Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



ich meine Tochter zur Belohnung für den ver-
dienstvollsten Jüngling in der Kolonie, der sich
durch Vorzüge des Herzens und des Verstandes
verbunden mit einer liebenswürdigen Gestalt,
auszeichnen wird. Alle junge Leute der Kolonie,
die tugendhaft, wohlgestaltet, und wenigstens
zwei Jahr älter als meine Sophie sind, kön-
nen Anspruch auf ihre Hand machen, und der-
jenige, welcher zu gleicher Zeit ihr Herz ge-
winnen und die Achtung ihrer Mutter, die mei-
nige, und den Beifall der Nation erwerben
wird, wer er auch sei, werd' ihr Gemal!
Mein jüngster Sohn ist dem öffentlichen Wohl
eben so zugethan als sein Bruder, und nach
der Hochzeit des ältern, wollen wir auch auf
ihn bedacht seyn.

Den andern Morgen flogen Victorin und sei-
ne beiden Söhne nach Patagonien und liessen
sich bei den Aeltern der schönen Jshmichtriß nie-
der: die gute Ouslichslo nahm sie mit der
zärtlichsten Empfindung auf. Und da man in
diesem Lande die Töchter blos von den Müt-
tern zur Ehe begehrt, die nach ihrem Gefallen
mit ihnen schalten, so ward Victorins Gesuch
auf der Stelle angenommen. Der Punkt, wel-
cher am meisten aufhielt, war der Aufenthalt
der Neuverehlichten auf der Sunhichdhombah
(Christineninsel); man wollte darein nicht willigen,
unter dem Vorwande, daß dies das Land der
Tlitilhiti-Mhan (menschlichen Fledermäuse) wäre.

Als
K 3



ich meine Tochter zur Belohnung fuͤr den ver-
dienſtvollſten Juͤngling in der Kolonie, der ſich
durch Vorzuͤge des Herzens und des Verſtandes
verbunden mit einer liebenswuͤrdigen Geſtalt,
auszeichnen wird. Alle junge Leute der Kolonie,
die tugendhaft, wohlgeſtaltet, und wenigſtens
zwei Jahr aͤlter als meine Sophie ſind, koͤn-
nen Anſpruch auf ihre Hand machen, und der-
jenige, welcher zu gleicher Zeit ihr Herz ge-
winnen und die Achtung ihrer Mutter, die mei-
nige, und den Beifall der Nation erwerben
wird, wer er auch ſei, werd’ ihr Gemal!
Mein juͤngſter Sohn iſt dem oͤffentlichen Wohl
eben ſo zugethan als ſein Bruder, und nach
der Hochzeit des aͤltern, wollen wir auch auf
ihn bedacht ſeyn.

Den andern Morgen flogen Victorin und ſei-
ne beiden Soͤhne nach Patagonien und lieſſen
ſich bei den Aeltern der ſchoͤnen Jſhmichtriß nie-
der: die gute Ouſlichſlo nahm ſie mit der
zaͤrtlichſten Empfindung auf. Und da man in
dieſem Lande die Toͤchter blos von den Muͤt-
tern zur Ehe begehrt, die nach ihrem Gefallen
mit ihnen ſchalten, ſo ward Victorins Geſuch
auf der Stelle angenommen. Der Punkt, wel-
cher am meiſten aufhielt, war der Aufenthalt
der Neuverehlichten auf der Sunhichdhombah
(Chriſtineninſel); man wollte darein nicht willigen,
unter dem Vorwande, daß dies das Land der
Tlitilhiti-Mhan (menſchlichen Fledermaͤuſe) waͤre.

Als
K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0157" n="149"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ich meine Tochter zur Belohnung fu&#x0364;r den ver-<lb/>
dien&#x017F;tvoll&#x017F;ten Ju&#x0364;ngling in der Kolonie, der &#x017F;ich<lb/>
durch Vorzu&#x0364;ge des Herzens und des Ver&#x017F;tandes<lb/>
verbunden mit einer liebenswu&#x0364;rdigen Ge&#x017F;talt,<lb/>
auszeichnen wird. Alle junge Leute der Kolonie,<lb/>
die tugendhaft, wohlge&#x017F;taltet, und wenig&#x017F;tens<lb/>
zwei Jahr a&#x0364;lter als meine Sophie &#x017F;ind, ko&#x0364;n-<lb/>
nen An&#x017F;pruch auf ihre Hand machen, und der-<lb/>
jenige, welcher zu gleicher Zeit ihr Herz ge-<lb/>
winnen und die Achtung ihrer Mutter, die mei-<lb/>
nige, und den Beifall der Nation erwerben<lb/>
wird, wer er auch &#x017F;ei, werd&#x2019; ihr Gemal!<lb/>
Mein ju&#x0364;ng&#x017F;ter Sohn i&#x017F;t dem o&#x0364;ffentlichen Wohl<lb/>
eben &#x017F;o zugethan als &#x017F;ein Bruder, und nach<lb/>
der Hochzeit des a&#x0364;ltern, wollen wir auch auf<lb/>
ihn bedacht &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Den andern Morgen flogen Victorin und &#x017F;ei-<lb/>
ne beiden So&#x0364;hne nach Patagonien und lie&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ich bei den Aeltern der &#x017F;cho&#x0364;nen <hi rendition="#fr">J&#x017F;hmichtriß</hi> nie-<lb/>
der: die gute <hi rendition="#fr">Ou&#x017F;lich&#x017F;lo</hi> nahm &#x017F;ie mit der<lb/>
za&#x0364;rtlich&#x017F;ten Empfindung auf. Und da man in<lb/>
die&#x017F;em Lande die To&#x0364;chter blos von den Mu&#x0364;t-<lb/>
tern zur Ehe begehrt, die nach ihrem Gefallen<lb/>
mit ihnen &#x017F;chalten, &#x017F;o ward Victorins Ge&#x017F;uch<lb/>
auf der Stelle angenommen. Der Punkt, wel-<lb/>
cher am mei&#x017F;ten aufhielt, war der Aufenthalt<lb/>
der Neuverehlichten auf der Sunhichdhombah<lb/>
(Chri&#x017F;tinenin&#x017F;el); man wollte darein nicht willigen,<lb/>
unter dem Vorwande, daß dies das Land der<lb/>
Tlitilhiti-Mhan (men&#x017F;chlichen Flederma&#x0364;u&#x017F;e) wa&#x0364;re.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Als</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0157] ich meine Tochter zur Belohnung fuͤr den ver- dienſtvollſten Juͤngling in der Kolonie, der ſich durch Vorzuͤge des Herzens und des Verſtandes verbunden mit einer liebenswuͤrdigen Geſtalt, auszeichnen wird. Alle junge Leute der Kolonie, die tugendhaft, wohlgeſtaltet, und wenigſtens zwei Jahr aͤlter als meine Sophie ſind, koͤn- nen Anſpruch auf ihre Hand machen, und der- jenige, welcher zu gleicher Zeit ihr Herz ge- winnen und die Achtung ihrer Mutter, die mei- nige, und den Beifall der Nation erwerben wird, wer er auch ſei, werd’ ihr Gemal! Mein juͤngſter Sohn iſt dem oͤffentlichen Wohl eben ſo zugethan als ſein Bruder, und nach der Hochzeit des aͤltern, wollen wir auch auf ihn bedacht ſeyn. Den andern Morgen flogen Victorin und ſei- ne beiden Soͤhne nach Patagonien und lieſſen ſich bei den Aeltern der ſchoͤnen Jſhmichtriß nie- der: die gute Ouſlichſlo nahm ſie mit der zaͤrtlichſten Empfindung auf. Und da man in dieſem Lande die Toͤchter blos von den Muͤt- tern zur Ehe begehrt, die nach ihrem Gefallen mit ihnen ſchalten, ſo ward Victorins Geſuch auf der Stelle angenommen. Der Punkt, wel- cher am meiſten aufhielt, war der Aufenthalt der Neuverehlichten auf der Sunhichdhombah (Chriſtineninſel); man wollte darein nicht willigen, unter dem Vorwande, daß dies das Land der Tlitilhiti-Mhan (menſchlichen Fledermaͤuſe) waͤre. Als K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/157
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/157>, abgerufen am 21.11.2024.