Zeuge von des Sommers Hitze und Arbeit!" heisst es in schöner und bezeichnender Weise in einer neueren Sammlung buddhistischer Pre- digten. Und wohl kann der Anblick dieser "goldenen Saaten in den Thälern" Auge und Herz erfreuen. Ein ganzer Büschel Halme mit schwerwiegenden Rispen, welche aus jeder kleinen Gruppe von Setz- lingen hervorging, lohnt reichlich den auf diese verwendeten Fleiss. --
Der reife Reis wird mit kurzen Sicheln, wie in China, unmittel- bar über der Erde abgeschnitten, denn auch das Stroh ist ein ge- schätztes viel verwandtes Material. In kleinen Gebunden, mehr Bündel als Garben, hängt man das abgeschnittene Getreide an Stangen auf, schichtet es um die Erlenstämme längs der Gräben oder bringt es direkt nach Hause. Zur Gewinnung der Körner bedient man sich weder der Dreschflegel, wie bei uns, noch des Viehes (Ochsen oder Maulthiere), wie im Mittelmeergebiete, sondern eigenthümlicher Vorrichtungen, welche an unsere Flachsreffen erinnern, vermittelst deren bekanntlich die Kapseln von den Stengeln getrennt werden. Ein anderes Ver- fahren, welches bereits Thunberg erwähnt, besteht einfach darin, dass man mit den Rispen gegen den Rand einer Tonne oder Bütte schlägt, wobei die Körner schon von den Halmen fallen.
Das Schälen der Reiskörner erfolgt in der Regel erst beim Be- darf. Eine einfache, sehr verbreitete Vorrichtung zu diesem Zweck besteht in einem runden Trog*) aus einem ausgehöhlten Holzblock oder Stein, in welchen der Paddy geschüttet und mit einem hölzernen Stösser so lange bearbeitet wird, bis die Schalen von den Kernen ge- trennt sind. Ferner benutzt man Wasserkraft und ähnliche Vorrichtungen, wie bei uns den Stampfapparat der Oelmühlen.
Die primitivste, einfache Reisschälmaschine findet man in japa- nischen Gebirgsthälern sehr häufig und benutzt sie auch zum Zerpochen der Materialien für die Thonwaaren-Industrie. Ein behauener Balken fungiert als zweiarmiger Hebel. Der eine, schwerere Arm trägt am Ende den mit Eisen beschlagenen, rechtwinkelig angefügten Bolzen, der sich gleich dem Reistroge in einem Bretterhäuschen befindet. Der zweite, nach aussen gerichtete Hebelarm ist gewöhnlich länger und gegen sein Ende schaufelförmig ausgehöhlt. Auf diese Schaufel fliesst herbeigeleitetes Wasser, füllt sie bald und drückt sie nieder. Hierbei entleert sie sich, worauf der unterdess gehobene Stösser am Ende des andern Arms niederfällt u. s. f. Die Arbeit geht langsam voran, aber hier ist in Wirklichkeit "time no money".
Der Reis ist mit dem ganzen Leben des Japaners eben so innig
*) Die Insel Lucon (Lozon) oder Isla de los Losones hat von solchen Stampf- trögen (lusong) ihren Namen.
2. Nährpflanzen.
Zeuge von des Sommers Hitze und Arbeit!« heisst es in schöner und bezeichnender Weise in einer neueren Sammlung buddhistischer Pre- digten. Und wohl kann der Anblick dieser »goldenen Saaten in den Thälern« Auge und Herz erfreuen. Ein ganzer Büschel Halme mit schwerwiegenden Rispen, welche aus jeder kleinen Gruppe von Setz- lingen hervorging, lohnt reichlich den auf diese verwendeten Fleiss. —
Der reife Reis wird mit kurzen Sicheln, wie in China, unmittel- bar über der Erde abgeschnitten, denn auch das Stroh ist ein ge- schätztes viel verwandtes Material. In kleinen Gebunden, mehr Bündel als Garben, hängt man das abgeschnittene Getreide an Stangen auf, schichtet es um die Erlenstämme längs der Gräben oder bringt es direkt nach Hause. Zur Gewinnung der Körner bedient man sich weder der Dreschflegel, wie bei uns, noch des Viehes (Ochsen oder Maulthiere), wie im Mittelmeergebiete, sondern eigenthümlicher Vorrichtungen, welche an unsere Flachsreffen erinnern, vermittelst deren bekanntlich die Kapseln von den Stengeln getrennt werden. Ein anderes Ver- fahren, welches bereits Thunberg erwähnt, besteht einfach darin, dass man mit den Rispen gegen den Rand einer Tonne oder Bütte schlägt, wobei die Körner schon von den Halmen fallen.
Das Schälen der Reiskörner erfolgt in der Regel erst beim Be- darf. Eine einfache, sehr verbreitete Vorrichtung zu diesem Zweck besteht in einem runden Trog*) aus einem ausgehöhlten Holzblock oder Stein, in welchen der Paddy geschüttet und mit einem hölzernen Stösser so lange bearbeitet wird, bis die Schalen von den Kernen ge- trennt sind. Ferner benutzt man Wasserkraft und ähnliche Vorrichtungen, wie bei uns den Stampfapparat der Oelmühlen.
Die primitivste, einfache Reisschälmaschine findet man in japa- nischen Gebirgsthälern sehr häufig und benutzt sie auch zum Zerpochen der Materialien für die Thonwaaren-Industrie. Ein behauener Balken fungiert als zweiarmiger Hebel. Der eine, schwerere Arm trägt am Ende den mit Eisen beschlagenen, rechtwinkelig angefügten Bolzen, der sich gleich dem Reistroge in einem Bretterhäuschen befindet. Der zweite, nach aussen gerichtete Hebelarm ist gewöhnlich länger und gegen sein Ende schaufelförmig ausgehöhlt. Auf diese Schaufel fliesst herbeigeleitetes Wasser, füllt sie bald und drückt sie nieder. Hierbei entleert sie sich, worauf der unterdess gehobene Stösser am Ende des andern Arms niederfällt u. s. f. Die Arbeit geht langsam voran, aber hier ist in Wirklichkeit »time no money«.
Der Reis ist mit dem ganzen Leben des Japaners eben so innig
*) Die Insel Luçon (Lozon) oder Isla de los Losones hat von solchen Stampf- trögen (lusong) ihren Namen.
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Zeuge von des Sommers Hitze und Arbeit!« heisst es in schöner und
bezeichnender Weise in einer neueren Sammlung buddhistischer Pre-
digten. Und wohl kann der Anblick dieser »goldenen Saaten in den
Thälern« Auge und Herz erfreuen. Ein ganzer Büschel Halme mit
schwerwiegenden Rispen, welche aus jeder kleinen Gruppe von Setz-
lingen hervorging, lohnt reichlich den auf diese verwendeten Fleiss. —
Der reife Reis wird mit kurzen Sicheln, wie in China, unmittel-
bar über der Erde abgeschnitten, denn auch das Stroh ist ein ge-
schätztes viel verwandtes Material. In kleinen Gebunden, mehr Bündel
als Garben, hängt man das abgeschnittene Getreide an Stangen auf,
schichtet es um die Erlenstämme längs der Gräben oder bringt es direkt
nach Hause. Zur Gewinnung der Körner bedient man sich weder der
Dreschflegel, wie bei uns, noch des Viehes (Ochsen oder Maulthiere),
wie im Mittelmeergebiete, sondern eigenthümlicher Vorrichtungen,
welche an unsere Flachsreffen erinnern, vermittelst deren bekanntlich
die Kapseln von den Stengeln getrennt werden. Ein anderes Ver-
fahren, welches bereits Thunberg erwähnt, besteht einfach darin,
dass man mit den Rispen gegen den Rand einer Tonne oder Bütte
schlägt, wobei die Körner schon von den Halmen fallen.
Das Schälen der Reiskörner erfolgt in der Regel erst beim Be-
darf. Eine einfache, sehr verbreitete Vorrichtung zu diesem Zweck
besteht in einem runden Trog *) aus einem ausgehöhlten Holzblock
oder Stein, in welchen der Paddy geschüttet und mit einem hölzernen
Stösser so lange bearbeitet wird, bis die Schalen von den Kernen ge-
trennt sind. Ferner benutzt man Wasserkraft und ähnliche Vorrichtungen,
wie bei uns den Stampfapparat der Oelmühlen.
Die primitivste, einfache Reisschälmaschine findet man in japa-
nischen Gebirgsthälern sehr häufig und benutzt sie auch zum Zerpochen
der Materialien für die Thonwaaren-Industrie. Ein behauener Balken
fungiert als zweiarmiger Hebel. Der eine, schwerere Arm trägt am
Ende den mit Eisen beschlagenen, rechtwinkelig angefügten Bolzen,
der sich gleich dem Reistroge in einem Bretterhäuschen befindet. Der
zweite, nach aussen gerichtete Hebelarm ist gewöhnlich länger und
gegen sein Ende schaufelförmig ausgehöhlt. Auf diese Schaufel fliesst
herbeigeleitetes Wasser, füllt sie bald und drückt sie nieder. Hierbei
entleert sie sich, worauf der unterdess gehobene Stösser am Ende des
andern Arms niederfällt u. s. f. Die Arbeit geht langsam voran, aber
hier ist in Wirklichkeit »time no money«.
Der Reis ist mit dem ganzen Leben des Japaners eben so innig
*) Die Insel Luçon (Lozon) oder Isla de los Losones hat von solchen Stampf-
trögen (lusong) ihren Namen.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/73>, abgerufen am 21.11.2024.
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