden <hirendition="#g">Nuri-mono</hi>, seltener <hirendition="#g">Uru-<lb/>
shi-saiku</hi> genannt. <hirendition="#g">Urushi</hi> heisst nämlich der Lack, <hirendition="#g">nuri</hi> über-<lb/>
streichen, besonders mit Lack, <hirendition="#g">mono</hi>, die Arbeit, <hirendition="#g">saiku</hi>, die Waare, das<lb/>
Fabrikat. Die Lackierer zerfallen in zwei Hauptklassen; nämlich in<lb/><hirendition="#g">Nuri-mono-shi</hi> oder <hirendition="#g">Nushi-ya</hi> und in <hirendition="#g">Makiye-shi</hi>. Erstere liefern<lb/>
die Grundierung und gewöhnlichen Lackarbeiten; sie verstehen nichts<lb/>
vom Geschäft der andern und wenden nur ausnahmsweise Edelmetalle zur<lb/>
Verzierung an. Die Makiye-shi oder Lackmaler stehen höher. Sie ver-<lb/>
stehen auch alle Arbeiten des Nuri-mono-shi, beschäftigen sich aber<lb/>
meist nur mit der Ausschmückung der grundierten Lackwaare, vor-<lb/>
nehmlich mit der Darstellung von Bildern und Verzierungen mittelst<lb/>
Gold- und Silberstaub. Es sind wirkliche Künstler, welche ihre kleinen<lb/>
Pinsel mit grosser Sicherheit und Geschicklichkeit führen und nicht<lb/>
blos nach Vorlagen arbeiten, sondern zum Theil eine bewunderns-<lb/>
werthe schöpferische Kraft im Entwerfen von Bildern entwickeln.</p><lb/><p>Neben den Erwähnten gibt es oder gab es noch verschiedene<lb/>
Klassen von Specialisten, z. B. die <hirendition="#g">Ao-gai-shi</hi> oder Perlmutter-Ein-<lb/>
leger, die <hirendition="#g">Saya-shi</hi> oder Schwertscheide-Lackierer etc.</p><lb/><p>Um die japanische Lackierkunst schwebt keinerlei Geheimniss<lb/>
mehr, so viel auch noch in neuerer Zeit das Gegentheil behauptet<lb/>
wurde. Die Gewinnung und Verwerthung des Rohmaterials kann<lb/>
Jeder, der sich die Zeit nimmt und die nöthigen Vorkenntnisse dazu<lb/>
mitbringt, im Lande studieren, wie ich es auch gethan habe. Freilich<lb/>
ist ein eignes, sachverständiges Studium nöthig, und da nur Wenige<lb/>
dazu bisher Zeit und Gelegenheit hatten, Viele aber nichtsdestoweni-<lb/>
ger das, was ihnen incompetente japanische Quellen angaben, kritiklos<lb/>
in Berichten wiederholten, so wimmeln die meisten derselben immer<lb/>
noch von irrigen Behauptungen.</p><lb/><p>Aus diesen Gründen, und weil diese Abhandlung fast ausschliess-<lb/>
lich das Resultat eigener, an Ort und Stelle gemachter und in Europa<lb/>
später fortgesetzter Studien ist, erscheint eine vollständige Literatur-<lb/>
angabe hier überflüssig. Nur die beachtenswerthesten Artikel über<lb/>
den Gegenstand will ich hier anführen und zum Theil mit einigen<lb/>
Bemerkungen begleiten.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[402/0426]
III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
Die vorerwähnten Eigenschaften sind es denn auch, durch welche
sich — ganz abgesehen von der künstlerischen Ausschmückung — die
japanische und chinesische Lackwaare sofort erkennen und von ihren
europäischen Nachahmungen, wie sie aus Holland, von Spa, Forbach
und andern Orten in den Handel gebracht werden, leicht unterscheiden
lassen; denn alle diese Nachbildungen werden aus Harzlacken bereitet,
welche jene Eigenschaften des japanischen nicht theilen.
Alle japanische Lackwaaren werden Nuri-mono, seltener Uru-
shi-saiku genannt. Urushi heisst nämlich der Lack, nuri über-
streichen, besonders mit Lack, mono, die Arbeit, saiku, die Waare, das
Fabrikat. Die Lackierer zerfallen in zwei Hauptklassen; nämlich in
Nuri-mono-shi oder Nushi-ya und in Makiye-shi. Erstere liefern
die Grundierung und gewöhnlichen Lackarbeiten; sie verstehen nichts
vom Geschäft der andern und wenden nur ausnahmsweise Edelmetalle zur
Verzierung an. Die Makiye-shi oder Lackmaler stehen höher. Sie ver-
stehen auch alle Arbeiten des Nuri-mono-shi, beschäftigen sich aber
meist nur mit der Ausschmückung der grundierten Lackwaare, vor-
nehmlich mit der Darstellung von Bildern und Verzierungen mittelst
Gold- und Silberstaub. Es sind wirkliche Künstler, welche ihre kleinen
Pinsel mit grosser Sicherheit und Geschicklichkeit führen und nicht
blos nach Vorlagen arbeiten, sondern zum Theil eine bewunderns-
werthe schöpferische Kraft im Entwerfen von Bildern entwickeln.
Neben den Erwähnten gibt es oder gab es noch verschiedene
Klassen von Specialisten, z. B. die Ao-gai-shi oder Perlmutter-Ein-
leger, die Saya-shi oder Schwertscheide-Lackierer etc.
Um die japanische Lackierkunst schwebt keinerlei Geheimniss
mehr, so viel auch noch in neuerer Zeit das Gegentheil behauptet
wurde. Die Gewinnung und Verwerthung des Rohmaterials kann
Jeder, der sich die Zeit nimmt und die nöthigen Vorkenntnisse dazu
mitbringt, im Lande studieren, wie ich es auch gethan habe. Freilich
ist ein eignes, sachverständiges Studium nöthig, und da nur Wenige
dazu bisher Zeit und Gelegenheit hatten, Viele aber nichtsdestoweni-
ger das, was ihnen incompetente japanische Quellen angaben, kritiklos
in Berichten wiederholten, so wimmeln die meisten derselben immer
noch von irrigen Behauptungen.
Aus diesen Gründen, und weil diese Abhandlung fast ausschliess-
lich das Resultat eigener, an Ort und Stelle gemachter und in Europa
später fortgesetzter Studien ist, erscheint eine vollständige Literatur-
angabe hier überflüssig. Nur die beachtenswerthesten Artikel über
den Gegenstand will ich hier anführen und zum Theil mit einigen
Bemerkungen begleiten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/426>, abgerufen am 31.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.