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Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721.

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doch die Frage ist. Dan wie kan man doch darmit etwas verdienen/ welches und noch ein mehrers man zu thun schüldig ist? Es wird ja keiner bey einem etwas verdienen/ dem er bezahlt eine rechtmässige Schuld von tausend Ducaten. Nun aber seynd wir ja alle gute Wercke GOtt schüldig wegen der grossen Gutthat der Erschaffung/ Erlösung/ täglicher Erhaltung und unzahlbaren Wolthaten damit er uns überschüttet. Könnten wir erstlich GOtt abstatten unsre Schülden/ das Verdienst wird sich nicht hoch belauffen: ja nicht so gar erstrecken auf die Erwerbung des täglichen Brots / darfür wir täglich vor der Gnaden-Thür GOttes als Bettler ruffen müssen. Will geschweigen / daß unsre Wercte sollen hinlänglich seyn zum Verdienst der ewigen Seligkeit.

V. Wir müssen uns doch durch die gute Wercke die Krafft und Wirckung der Verdiensten Chrisu zueignen/ und also unsre Werck durch die Verdiensten Christi verd enstlich machen.

Antwort. Das muß man passiren lassen/ daß durch die Hand des wahren und durch die gute Wercke thätigen Glaubens die Seligkeit und der versprochene Gnaden-Lohn ergriffen und uns zugewendet werde: aber bey dieser unser Zuwendung ist unser seits eben so wenig Verdienst als bey einer ausgestreckten Hand eines Bettlers/ welcher durch die ausgestreckte Hand die Allmosen ihm zwar zuwendet: aber dannoch durch diese Ausstreckung das Geld nicht verdienet: sondern der freygebige Herr hat allbereit zuvor das Geld verdienet. Also ist all unser Verdienst bloß des HErrn Christi/ welchen unsre lebendige Glaubens-Hand nur ergreiffet/ aber nicht das geringste abverdienet. Summa in eigenen Wercken wollen die Rechtfertigung und Seligkeit suchen ist eben so viel als die Süssigkeit im bitteren Meer / das Leben in den finsteren Gräberen/ und das Licht in der Finsternüß suchen wollen.

VI. Unsre gute Wercke seynd zwar an sich selbst geringschätzig und haben selbige ja keine propotion, oder (wie es die Theologi nennen) condignitatem &. aeqvalitatem entitativam zur ewigen Seligkeit: Wan man aber ansieht die übernatürliche Würdigkeit an solchen Wercken/ dan haben sie durch ihren Verdienst freylich eine proportion, oder condignitatem &. aeqvalitatem Virtualem sive Seminalem zu den ewigen Freuden/ gleich wie ein kleiner Saamen die Krafft hat einen grossen Palm-Eich- und Ceder-Baum hervor zu dringen

Antwort. Die übernatürliche Würdigkeit der guten Wercken/ was die Substantz der Wercken betrifft/ ist nur ein in GOttes Wort ungegründetes Gedicht der Papisten/ damit sie ihren schlechten Wercken einen schönen Anstrich geben. Dannoch gesetzet es wären die guten Wercke an ihrem Wesen selbsten übernatürlich/ so fliesset doch diese übernatürliche Würdigkeit der Wercken in so weit als selbige übernatürlich ist/ bloß von GOtt. Hat also auch in so weit der Mensch nichts verdienstliches für GOtt einzuwenden. Und das geringe so der Mensch aus dem Seinigen vermeinet hinzuzuthun mit Anspannung seines Willens und Verstands/ solches ist ja nicht sein eigen: sondern gehört GOtt zu mit vollem Recht als seinem Schöpffer/ Erhalter/ Erlöser &c. Und wan einer mit solcher Wenigkeit vermeinet GOtt den Himmel abzuverdienen/ ist eben so viel/ als wan ein freygebiger König einen Blut-armen Bettler hätte bereichet/ und selbiger nachmahls für dem König einmahl den Hut rücken würde mit Fürgeben er hätte hiedurch seinem höchsten Gutthäter die Königliche Princessin abverdienet. Im übrigen ist ein grosser Unterscheid zwischen dem Saamen in Ansehen eines daraus erwachsenden Baums/ und zwischen unseren Wercken in Ansehen der ewigen Seligkeit und Besitzung Gottes: dan wan ein materialisch Wesen durch Wachsthum und den Zusatz einer

doch die Frage ist. Dan wie kan man doch darmit etwas verdienen/ welches und noch ein mehrers man zu thun schüldig ist? Es wird ja keiner bey einem etwas verdienen/ dem er bezahlt eine rechtmässige Schuld von tausend Ducaten. Nun aber seynd wir ja alle gute Wercke GOtt schüldig wegen der grossen Gutthat der Erschaffung/ Erlösung/ täglicher Erhaltung und unzahlbaren Wolthaten damit er uns überschüttet. Könnten wir erstlich GOtt abstatten unsre Schülden/ das Verdienst wird sich nicht hoch belauffen: ja nicht so gar erstrecken auf die Erwerbung des täglichen Brots / darfür wir täglich vor der Gnaden-Thür GOttes als Bettler ruffen müssen. Will geschweigen / daß unsre Wercte sollen hinlänglich seyn zum Verdienst der ewigen Seligkeit.

V. Wir müssen uns doch durch die gute Wercke die Krafft und Wirckung der Verdiensten Chrisu zueignen/ und also unsre Werck durch die Verdiensten Christi verd enstlich machen.

Antwort. Das muß man passiren lassen/ daß durch die Hand des wahren und durch die gute Wercke thätigen Glaubens die Seligkeit und der versprochene Gnaden-Lohn ergriffen und uns zugewendet werde: aber bey dieser unser Zuwendung ist unser seits eben so wenig Verdienst als bey einer ausgestreckten Hand eines Bettlers/ welcher durch die ausgestreckte Hand die Allmosen ihm zwar zuwendet: aber dannoch durch diese Ausstreckung das Geld nicht verdienet: sondern der freygebige Herr hat allbereit zuvor das Geld verdienet. Also ist all unser Verdienst bloß des HErrn Christi/ welchen unsre lebendige Glaubens-Hand nur ergreiffet/ aber nicht das geringste abverdienet. Summa in eigenen Wercken wollen die Rechtfertigung und Seligkeit suchen ist eben so viel als die Süssigkeit im bitteren Meer / das Leben in den finsteren Gräberen/ und das Licht in der Finsternüß suchen wollen.

VI. Unsre gute Wercke seynd zwar an sich selbst geringschätzig und haben selbige ja keine propotion, oder (wie es die Theologi nennen) condignitatem &. aeqvalitatem entitativam zur ewigen Seligkeit: Wan man aber ansieht die übernatürliche Würdigkeit an solchen Wercken/ dan haben sie durch ihren Verdienst freylich eine proportion, oder condignitatem &. aeqvalitatem Virtualem sive Seminalem zu den ewigen Freuden/ gleich wie ein kleiner Saamen die Krafft hat einen grossen Palm-Eich- und Ceder-Baum hervor zu dringen

Antwort. Die übernatürliche Würdigkeit der guten Wercken/ was die Substantz der Wercken betrifft/ ist nur ein in GOttes Wort ungegründetes Gedicht der Papisten/ damit sie ihren schlechten Wercken einen schönen Anstrich geben. Dannoch gesetzet es wären die guten Wercke an ihrem Wesen selbsten übernatürlich/ so fliesset doch diese übernatürliche Würdigkeit der Wercken in so weit als selbige übernatürlich ist/ bloß von GOtt. Hat also auch in so weit der Mensch nichts verdienstliches für GOtt einzuwenden. Und das geringe so der Mensch aus dem Seinigen vermeinet hinzuzuthun mit Anspannung seines Willens und Verstands/ solches ist ja nicht sein eigen: sondern gehört GOtt zu mit vollem Recht als seinem Schöpffer/ Erhalter/ Erlöser &c. Und wan einer mit solcher Wenigkeit vermeinet GOtt den Himmel abzuverdienen/ ist eben so viel/ als wan ein freygebiger König einen Blut-armen Bettler hätte bereichet/ und selbiger nachmahls für dem König einmahl den Hut rücken würde mit Fürgeben er hätte hiedurch seinem höchsten Gutthäter die Königliche Princessin abverdienet. Im übrigen ist ein grosser Unterscheid zwischen dem Saamen in Ansehen eines daraus erwachsenden Baums/ und zwischen unseren Wercken in Ansehen der ewigen Seligkeit und Besitzung Gottes: dan wan ein materialisch Wesen durch Wachsthum und den Zusatz einer

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[162/0182] doch die Frage ist. Dan wie kan man doch darmit etwas verdienen/ welches und noch ein mehrers man zu thun schüldig ist? Es wird ja keiner bey einem etwas verdienen/ dem er bezahlt eine rechtmässige Schuld von tausend Ducaten. Nun aber seynd wir ja alle gute Wercke GOtt schüldig wegen der grossen Gutthat der Erschaffung/ Erlösung/ täglicher Erhaltung und unzahlbaren Wolthaten damit er uns überschüttet. Könnten wir erstlich GOtt abstatten unsre Schülden/ das Verdienst wird sich nicht hoch belauffen: ja nicht so gar erstrecken auf die Erwerbung des täglichen Brots / darfür wir täglich vor der Gnaden-Thür GOttes als Bettler ruffen müssen. Will geschweigen / daß unsre Wercte sollen hinlänglich seyn zum Verdienst der ewigen Seligkeit. V. Wir müssen uns doch durch die gute Wercke die Krafft und Wirckung der Verdiensten Chrisu zueignen/ und also unsre Werck durch die Verdiensten Christi verd enstlich machen. Antwort. Das muß man passiren lassen/ daß durch die Hand des wahren und durch die gute Wercke thätigen Glaubens die Seligkeit und der versprochene Gnaden-Lohn ergriffen und uns zugewendet werde: aber bey dieser unser Zuwendung ist unser seits eben so wenig Verdienst als bey einer ausgestreckten Hand eines Bettlers/ welcher durch die ausgestreckte Hand die Allmosen ihm zwar zuwendet: aber dannoch durch diese Ausstreckung das Geld nicht verdienet: sondern der freygebige Herr hat allbereit zuvor das Geld verdienet. Also ist all unser Verdienst bloß des HErrn Christi/ welchen unsre lebendige Glaubens-Hand nur ergreiffet/ aber nicht das geringste abverdienet. Summa in eigenen Wercken wollen die Rechtfertigung und Seligkeit suchen ist eben so viel als die Süssigkeit im bitteren Meer / das Leben in den finsteren Gräberen/ und das Licht in der Finsternüß suchen wollen. VI. Unsre gute Wercke seynd zwar an sich selbst geringschätzig und haben selbige ja keine propotion, oder (wie es die Theologi nennen) condignitatem &. aeqvalitatem entitativam zur ewigen Seligkeit: Wan man aber ansieht die übernatürliche Würdigkeit an solchen Wercken/ dan haben sie durch ihren Verdienst freylich eine proportion, oder condignitatem &. aeqvalitatem Virtualem sive Seminalem zu den ewigen Freuden/ gleich wie ein kleiner Saamen die Krafft hat einen grossen Palm-Eich- und Ceder-Baum hervor zu dringen Antwort. Die übernatürliche Würdigkeit der guten Wercken/ was die Substantz der Wercken betrifft/ ist nur ein in GOttes Wort ungegründetes Gedicht der Papisten/ damit sie ihren schlechten Wercken einen schönen Anstrich geben. Dannoch gesetzet es wären die guten Wercke an ihrem Wesen selbsten übernatürlich/ so fliesset doch diese übernatürliche Würdigkeit der Wercken in so weit als selbige übernatürlich ist/ bloß von GOtt. Hat also auch in so weit der Mensch nichts verdienstliches für GOtt einzuwenden. Und das geringe so der Mensch aus dem Seinigen vermeinet hinzuzuthun mit Anspannung seines Willens und Verstands/ solches ist ja nicht sein eigen: sondern gehört GOtt zu mit vollem Recht als seinem Schöpffer/ Erhalter/ Erlöser &c. Und wan einer mit solcher Wenigkeit vermeinet GOtt den Himmel abzuverdienen/ ist eben so viel/ als wan ein freygebiger König einen Blut-armen Bettler hätte bereichet/ und selbiger nachmahls für dem König einmahl den Hut rücken würde mit Fürgeben er hätte hiedurch seinem höchsten Gutthäter die Königliche Princessin abverdienet. Im übrigen ist ein grosser Unterscheid zwischen dem Saamen in Ansehen eines daraus erwachsenden Baums/ und zwischen unseren Wercken in Ansehen der ewigen Seligkeit und Besitzung Gottes: dan wan ein materialisch Wesen durch Wachsthum und den Zusatz einer

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Zitationshilfe: Rempen, Johann: Schau-Bühne Der Evangelischen Warheit. Leipzig, 1721, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rempen_schaubuehne_1721/182>, abgerufen am 21.11.2024.