verlangte nur nach ihrem Vater zurück, bis er ihr endlich die Unmöglichkeit von ihrem Wunsche von Verlassung ihres Aufenthalts zeigte.
Es war eben im Herbst. Käthe stutzte ziemlich, die beyden Frauenzimmer, die man in einem Brun- nen ertrunken geglaubt hatte, hier zu finden: Sie halfen also alle drey dem Joachim seine Arbeit er- leichtern, und besäten ein Stück Feld, das hinläng- lich war zehn bis zwölf Personen zu ernähren.
Victorin kam oft zu ihnen, theils Lebensmittel zu bringen, theils sie zum Fleiß aufzumuntern. Uebrigens war er entschlossen die Rückkehr des folgen- den Sommers zu erwarten, um Christinen zu ent- führen; wofern nicht etwa jemand sie bis dahin zur Gemahlinn begehre. Doch es erschien niemand, der angenommen worden wäre. Victorin gewann also Zeit den Aufenthalt zu verschönern, den er für die Beherrscherinn seiner Gedanken bestimmt hatte, und gleichsam einen kleinen Staat zu errichten, den sie als Königinn regieren sollte.
Er trug ferner auf den unbesteiglichen Berg einen Schuhmacher, eine Putzmacherinn, welche zur Kammerfrau bestimmt war, eine Nätherinn, einen Schneider und eine Köchinn. Da ihm in der Folge beyfiel, daß vielleicht alle diese Leute einige Neigung gegen einander haben könnten, so bracht' er ihnen an einem schönen Abend, auch einen Priester, den er unterwegens von den Absichten seiner Reise unter- richtete. Dieser Geistliche stellte daher den neuen Bewohnern des unbesteiglichen Berges vor, eine
Wahl
d. fl. Mensch. D
verlangte nur nach ihrem Vater zuruͤck, bis er ihr endlich die Unmoͤglichkeit von ihrem Wunſche von Verlaſſung ihres Aufenthalts zeigte.
Es war eben im Herbſt. Kaͤthe ſtutzte ziemlich, die beyden Frauenzimmer, die man in einem Brun- nen ertrunken geglaubt hatte, hier zu finden: Sie halfen alſo alle drey dem Joachim ſeine Arbeit er- leichtern, und beſaͤten ein Stuͤck Feld, das hinlaͤng- lich war zehn bis zwoͤlf Perſonen zu ernaͤhren.
Victorin kam oft zu ihnen, theils Lebensmittel zu bringen, theils ſie zum Fleiß aufzumuntern. Uebrigens war er entſchloſſen die Ruͤckkehr des folgen- den Sommers zu erwarten, um Chriſtinen zu ent- fuͤhren; wofern nicht etwa jemand ſie bis dahin zur Gemahlinn begehre. Doch es erſchien niemand, der angenommen worden waͤre. Victorin gewann alſo Zeit den Aufenthalt zu verſchoͤnern, den er fuͤr die Beherrſcherinn ſeiner Gedanken beſtimmt hatte, und gleichſam einen kleinen Staat zu errichten, den ſie als Koͤniginn regieren ſollte.
Er trug ferner auf den unbeſteiglichen Berg einen Schuhmacher, eine Putzmacherinn, welche zur Kammerfrau beſtimmt war, eine Naͤtherinn, einen Schneider und eine Koͤchinn. Da ihm in der Folge beyfiel, daß vielleicht alle dieſe Leute einige Neigung gegen einander haben koͤnnten, ſo bracht’ er ihnen an einem ſchoͤnen Abend, auch einen Prieſter, den er unterwegens von den Abſichten ſeiner Reiſe unter- richtete. Dieſer Geiſtliche ſtellte daher den neuen Bewohnern des unbeſteiglichen Berges vor, eine
Wahl
d. fl. Menſch. D
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verlangte nur nach ihrem Vater zuruͤck, bis er ihr
endlich die Unmoͤglichkeit von ihrem Wunſche von
Verlaſſung ihres Aufenthalts zeigte.
Es war eben im Herbſt. Kaͤthe ſtutzte ziemlich,
die beyden Frauenzimmer, die man in einem Brun-
nen ertrunken geglaubt hatte, hier zu finden: Sie
halfen alſo alle drey dem Joachim ſeine Arbeit er-
leichtern, und beſaͤten ein Stuͤck Feld, das hinlaͤng-
lich war zehn bis zwoͤlf Perſonen zu ernaͤhren.
Victorin kam oft zu ihnen, theils Lebensmittel
zu bringen, theils ſie zum Fleiß aufzumuntern.
Uebrigens war er entſchloſſen die Ruͤckkehr des folgen-
den Sommers zu erwarten, um Chriſtinen zu ent-
fuͤhren; wofern nicht etwa jemand ſie bis dahin zur
Gemahlinn begehre. Doch es erſchien niemand, der
angenommen worden waͤre. Victorin gewann alſo
Zeit den Aufenthalt zu verſchoͤnern, den er fuͤr die
Beherrſcherinn ſeiner Gedanken beſtimmt hatte, und
gleichſam einen kleinen Staat zu errichten, den ſie
als Koͤniginn regieren ſollte.
Er trug ferner auf den unbeſteiglichen Berg
einen Schuhmacher, eine Putzmacherinn, welche zur
Kammerfrau beſtimmt war, eine Naͤtherinn, einen
Schneider und eine Koͤchinn. Da ihm in der Folge
beyfiel, daß vielleicht alle dieſe Leute einige Neigung
gegen einander haben koͤnnten, ſo bracht’ er ihnen
an einem ſchoͤnen Abend, auch einen Prieſter, den
er unterwegens von den Abſichten ſeiner Reiſe unter-
richtete. Dieſer Geiſtliche ſtellte daher den neuen
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d. fl. Menſch. D
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Rétif de La Bretonne, Nicolas-Edme: Der fliegende Mensch. Übers. v. Wilhelm Christhelf Siegmund Mylius. 2. Aufl. Dresden u. a., 1785, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/retif_mensch_1785/57>, abgerufen am 23.11.2024.
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