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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

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Als aber der König der Christineninsel seine gros-
sen Aussichten ihnen entwickelt und gezeigt hat-
te, was er von einer patagonischen Verbindung
zur Vergrösserung seines Geschlechts hoffe, auch
überdies von den Mädchen aufs lebhafteste un-
terstüzt ward, so gaben die patagonischen Da-
men endlich nach, und liessen die Heirath durch
die Männer entscheiden -- denn in diesem Lan-
de scheinen die Männer alles zu entscheiden und
entscheiden nichts, da im Gegentheil die Weiber
nichts zu thun scheinen, und doch alles thun,
wie bei uns. -- Der Tag zur Hochzeit ward
nun bestimmt und festgesezt, daß sie nach den
Gebräuchen beider Nationen ausgerichtet werden
sollte, daß die ganze Familie des Bräutigams
dabei seyn, und mit der Patagonischen Na-
tion vereinigt werden, und von nun an in
Rücksicht dieser Verbindung als ein Glied dersel-
ben betrachtet werden sollte.

Victorin und sein Sohn kehrten sehr zufrie-
den nach Hause, um an den Zubereitungen zu
arbeiten. Man würkte schöne Zeuge von Rose,
Grün und Gold, zu einigen Polonoisen für die
Braut, denn es war ausgemacht, daß sie fran-
zösische Kleidung tragen sollte. Als die neuen
Zeuge fertig waren, brachte man ihr die Pro-
ben davon und nahm von der Christineninsel ge-
schickte Nätherinnen, die berühmtesten Modenhänd-
ler, wie auch den Schuhmacher mit nach Pa-
tagonien, um der schönen Jshmichtriß Maas

zu



Als aber der Koͤnig der Chriſtineninſel ſeine groſ-
ſen Ausſichten ihnen entwickelt und gezeigt hat-
te, was er von einer patagoniſchen Verbindung
zur Vergroͤſſerung ſeines Geſchlechts hoffe, auch
uͤberdies von den Maͤdchen aufs lebhafteſte un-
terſtuͤzt ward, ſo gaben die patagoniſchen Da-
men endlich nach, und lieſſen die Heirath durch
die Maͤnner entſcheiden — denn in dieſem Lan-
de ſcheinen die Maͤnner alles zu entſcheiden und
entſcheiden nichts, da im Gegentheil die Weiber
nichts zu thun ſcheinen, und doch alles thun,
wie bei uns. — Der Tag zur Hochzeit ward
nun beſtimmt und feſtgeſezt, daß ſie nach den
Gebraͤuchen beider Nationen ausgerichtet werden
ſollte, daß die ganze Familie des Braͤutigams
dabei ſeyn, und mit der Patagoniſchen Na-
tion vereinigt werden, und von nun an in
Ruͤckſicht dieſer Verbindung als ein Glied derſel-
ben betrachtet werden ſollte.

Victorin und ſein Sohn kehrten ſehr zufrie-
den nach Hauſe, um an den Zubereitungen zu
arbeiten. Man wuͤrkte ſchoͤne Zeuge von Roſe,
Gruͤn und Gold, zu einigen Polonoiſen fuͤr die
Braut, denn es war ausgemacht, daß ſie fran-
zoͤſiſche Kleidung tragen ſollte. Als die neuen
Zeuge fertig waren, brachte man ihr die Pro-
ben davon und nahm von der Chriſtineninſel ge-
ſchickte Naͤtherinnen, die beruͤhmteſten Modenhaͤnd-
ler, wie auch den Schuhmacher mit nach Pa-
tagonien, um der ſchoͤnen Jſhmichtriß Maas

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[150/0158] Als aber der Koͤnig der Chriſtineninſel ſeine groſ- ſen Ausſichten ihnen entwickelt und gezeigt hat- te, was er von einer patagoniſchen Verbindung zur Vergroͤſſerung ſeines Geſchlechts hoffe, auch uͤberdies von den Maͤdchen aufs lebhafteſte un- terſtuͤzt ward, ſo gaben die patagoniſchen Da- men endlich nach, und lieſſen die Heirath durch die Maͤnner entſcheiden — denn in dieſem Lan- de ſcheinen die Maͤnner alles zu entſcheiden und entſcheiden nichts, da im Gegentheil die Weiber nichts zu thun ſcheinen, und doch alles thun, wie bei uns. — Der Tag zur Hochzeit ward nun beſtimmt und feſtgeſezt, daß ſie nach den Gebraͤuchen beider Nationen ausgerichtet werden ſollte, daß die ganze Familie des Braͤutigams dabei ſeyn, und mit der Patagoniſchen Na- tion vereinigt werden, und von nun an in Ruͤckſicht dieſer Verbindung als ein Glied derſel- ben betrachtet werden ſollte. Victorin und ſein Sohn kehrten ſehr zufrie- den nach Hauſe, um an den Zubereitungen zu arbeiten. Man wuͤrkte ſchoͤne Zeuge von Roſe, Gruͤn und Gold, zu einigen Polonoiſen fuͤr die Braut, denn es war ausgemacht, daß ſie fran- zoͤſiſche Kleidung tragen ſollte. Als die neuen Zeuge fertig waren, brachte man ihr die Pro- ben davon und nahm von der Chriſtineninſel ge- ſchickte Naͤtherinnen, die beruͤhmteſten Modenhaͤnd- ler, wie auch den Schuhmacher mit nach Pa- tagonien, um der ſchoͤnen Jſhmichtriß Maas zu

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Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/158>, abgerufen am 24.11.2024.