Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



zehn bis zwölf Tage, da können sie zwey der berühm-
testen Prinzessinnen sich auslesen, und sie hieher füh-
ren, wo sie ihre Söhne alsdenn heyrathen. Auch
für Sophien denk' ich wird es nicht viel schwerer seyn,
ihr einen Königssohn zum Gemahl auszusuchen: eben
keinen Erstgebohrnen, welche man der Nation lassen
muß, aber doch einen jüngern."

"Würde die Kolonie darüber nicht mißvergnügt
seyn, mein Vater?"

"Vielmehr, Madam, können Eure Majestät
versichert seyn, daß dies die Achtung eben so vermeh-
ren, als im Gegentheil jene Vertraulichkeit sie ver-
ringern würde."

"Lassen Sie uns davon mit meinem Gemahl
reden."

"Ja Madam; und ich nehme es über mich, die
Absichten Eurer Majestät ihrem erhabenen Königlichen
Gemahl zu eröfnen." Christinens Vater sagte dies al-
les -- mit vielem Anstand aber auch sehr ernstlich.

Auch Victorin hatte das Nachdenken seines Soh-
nes bemerkt, und mehr Unruhe, als irgend jemand
darüber empfunden. Er wußte, daß dieser Tiefsinn
seit der Schiffahrt nach Victorique sich angefangen
und fügte hierzu noch eine andere Bemerkung, denn
da man nur ohngefehr drey Stunden von der Chri-
stineninsel nach Victorique zu fliegen brauchte, so be-
gab sein Sohn sich oft im Geheim dahin; Und doch
konnt' er nicht begreifen, was ihn zu diesen Riesen
zöge. Ohne etwas von seiner Unruhe merken zu las-

sen,
J 5



zehn bis zwoͤlf Tage, da koͤnnen ſie zwey der beruͤhm-
teſten Prinzeſſinnen ſich ausleſen, und ſie hieher fuͤh-
ren, wo ſie ihre Soͤhne alsdenn heyrathen. Auch
fuͤr Sophien denk’ ich wird es nicht viel ſchwerer ſeyn,
ihr einen Koͤnigsſohn zum Gemahl auszuſuchen: eben
keinen Erſtgebohrnen, welche man der Nation laſſen
muß, aber doch einen juͤngern.‟

„Wuͤrde die Kolonie daruͤber nicht mißvergnuͤgt
ſeyn, mein Vater?‟

„Vielmehr, Madam, koͤnnen Eure Majeſtaͤt
verſichert ſeyn, daß dies die Achtung eben ſo vermeh-
ren, als im Gegentheil jene Vertraulichkeit ſie ver-
ringern wuͤrde.‟

„Laſſen Sie uns davon mit meinem Gemahl
reden.‟

„Ja Madam; und ich nehme es uͤber mich, die
Abſichten Eurer Majeſtaͤt ihrem erhabenen Koͤniglichen
Gemahl zu eroͤfnen.‟ Chriſtinens Vater ſagte dies al-
les — mit vielem Anſtand aber auch ſehr ernſtlich.

Auch Victorin hatte das Nachdenken ſeines Soh-
nes bemerkt, und mehr Unruhe, als irgend jemand
daruͤber empfunden. Er wußte, daß dieſer Tiefſinn
ſeit der Schiffahrt nach Victorique ſich angefangen
und fuͤgte hierzu noch eine andere Bemerkung, denn
da man nur ohngefehr drey Stunden von der Chri-
ſtineninſel nach Victorique zu fliegen brauchte, ſo be-
gab ſein Sohn ſich oft im Geheim dahin; Und doch
konnt’ er nicht begreifen, was ihn zu dieſen Rieſen
zoͤge. Ohne etwas von ſeiner Unruhe merken zu laſ-

ſen,
J 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0145" n="137"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
zehn bis zwo&#x0364;lf Tage, da ko&#x0364;nnen &#x017F;ie zwey der beru&#x0364;hm-<lb/>
te&#x017F;ten Prinze&#x017F;&#x017F;innen &#x017F;ich ausle&#x017F;en, und &#x017F;ie hieher fu&#x0364;h-<lb/>
ren, wo &#x017F;ie ihre So&#x0364;hne alsdenn heyrathen. Auch<lb/>
fu&#x0364;r Sophien denk&#x2019; ich wird es nicht viel &#x017F;chwerer &#x017F;eyn,<lb/>
ihr einen Ko&#x0364;nigs&#x017F;ohn zum Gemahl auszu&#x017F;uchen: eben<lb/>
keinen Er&#x017F;tgebohrnen, welche man der Nation la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
muß, aber doch einen ju&#x0364;ngern.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wu&#x0364;rde die Kolonie daru&#x0364;ber nicht mißvergnu&#x0364;gt<lb/>
&#x017F;eyn, mein Vater?&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Vielmehr, Madam, ko&#x0364;nnen Eure Maje&#x017F;ta&#x0364;t<lb/>
ver&#x017F;ichert &#x017F;eyn, daß dies die Achtung eben &#x017F;o vermeh-<lb/>
ren, als im Gegentheil jene Vertraulichkeit &#x017F;ie ver-<lb/>
ringern wu&#x0364;rde.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;La&#x017F;&#x017F;en Sie uns davon mit meinem Gemahl<lb/>
reden.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja Madam; und ich nehme es u&#x0364;ber mich, die<lb/>
Ab&#x017F;ichten Eurer Maje&#x017F;ta&#x0364;t ihrem erhabenen Ko&#x0364;niglichen<lb/>
Gemahl zu ero&#x0364;fnen.&#x201F; Chri&#x017F;tinens Vater &#x017F;agte dies al-<lb/>
les &#x2014; mit vielem An&#x017F;tand aber auch &#x017F;ehr ern&#x017F;tlich.</p><lb/>
          <p>Auch Victorin hatte das Nachdenken &#x017F;eines Soh-<lb/>
nes bemerkt, und mehr Unruhe, als irgend jemand<lb/>
daru&#x0364;ber empfunden. Er wußte, daß die&#x017F;er Tief&#x017F;inn<lb/>
&#x017F;eit der Schiffahrt nach Victorique &#x017F;ich angefangen<lb/>
und fu&#x0364;gte hierzu noch eine andere Bemerkung, denn<lb/>
da man nur ohngefehr drey Stunden von der Chri-<lb/>
&#x017F;tinenin&#x017F;el nach Victorique zu fliegen brauchte, &#x017F;o be-<lb/>
gab &#x017F;ein Sohn &#x017F;ich oft im Geheim dahin; Und doch<lb/>
konnt&#x2019; er nicht begreifen, was ihn zu die&#x017F;en Rie&#x017F;en<lb/>
zo&#x0364;ge. Ohne etwas von &#x017F;einer Unruhe merken zu la&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 5</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;en,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0145] zehn bis zwoͤlf Tage, da koͤnnen ſie zwey der beruͤhm- teſten Prinzeſſinnen ſich ausleſen, und ſie hieher fuͤh- ren, wo ſie ihre Soͤhne alsdenn heyrathen. Auch fuͤr Sophien denk’ ich wird es nicht viel ſchwerer ſeyn, ihr einen Koͤnigsſohn zum Gemahl auszuſuchen: eben keinen Erſtgebohrnen, welche man der Nation laſſen muß, aber doch einen juͤngern.‟ „Wuͤrde die Kolonie daruͤber nicht mißvergnuͤgt ſeyn, mein Vater?‟ „Vielmehr, Madam, koͤnnen Eure Majeſtaͤt verſichert ſeyn, daß dies die Achtung eben ſo vermeh- ren, als im Gegentheil jene Vertraulichkeit ſie ver- ringern wuͤrde.‟ „Laſſen Sie uns davon mit meinem Gemahl reden.‟ „Ja Madam; und ich nehme es uͤber mich, die Abſichten Eurer Majeſtaͤt ihrem erhabenen Koͤniglichen Gemahl zu eroͤfnen.‟ Chriſtinens Vater ſagte dies al- les — mit vielem Anſtand aber auch ſehr ernſtlich. Auch Victorin hatte das Nachdenken ſeines Soh- nes bemerkt, und mehr Unruhe, als irgend jemand daruͤber empfunden. Er wußte, daß dieſer Tiefſinn ſeit der Schiffahrt nach Victorique ſich angefangen und fuͤgte hierzu noch eine andere Bemerkung, denn da man nur ohngefehr drey Stunden von der Chri- ſtineninſel nach Victorique zu fliegen brauchte, ſo be- gab ſein Sohn ſich oft im Geheim dahin; Und doch konnt’ er nicht begreifen, was ihn zu dieſen Rieſen zoͤge. Ohne etwas von ſeiner Unruhe merken zu laſ- ſen, J 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/145
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/145>, abgerufen am 21.11.2024.