ein vielseitiges Interesse. Unter den Hülsenfrüchten Japans (und Chinas nicht minder) nimmt die Sojabohne nach Verbreitung, viel- seitiger Verwendung und hoher Werthschätzung die erste Stelle ein, und chemische Analysen beweisen, dass das empirische Urteil wohl begründet ist.
Die Sojabohne nähert sich im Nährwerthe unter allen vegetabilen Producten am meisten dem Fleisch, enthält beinahe 2/5 ihres Gewichtes stickstoffreiches Legumin und nahezu 1/6 Fett. Was die Garbanzos (Kichererbsen) den Spaniern, die Feijao preto (schwarze Bohnen) den Brasilianern, das ist die Sojabohne den Bewohnern Japans. Aber wäh- rend die Kichererbse nur als Garnirung und Zuspeise zum Fleische erscheint, dient Daidzu als Ersatz desselben, ja sie ist in gewissem Sinne Schmalz und Würze für den fadeschmeckenden, stärkereichen Reis und die Grütze aus Gerste oder Hirsearten, mit denen sie ver- speist wird.
Die zahlreichen Varietäten der Sojabohne bilden schöne blatt- reiche, viel und regelmässig verzweigte Büsche von 0,50--1,00 m Höhe. Der reichen Verästelung über der Erde entspricht eine kräf- tige Bestockung. Eine starke Belaubung mit grossen, dreizähligen Blättern, welche an den zahlreichen Internodien auftreten, gehört zu den ferneren Kennzeichen der Pflanze, mehr aber noch die Bedeckung der meisten Theile, wie der Hülsen, Blattstiele, Oberseite der Blatt- spreiten, so wie der Zweige mit einer dichten rothbraunen Behaarung.
Bei den schwarzsamigen Spielarten zeigen Haupt- und Nebenaxen eine auffällige Neigung sich zu drehen, ohne dazu einer besonderen Stütze zu bedürfen; viel weniger bemerkt man diese Drehung bei den steiferen Stengeln der blassgelben und rothbraunen Varietäten. Aus jedem höheren Blattwinkel entwickelt sich ein kurzgestieltes Blüthen- träubchen. Die Blüthchen selbst sind unscheinbar, wie bei den Linsen, weisslila oder blassviolett. Es folgen ihnen reiche Fruchtansätze, welche gleich der Blüthenentwickelung fortdauern von der Mitte des Sommers an bis zum Spätherbst, wo gewöhnlich Nachtfröste ihnen ein jähes Ende bereiten.
Die stark behaarten, hängenden Hülsen treten meist paarweise auf, häufig auch zu drei und vier an gemeinsamem Stiele. Sie sind kurz gestielt, kurz walzenförmig, mit einem Schnabel endend und in der Regel zweisamig, mit scharfer Gliederung zwischen beiden Boh- nen, wie es die Abbildung bei Kaempfer zeigt; doch ist die Zahl der drei- und viersamigen bei verschiedenen Spielarten gross, ja zuweilen überwiegend. Wird dem grossen Licht- und Wärmebedürfniss genügt, so entwickelt auf geeignetem Boden eine einzige Sojapflanze nach
I. Land- und Forstwirthschaft.
ein vielseitiges Interesse. Unter den Hülsenfrüchten Japans (und Chinas nicht minder) nimmt die Sojabohne nach Verbreitung, viel- seitiger Verwendung und hoher Werthschätzung die erste Stelle ein, und chemische Analysen beweisen, dass das empirische Urteil wohl begründet ist.
Die Sojabohne nähert sich im Nährwerthe unter allen vegetabilen Producten am meisten dem Fleisch, enthält beinahe ⅖ ihres Gewichtes stickstoffreiches Legumin und nahezu ⅙ Fett. Was die Garbanzos (Kichererbsen) den Spaniern, die Feijão preto (schwarze Bohnen) den Brasilianern, das ist die Sojabohne den Bewohnern Japans. Aber wäh- rend die Kichererbse nur als Garnirung und Zuspeise zum Fleische erscheint, dient Daidzu als Ersatz desselben, ja sie ist in gewissem Sinne Schmalz und Würze für den fadeschmeckenden, stärkereichen Reis und die Grütze aus Gerste oder Hirsearten, mit denen sie ver- speist wird.
Die zahlreichen Varietäten der Sojabohne bilden schöne blatt- reiche, viel und regelmässig verzweigte Büsche von 0,50—1,00 m Höhe. Der reichen Verästelung über der Erde entspricht eine kräf- tige Bestockung. Eine starke Belaubung mit grossen, dreizähligen Blättern, welche an den zahlreichen Internodien auftreten, gehört zu den ferneren Kennzeichen der Pflanze, mehr aber noch die Bedeckung der meisten Theile, wie der Hülsen, Blattstiele, Oberseite der Blatt- spreiten, so wie der Zweige mit einer dichten rothbraunen Behaarung.
Bei den schwarzsamigen Spielarten zeigen Haupt- und Nebenaxen eine auffällige Neigung sich zu drehen, ohne dazu einer besonderen Stütze zu bedürfen; viel weniger bemerkt man diese Drehung bei den steiferen Stengeln der blassgelben und rothbraunen Varietäten. Aus jedem höheren Blattwinkel entwickelt sich ein kurzgestieltes Blüthen- träubchen. Die Blüthchen selbst sind unscheinbar, wie bei den Linsen, weisslila oder blassviolett. Es folgen ihnen reiche Fruchtansätze, welche gleich der Blüthenentwickelung fortdauern von der Mitte des Sommers an bis zum Spätherbst, wo gewöhnlich Nachtfröste ihnen ein jähes Ende bereiten.
Die stark behaarten, hängenden Hülsen treten meist paarweise auf, häufig auch zu drei und vier an gemeinsamem Stiele. Sie sind kurz gestielt, kurz walzenförmig, mit einem Schnabel endend und in der Regel zweisamig, mit scharfer Gliederung zwischen beiden Boh- nen, wie es die Abbildung bei Kaempfer zeigt; doch ist die Zahl der drei- und viersamigen bei verschiedenen Spielarten gross, ja zuweilen überwiegend. Wird dem grossen Licht- und Wärmebedürfniss genügt, so entwickelt auf geeignetem Boden eine einzige Sojapflanze nach
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I. Land- und Forstwirthschaft.
ein vielseitiges Interesse. Unter den Hülsenfrüchten Japans (und
Chinas nicht minder) nimmt die Sojabohne nach Verbreitung, viel-
seitiger Verwendung und hoher Werthschätzung die erste Stelle ein,
und chemische Analysen beweisen, dass das empirische Urteil wohl
begründet ist.
Die Sojabohne nähert sich im Nährwerthe unter allen vegetabilen
Producten am meisten dem Fleisch, enthält beinahe ⅖ ihres Gewichtes
stickstoffreiches Legumin und nahezu ⅙ Fett. Was die Garbanzos
(Kichererbsen) den Spaniern, die Feijão preto (schwarze Bohnen) den
Brasilianern, das ist die Sojabohne den Bewohnern Japans. Aber wäh-
rend die Kichererbse nur als Garnirung und Zuspeise zum Fleische
erscheint, dient Daidzu als Ersatz desselben, ja sie ist in gewissem
Sinne Schmalz und Würze für den fadeschmeckenden, stärkereichen
Reis und die Grütze aus Gerste oder Hirsearten, mit denen sie ver-
speist wird.
Die zahlreichen Varietäten der Sojabohne bilden schöne blatt-
reiche, viel und regelmässig verzweigte Büsche von 0,50—1,00 m
Höhe. Der reichen Verästelung über der Erde entspricht eine kräf-
tige Bestockung. Eine starke Belaubung mit grossen, dreizähligen
Blättern, welche an den zahlreichen Internodien auftreten, gehört zu
den ferneren Kennzeichen der Pflanze, mehr aber noch die Bedeckung
der meisten Theile, wie der Hülsen, Blattstiele, Oberseite der Blatt-
spreiten, so wie der Zweige mit einer dichten rothbraunen Behaarung.
Bei den schwarzsamigen Spielarten zeigen Haupt- und Nebenaxen
eine auffällige Neigung sich zu drehen, ohne dazu einer besonderen
Stütze zu bedürfen; viel weniger bemerkt man diese Drehung bei den
steiferen Stengeln der blassgelben und rothbraunen Varietäten. Aus
jedem höheren Blattwinkel entwickelt sich ein kurzgestieltes Blüthen-
träubchen. Die Blüthchen selbst sind unscheinbar, wie bei den Linsen,
weisslila oder blassviolett. Es folgen ihnen reiche Fruchtansätze,
welche gleich der Blüthenentwickelung fortdauern von der Mitte des
Sommers an bis zum Spätherbst, wo gewöhnlich Nachtfröste ihnen
ein jähes Ende bereiten.
Die stark behaarten, hängenden Hülsen treten meist paarweise
auf, häufig auch zu drei und vier an gemeinsamem Stiele. Sie sind
kurz gestielt, kurz walzenförmig, mit einem Schnabel endend und in
der Regel zweisamig, mit scharfer Gliederung zwischen beiden Boh-
nen, wie es die Abbildung bei Kaempfer zeigt; doch ist die Zahl der
drei- und viersamigen bei verschiedenen Spielarten gross, ja zuweilen
überwiegend. Wird dem grossen Licht- und Wärmebedürfniss genügt,
so entwickelt auf geeignetem Boden eine einzige Sojapflanze nach
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/86>, abgerufen am 24.11.2024.
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