Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



behaupten, daß das ganze blind und todt sei. Sie
urtheilten wie die Kinder und wie Blinde selbst,
wenn sie alles ich weiß nicht was für Gesetzen der
Schwere unterwarfen: zwar giebt es dergleichen
Gesetze; aber dies sind wesentliche Würkungen der
Dinge, und Mittel des höchsten Verstandes, noth-
wendige Folgen seiner Allmacht und Allweisheit.
Diese Nothwendigkeit macht bei euch den Begrif
von der besten Welt aus. Alles geschieht auf die
leichteste Art, nach den Ursachen die sie hervor-
bringen. Es giebt nur eine Materie. Jederzeit
mit einem lebendigen Wesen vereinigt ist sie entwe-
der der Körper, als die grobe Materie, oder der
Ausflus, als die feinere Materie. Die Luft ist
der Ausflus des Erdballs, Erde und Wasser sind
die Körper, der Aether, die Materie des Lichts,
ist der Ausflus der Sonne, deren völlig lebende
und würkende Materie der Körper ist. Aber von
welcher Art ist diese Materie? Euer französischer
Philosoph behauptet, sie sei mit der Planeten ihrer
einerlei, weil diese daraus entsprossen sind. Die-
ser Schlus gründet sich zwar auf eine sehr wahr-
scheinliche Voraussetzung; wir haben aber doch
keine ausgemachte Gewisheit davon. Jst die Son-
ne ein lebendes Wesen, wie unsere Megapatagoni-
schen Weltweisen nie gezweifelt haben, wäre es nicht
wahrscheinlicher zu sagen, daß die Planeten Aus-
würfe der Unsauberkeiten von der Sonne sind, so
wie die Pflanzen und Thiere von den Planeten.
Die ausserordentliche Lebenswärme der Sonne wirft
ihre Absonderungen weit von sich, da sie bei den

Plane-



behaupten, daß das ganze blind und todt ſei. Sie
urtheilten wie die Kinder und wie Blinde ſelbſt,
wenn ſie alles ich weiß nicht was fuͤr Geſetzen der
Schwere unterwarfen: zwar giebt es dergleichen
Geſetze; aber dies ſind weſentliche Wuͤrkungen der
Dinge, und Mittel des hoͤchſten Verſtandes, noth-
wendige Folgen ſeiner Allmacht und Allweisheit.
Dieſe Nothwendigkeit macht bei euch den Begrif
von der beſten Welt aus. Alles geſchieht auf die
leichteſte Art, nach den Urſachen die ſie hervor-
bringen. Es giebt nur eine Materie. Jederzeit
mit einem lebendigen Weſen vereinigt iſt ſie entwe-
der der Koͤrper, als die grobe Materie, oder der
Ausflus, als die feinere Materie. Die Luft iſt
der Ausflus des Erdballs, Erde und Waſſer ſind
die Koͤrper, der Aether, die Materie des Lichts,
iſt der Ausflus der Sonne, deren voͤllig lebende
und wuͤrkende Materie der Koͤrper iſt. Aber von
welcher Art iſt dieſe Materie? Euer franzoͤſiſcher
Philoſoph behauptet, ſie ſei mit der Planeten ihrer
einerlei, weil dieſe daraus entſproſſen ſind. Die-
ſer Schlus gruͤndet ſich zwar auf eine ſehr wahr-
ſcheinliche Vorausſetzung; wir haben aber doch
keine ausgemachte Gewisheit davon. Jſt die Son-
ne ein lebendes Weſen, wie unſere Megapatagoni-
ſchen Weltweiſen nie gezweifelt haben, waͤre es nicht
wahrſcheinlicher zu ſagen, daß die Planeten Aus-
wuͤrfe der Unſauberkeiten von der Sonne ſind, ſo
wie die Pflanzen und Thiere von den Planeten.
Die auſſerordentliche Lebenswaͤrme der Sonne wirft
ihre Abſonderungen weit von ſich, da ſie bei den

Plane-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0318" n="310"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
behaupten, daß das ganze blind und todt &#x017F;ei. Sie<lb/>
urtheilten wie die Kinder und wie Blinde &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
wenn &#x017F;ie alles ich weiß nicht was fu&#x0364;r Ge&#x017F;etzen der<lb/>
Schwere unterwarfen: zwar giebt es dergleichen<lb/>
Ge&#x017F;etze; aber dies &#x017F;ind we&#x017F;entliche Wu&#x0364;rkungen der<lb/>
Dinge, und Mittel des ho&#x0364;ch&#x017F;ten Ver&#x017F;tandes, noth-<lb/>
wendige Folgen &#x017F;einer Allmacht und Allweisheit.<lb/>
Die&#x017F;e Nothwendigkeit macht bei euch den Begrif<lb/>
von der be&#x017F;ten Welt aus. Alles ge&#x017F;chieht auf die<lb/>
leichte&#x017F;te Art, nach den Ur&#x017F;achen die &#x017F;ie hervor-<lb/>
bringen. Es giebt nur eine Materie. Jederzeit<lb/>
mit einem lebendigen We&#x017F;en vereinigt i&#x017F;t &#x017F;ie entwe-<lb/>
der der Ko&#x0364;rper, als die grobe Materie, oder der<lb/>
Ausflus, als die feinere Materie. Die Luft i&#x017F;t<lb/>
der Ausflus des Erdballs, Erde und Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ind<lb/>
die Ko&#x0364;rper, der Aether, die Materie des Lichts,<lb/>
i&#x017F;t der Ausflus der Sonne, deren vo&#x0364;llig lebende<lb/>
und wu&#x0364;rkende Materie der Ko&#x0364;rper i&#x017F;t. Aber von<lb/>
welcher Art i&#x017F;t die&#x017F;e Materie? Euer franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher<lb/>
Philo&#x017F;oph behauptet, &#x017F;ie &#x017F;ei mit der Planeten ihrer<lb/>
einerlei, weil die&#x017F;e daraus ent&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind. Die-<lb/>
&#x017F;er Schlus gru&#x0364;ndet &#x017F;ich zwar auf eine &#x017F;ehr wahr-<lb/>
&#x017F;cheinliche Voraus&#x017F;etzung; wir haben aber doch<lb/>
keine ausgemachte Gewisheit davon. J&#x017F;t die Son-<lb/>
ne ein lebendes We&#x017F;en, wie un&#x017F;ere Megapatagoni-<lb/>
&#x017F;chen Weltwei&#x017F;en nie gezweifelt haben, wa&#x0364;re es nicht<lb/>
wahr&#x017F;cheinlicher zu &#x017F;agen, daß die Planeten Aus-<lb/>
wu&#x0364;rfe der Un&#x017F;auberkeiten von der Sonne &#x017F;ind, &#x017F;o<lb/>
wie die Pflanzen und Thiere von den Planeten.<lb/>
Die au&#x017F;&#x017F;erordentliche Lebenswa&#x0364;rme der Sonne wirft<lb/>
ihre Ab&#x017F;onderungen weit von &#x017F;ich, da &#x017F;ie bei den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Plane-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0318] behaupten, daß das ganze blind und todt ſei. Sie urtheilten wie die Kinder und wie Blinde ſelbſt, wenn ſie alles ich weiß nicht was fuͤr Geſetzen der Schwere unterwarfen: zwar giebt es dergleichen Geſetze; aber dies ſind weſentliche Wuͤrkungen der Dinge, und Mittel des hoͤchſten Verſtandes, noth- wendige Folgen ſeiner Allmacht und Allweisheit. Dieſe Nothwendigkeit macht bei euch den Begrif von der beſten Welt aus. Alles geſchieht auf die leichteſte Art, nach den Urſachen die ſie hervor- bringen. Es giebt nur eine Materie. Jederzeit mit einem lebendigen Weſen vereinigt iſt ſie entwe- der der Koͤrper, als die grobe Materie, oder der Ausflus, als die feinere Materie. Die Luft iſt der Ausflus des Erdballs, Erde und Waſſer ſind die Koͤrper, der Aether, die Materie des Lichts, iſt der Ausflus der Sonne, deren voͤllig lebende und wuͤrkende Materie der Koͤrper iſt. Aber von welcher Art iſt dieſe Materie? Euer franzoͤſiſcher Philoſoph behauptet, ſie ſei mit der Planeten ihrer einerlei, weil dieſe daraus entſproſſen ſind. Die- ſer Schlus gruͤndet ſich zwar auf eine ſehr wahr- ſcheinliche Vorausſetzung; wir haben aber doch keine ausgemachte Gewisheit davon. Jſt die Son- ne ein lebendes Weſen, wie unſere Megapatagoni- ſchen Weltweiſen nie gezweifelt haben, waͤre es nicht wahrſcheinlicher zu ſagen, daß die Planeten Aus- wuͤrfe der Unſauberkeiten von der Sonne ſind, ſo wie die Pflanzen und Thiere von den Planeten. Die auſſerordentliche Lebenswaͤrme der Sonne wirft ihre Abſonderungen weit von ſich, da ſie bei den Plane-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/318
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/318>, abgerufen am 26.11.2024.