Victorin. Wir sind sehr erfreut euch zu sehn; und zu sprechen und wir segnen den glücklichen Au- genblick, der uns vereinigte: wir segnen die braven Wei- ber eurer Nation, die wir aus Noth nahmen, die aber das Band unsrer Vereinigung sein werden. (Die Weiber brachten lange zu, dem alten Nachtmenschen diese letzten Worte begreiflich zu machen.)
Der Alte. Jhr gut, gut, gut. -- Vic- torin gab ihm die Hand. -- Die Weiber erklär- ten ihm sein Verlangen; und der Alte reichte mit Zittern eine rauche krumme Pfote hin. So hiel- ten Victorin und er sich eine Weile. Endlich rief der Tagemensch mit weinenden Augen:
O Sonne, Vater der Welt, nie hast du zu einer bewundernswürdigern Verbindung geleuch- tet! O Erde, gemeinsame Mutter, hüpfe vor Freuden bei Erblickung der Vereinigung deiner Kinder, welche unübersteigliche Schranken zu trennen schienen. (Auch dieß erklärten die Weiber, ungeachtet Victorin es in beiden Sprachen, der französischen und kirrenden gesprochen hatte. Aber, ich wiederhole es, der Verstand der Nachtmenschen ist so eingeschränkt, das die aus ihnen herstam- menden, durch den Umgang mit ihren Männern ein wenig aufgeklärtern Weiber, alle Mühe hat- ten, es ihnen vollkommen deutlich zu machen, Noch nie hatten diese Leute die Sonne sehn kön- nen; schon die Morgenröthe war hinlänglich sie in ihre Hölen zu treiben.
Nach
Victorin. Wir ſind ſehr erfreut euch zu ſehn; und zu ſprechen und wir ſegnen den gluͤcklichen Au- genblick, der uns vereinigte: wir ſegnen die braven Wei- ber eurer Nation, die wir aus Noth nahmen, die aber das Band unſrer Vereinigung ſein werden. (Die Weiber brachten lange zu, dem alten Nachtmenſchen dieſe letzten Worte begreiflich zu machen.)
Der Alte. Jhr gut, gut, gut. — Vic- torin gab ihm die Hand. — Die Weiber erklaͤr- ten ihm ſein Verlangen; und der Alte reichte mit Zittern eine rauche krumme Pfote hin. So hiel- ten Victorin und er ſich eine Weile. Endlich rief der Tagemenſch mit weinenden Augen:
O Sonne, Vater der Welt, nie haſt du zu einer bewundernswuͤrdigern Verbindung geleuch- tet! O Erde, gemeinſame Mutter, huͤpfe vor Freuden bei Erblickung der Vereinigung deiner Kinder, welche unuͤberſteigliche Schranken zu trennen ſchienen. (Auch dieß erklaͤrten die Weiber, ungeachtet Victorin es in beiden Sprachen, der franzoͤſiſchen und kirrenden geſprochen hatte. Aber, ich wiederhole es, der Verſtand der Nachtmenſchen iſt ſo eingeſchraͤnkt, das die aus ihnen herſtam- menden, durch den Umgang mit ihren Maͤnnern ein wenig aufgeklaͤrtern Weiber, alle Muͤhe hat- ten, es ihnen vollkommen deutlich zu machen, Noch nie hatten dieſe Leute die Sonne ſehn koͤn- nen; ſchon die Morgenroͤthe war hinlaͤnglich ſie in ihre Hoͤlen zu treiben.
Nach
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Victorin. Wir ſind ſehr erfreut euch zu
ſehn; und zu ſprechen und wir ſegnen den gluͤcklichen Au-
genblick, der uns vereinigte: wir ſegnen die braven Wei-
ber eurer Nation, die wir aus Noth nahmen, die aber
das Band unſrer Vereinigung ſein werden. (Die
Weiber brachten lange zu, dem alten Nachtmenſchen
dieſe letzten Worte begreiflich zu machen.)
Der Alte. Jhr gut, gut, gut. — Vic-
torin gab ihm die Hand. — Die Weiber erklaͤr-
ten ihm ſein Verlangen; und der Alte reichte mit
Zittern eine rauche krumme Pfote hin. So hiel-
ten Victorin und er ſich eine Weile. Endlich rief der
Tagemenſch mit weinenden Augen:
O Sonne, Vater der Welt, nie haſt du
zu einer bewundernswuͤrdigern Verbindung geleuch-
tet! O Erde, gemeinſame Mutter, huͤpfe vor
Freuden bei Erblickung der Vereinigung deiner
Kinder, welche unuͤberſteigliche Schranken zu
trennen ſchienen. (Auch dieß erklaͤrten die Weiber,
ungeachtet Victorin es in beiden Sprachen, der
franzoͤſiſchen und kirrenden geſprochen hatte. Aber,
ich wiederhole es, der Verſtand der Nachtmenſchen
iſt ſo eingeſchraͤnkt, das die aus ihnen herſtam-
menden, durch den Umgang mit ihren Maͤnnern
ein wenig aufgeklaͤrtern Weiber, alle Muͤhe hat-
ten, es ihnen vollkommen deutlich zu machen,
Noch nie hatten dieſe Leute die Sonne ſehn koͤn-
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/180>, abgerufen am 21.11.2024.
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