Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785.

Bild:
<< vorherige Seite



er völlig abgenutzt war, um einen neuen anzule-
gen. Das beste war, daß wenn man einmal in der
Luft war, der Gurt so wenig abgenutzt ward, daß
er eine lange Reise aushielt.

Nachdem Victorin seine Versuche etliche Wochen
fortgesetzt hatte, fiel er darauf, bey seiner Maschine
noch eine Feder anzubringen, die der vorigen ähn-
lich, aber etwas schwächer, jedoch im Stande war,
ihm im Fall der Noth so lange in der Luft zu erhal-
ten, daß er einen neuen Gurt an die Hauptfeder
machen konnte.

Victorin gieng auf eine Anhöhe, stieg auf einen
kleinen Felsen, und setzte seine Flügel sogleich in die
schnelle Bewegung eines Rebhühner-Fluges. Auf
solche Art erhob er sich ziemlich hoch von der Erde.
Aber seine wenige Uebung in der Luft zu verweilen,
machte ihm Schwindel; und er mußte daher, wenn
er sich erhob, allemal die Augen zumachen.

Er spürte bald einen ziemlich beträchtlichen
Grad von Kälte, er merkte aber auch, daß er mit
vieler Gemächlichkeit in der Luft schwebte, so, daß
die geringste Bewegung der Füße den Flügeln Kraft
genug gab, ihn zu erhalten. Er schlug einen Au-
genblick die Augen auf, und sahe, daß er in einer
erstaunenswürdigen Höhe sich befand. Er zog also
die beyden Schnüre, die dazu dienten den spitzigen
Parasol nach allen Seiten zu bewegen, und richtete
die Spitze unterwärts, und kam dadurch gar bald
zur Erden. Als er sich derselben nahe sah, hielt er
sie horizontal, um die Anhöhe und den Felsen

wieder



er voͤllig abgenutzt war, um einen neuen anzule-
gen. Das beſte war, daß wenn man einmal in der
Luft war, der Gurt ſo wenig abgenutzt ward, daß
er eine lange Reiſe aushielt.

Nachdem Victorin ſeine Verſuche etliche Wochen
fortgeſetzt hatte, fiel er darauf, bey ſeiner Maſchine
noch eine Feder anzubringen, die der vorigen aͤhn-
lich, aber etwas ſchwaͤcher, jedoch im Stande war,
ihm im Fall der Noth ſo lange in der Luft zu erhal-
ten, daß er einen neuen Gurt an die Hauptfeder
machen konnte.

Victorin gieng auf eine Anhoͤhe, ſtieg auf einen
kleinen Felſen, und ſetzte ſeine Fluͤgel ſogleich in die
ſchnelle Bewegung eines Rebhuͤhner-Fluges. Auf
ſolche Art erhob er ſich ziemlich hoch von der Erde.
Aber ſeine wenige Uebung in der Luft zu verweilen,
machte ihm Schwindel; und er mußte daher, wenn
er ſich erhob, allemal die Augen zumachen.

Er ſpuͤrte bald einen ziemlich betraͤchtlichen
Grad von Kaͤlte, er merkte aber auch, daß er mit
vieler Gemaͤchlichkeit in der Luft ſchwebte, ſo, daß
die geringſte Bewegung der Fuͤße den Fluͤgeln Kraft
genug gab, ihn zu erhalten. Er ſchlug einen Au-
genblick die Augen auf, und ſahe, daß er in einer
erſtaunenswuͤrdigen Hoͤhe ſich befand. Er zog alſo
die beyden Schnuͤre, die dazu dienten den ſpitzigen
Paraſol nach allen Seiten zu bewegen, und richtete
die Spitze unterwaͤrts, und kam dadurch gar bald
zur Erden. Als er ſich derſelben nahe ſah, hielt er
ſie horizontal, um die Anhoͤhe und den Felſen

wieder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0032" n="24"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
er vo&#x0364;llig abgenutzt war, um einen neuen anzule-<lb/>
gen. Das be&#x017F;te war, daß wenn man einmal in der<lb/>
Luft war, der Gurt &#x017F;o wenig abgenutzt ward, daß<lb/>
er eine lange Rei&#x017F;e aushielt.</p><lb/>
        <p>Nachdem Victorin &#x017F;eine Ver&#x017F;uche etliche Wochen<lb/>
fortge&#x017F;etzt hatte, fiel er darauf, bey &#x017F;einer Ma&#x017F;chine<lb/>
noch eine Feder anzubringen, die der vorigen a&#x0364;hn-<lb/>
lich, aber etwas &#x017F;chwa&#x0364;cher, jedoch im Stande war,<lb/>
ihm im Fall der Noth &#x017F;o lange in der Luft zu erhal-<lb/>
ten, daß er einen neuen Gurt an die Hauptfeder<lb/>
machen konnte.</p><lb/>
        <p>Victorin gieng auf eine Anho&#x0364;he, &#x017F;tieg auf einen<lb/>
kleinen Fel&#x017F;en, und &#x017F;etzte &#x017F;eine Flu&#x0364;gel &#x017F;ogleich in die<lb/>
&#x017F;chnelle Bewegung eines Rebhu&#x0364;hner-Fluges. Auf<lb/>
&#x017F;olche Art erhob er &#x017F;ich ziemlich hoch von der Erde.<lb/>
Aber &#x017F;eine wenige Uebung in der Luft zu verweilen,<lb/>
machte ihm Schwindel; und er mußte daher, wenn<lb/>
er &#x017F;ich erhob, allemal die Augen zumachen.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;pu&#x0364;rte bald einen ziemlich betra&#x0364;chtlichen<lb/>
Grad von Ka&#x0364;lte, er merkte aber auch, daß er mit<lb/>
vieler Gema&#x0364;chlichkeit in der Luft &#x017F;chwebte, &#x017F;o, daß<lb/>
die gering&#x017F;te Bewegung der Fu&#x0364;ße den Flu&#x0364;geln Kraft<lb/>
genug gab, ihn zu erhalten. Er &#x017F;chlug einen Au-<lb/>
genblick die Augen auf, und &#x017F;ahe, daß er in einer<lb/>
er&#x017F;taunenswu&#x0364;rdigen Ho&#x0364;he &#x017F;ich befand. Er zog al&#x017F;o<lb/>
die beyden Schnu&#x0364;re, die dazu dienten den &#x017F;pitzigen<lb/>
Para&#x017F;ol nach allen Seiten zu bewegen, und richtete<lb/>
die Spitze unterwa&#x0364;rts, und kam dadurch gar bald<lb/>
zur Erden. Als er &#x017F;ich der&#x017F;elben nahe &#x017F;ah, hielt er<lb/>
&#x017F;ie horizontal, um die Anho&#x0364;he und den Fel&#x017F;en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wieder</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0032] er voͤllig abgenutzt war, um einen neuen anzule- gen. Das beſte war, daß wenn man einmal in der Luft war, der Gurt ſo wenig abgenutzt ward, daß er eine lange Reiſe aushielt. Nachdem Victorin ſeine Verſuche etliche Wochen fortgeſetzt hatte, fiel er darauf, bey ſeiner Maſchine noch eine Feder anzubringen, die der vorigen aͤhn- lich, aber etwas ſchwaͤcher, jedoch im Stande war, ihm im Fall der Noth ſo lange in der Luft zu erhal- ten, daß er einen neuen Gurt an die Hauptfeder machen konnte. Victorin gieng auf eine Anhoͤhe, ſtieg auf einen kleinen Felſen, und ſetzte ſeine Fluͤgel ſogleich in die ſchnelle Bewegung eines Rebhuͤhner-Fluges. Auf ſolche Art erhob er ſich ziemlich hoch von der Erde. Aber ſeine wenige Uebung in der Luft zu verweilen, machte ihm Schwindel; und er mußte daher, wenn er ſich erhob, allemal die Augen zumachen. Er ſpuͤrte bald einen ziemlich betraͤchtlichen Grad von Kaͤlte, er merkte aber auch, daß er mit vieler Gemaͤchlichkeit in der Luft ſchwebte, ſo, daß die geringſte Bewegung der Fuͤße den Fluͤgeln Kraft genug gab, ihn zu erhalten. Er ſchlug einen Au- genblick die Augen auf, und ſahe, daß er in einer erſtaunenswuͤrdigen Hoͤhe ſich befand. Er zog alſo die beyden Schnuͤre, die dazu dienten den ſpitzigen Paraſol nach allen Seiten zu bewegen, und richtete die Spitze unterwaͤrts, und kam dadurch gar bald zur Erden. Als er ſich derſelben nahe ſah, hielt er ſie horizontal, um die Anhoͤhe und den Felſen wieder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/32
Zitationshilfe: Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/32>, abgerufen am 21.11.2024.