nerinnen aus, unsre Verwandte hat nicht Un- recht gehabt, sich einen zu nehmen, noch ihre Aeltern, darein zu willigen!"
"Ach! sie sind Narren!" -- murmelte ein Patagoner zwischen den Zähnen --
"Weniger als ihr, antwortete eine von den Frauenzimmern, die es hörte; sie tragen ihr Joch mit Anstand, und sehn nicht wie angekettete Sklaven aus. He! wie würde es stehn, wenn ihr nur eine Frau hättet. Wir würden euch zu unsern Füssen kriechen sehn."
Nach dieser Ausstellung begab die schöne Jshmichtriß sich nach Hause, und blieb den Tag über angekleidet wie sie war, theils um der Neugier- de ihrer Freundinnen ein Gnüge zu thun, theils um sich daran zu gewöhnen.
Endlich erschien der wichtige Tag. Victorin, seine Gemahlinn, sein Schwiegervater, sein Vater, seine Familie, die Vornehmsten aller Zünfte der Christineninsel, begaben sich nach Victorique, um diesem herrlichen Beilager beyzuwohnen.
Damit sein Zug in den Augen der Patagonen weniger lächerlich seyn möchte, hatt' er einen Coco- saten (Einwohner der Gasconischen Heiden) aufge- tragen, Stelzen zu machen, die jeden an vier Fuß vergrößern sollten; sie wurden bald fertig, und man übte sich alle Tage, um eben so geschwind mit diesen Maschinen gehen zu lernen, als die Bauern dieser sandigten Einöden, die man in Bordeaux auf den
Luft-
nerinnen aus, unſre Verwandte hat nicht Un- recht gehabt, ſich einen zu nehmen, noch ihre Aeltern, darein zu willigen!‟
„Ach! ſie ſind Narren!‟ — murmelte ein Patagoner zwiſchen den Zaͤhnen —
„Weniger als ihr, antwortete eine von den Frauenzimmern, die es hoͤrte; ſie tragen ihr Joch mit Anſtand, und ſehn nicht wie angekettete Sklaven aus. He! wie wuͤrde es ſtehn, wenn ihr nur eine Frau haͤttet. Wir wuͤrden euch zu unſern Fuͤſſen kriechen ſehn.‟
Nach dieſer Ausſtellung begab die ſchoͤne Jſhmichtriß ſich nach Hauſe, und blieb den Tag uͤber angekleidet wie ſie war, theils um der Neugier- de ihrer Freundinnen ein Gnuͤge zu thun, theils um ſich daran zu gewoͤhnen.
Endlich erſchien der wichtige Tag. Victorin, ſeine Gemahlinn, ſein Schwiegervater, ſein Vater, ſeine Familie, die Vornehmſten aller Zuͤnfte der Chriſtineninſel, begaben ſich nach Victorique, um dieſem herrlichen Beilager beyzuwohnen.
Damit ſein Zug in den Augen der Patagonen weniger laͤcherlich ſeyn moͤchte, hatt’ er einen Coco- ſaten (Einwohner der Gaſconiſchen Heiden) aufge- tragen, Stelzen zu machen, die jeden an vier Fuß vergroͤßern ſollten; ſie wurden bald fertig, und man uͤbte ſich alle Tage, um eben ſo geſchwind mit dieſen Maſchinen gehen zu lernen, als die Bauern dieſer ſandigten Einoͤden, die man in Bordeaux auf den
Luft-
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nerinnen aus, unſre Verwandte hat nicht Un-
recht gehabt, ſich einen zu nehmen, noch ihre
Aeltern, darein zu willigen!‟
„Ach! ſie ſind Narren!‟ — murmelte ein
Patagoner zwiſchen den Zaͤhnen —
„Weniger als ihr, antwortete eine von den
Frauenzimmern, die es hoͤrte; ſie tragen ihr Joch
mit Anſtand, und ſehn nicht wie angekettete
Sklaven aus. He! wie wuͤrde es ſtehn, wenn
ihr nur eine Frau haͤttet. Wir wuͤrden euch
zu unſern Fuͤſſen kriechen ſehn.‟
Nach dieſer Ausſtellung begab die ſchoͤne
Jſhmichtriß ſich nach Hauſe, und blieb den Tag
uͤber angekleidet wie ſie war, theils um der Neugier-
de ihrer Freundinnen ein Gnuͤge zu thun, theils um
ſich daran zu gewoͤhnen.
Endlich erſchien der wichtige Tag. Victorin,
ſeine Gemahlinn, ſein Schwiegervater, ſein Vater,
ſeine Familie, die Vornehmſten aller Zuͤnfte der
Chriſtineninſel, begaben ſich nach Victorique, um
dieſem herrlichen Beilager beyzuwohnen.
Damit ſein Zug in den Augen der Patagonen
weniger laͤcherlich ſeyn moͤchte, hatt’ er einen Coco-
ſaten (Einwohner der Gaſconiſchen Heiden) aufge-
tragen, Stelzen zu machen, die jeden an vier Fuß
vergroͤßern ſollten; ſie wurden bald fertig, und man
uͤbte ſich alle Tage, um eben ſo geſchwind mit dieſen
Maſchinen gehen zu lernen, als die Bauern dieſer
ſandigten Einoͤden, die man in Bordeaux auf den
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/163>, abgerufen am 16.02.2025.
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