Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.des Fortschritts an, mit der wir jede Beziehung ablehnen." "Ich hoffe, die Herren werden sich über diese Frage nicht in die Haare geraten," sagte Doktor Gerhard mit milder Ironie. Der Dichter lächelte herbe und hüllte sich dann in Schweigen. Die kappadozische Dame dagegen war sehr liebenswürdig, sie estimiert mich anscheinend, seit ich die Panflöte geblasen habe, und fragte, wie ich darauf gekommen sei. Ich erzählte, daß Delius uns alle beraten, und wie er sich dann verabschiedet habe, um kosmische Urschauer zu erleben. Dabei fühlte ich, wie ich immer mehr in ihrer Achtung stieg, auch der Dichter wurde wieder zugänglicher. "Delius hat uns neulich eine sehr bedeutungsvolle Begebenheit erzählt," sagte er, "-- er war vor einigen Jahren in Rom --" "Ich denke, Herr Delius ist immer in Rom," warf Gerhard ein. Der Dichter ignorierte ihn, und die Kappadozische suchte zu vermitteln: "Es ist hier wohl von dem wirklichen Rom die Rede." "Gibt es ein wirkliches und ein unwirkliches Rom?" fragte der junge Mann bitter, "-- ich meinte allerdings jene italienische Stadt, die heute noch Rom genannt wird; aber gerade, was Delius dort erlebte, zeigt, daß immer wieder der leere Schein für Wirklichkeit gehalten wird und tiefstes Erleben für unwahrscheinlich gelten mag. -- Ihm, Delius, mußte das des Fortschritts an, mit der wir jede Beziehung ablehnen.“ „Ich hoffe, die Herren werden sich über diese Frage nicht in die Haare geraten,“ sagte Doktor Gerhard mit milder Ironie. Der Dichter lächelte herbe und hüllte sich dann in Schweigen. Die kappadozische Dame dagegen war sehr liebenswürdig, sie estimiert mich anscheinend, seit ich die Panflöte geblasen habe, und fragte, wie ich darauf gekommen sei. Ich erzählte, daß Delius uns alle beraten, und wie er sich dann verabschiedet habe, um kosmische Urschauer zu erleben. Dabei fühlte ich, wie ich immer mehr in ihrer Achtung stieg, auch der Dichter wurde wieder zugänglicher. „Delius hat uns neulich eine sehr bedeutungsvolle Begebenheit erzählt,“ sagte er, „— er war vor einigen Jahren in Rom —“ „Ich denke, Herr Delius ist immer in Rom,“ warf Gerhard ein. Der Dichter ignorierte ihn, und die Kappadozische suchte zu vermitteln: „Es ist hier wohl von dem wirklichen Rom die Rede.“ „Gibt es ein wirkliches und ein unwirkliches Rom?“ fragte der junge Mann bitter, „— ich meinte allerdings jene italienische Stadt, die heute noch Rom genannt wird; aber gerade, was Delius dort erlebte, zeigt, daß immer wieder der leere Schein für Wirklichkeit gehalten wird und tiefstes Erleben für unwahrscheinlich gelten mag. — Ihm, Delius, mußte das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0141" n="137"/> des Fortschritts an, mit der wir jede Beziehung ablehnen.“</p> <p>„Ich hoffe, die Herren werden sich über diese Frage nicht in die Haare geraten,“ sagte Doktor Gerhard mit milder Ironie. Der Dichter lächelte herbe und hüllte sich dann in Schweigen. Die kappadozische Dame dagegen war sehr liebenswürdig, sie estimiert mich anscheinend, seit ich die Panflöte geblasen habe, und fragte, wie ich darauf gekommen sei. Ich erzählte, daß Delius uns alle beraten, und wie er sich dann verabschiedet habe, um kosmische Urschauer zu erleben. Dabei fühlte ich, wie ich immer mehr in ihrer Achtung stieg, auch der Dichter wurde wieder zugänglicher.</p> <p>„Delius hat uns neulich eine sehr bedeutungsvolle Begebenheit erzählt,“ sagte er, „— er war vor einigen Jahren in Rom —“</p> <p>„Ich denke, Herr Delius ist immer in Rom,“ warf Gerhard ein. Der Dichter ignorierte ihn, und die Kappadozische suchte zu vermitteln: „Es ist hier wohl von dem wirklichen Rom die Rede.“</p> <p>„Gibt es ein wirkliches und ein unwirkliches Rom?“ fragte der junge Mann bitter, „— ich meinte allerdings jene italienische Stadt, die heute noch Rom genannt wird; aber gerade, was Delius dort erlebte, zeigt, daß immer wieder der leere Schein für Wirklichkeit gehalten wird und tiefstes Erleben für unwahrscheinlich gelten mag. — Ihm, Delius, mußte das </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0141]
des Fortschritts an, mit der wir jede Beziehung ablehnen.“
„Ich hoffe, die Herren werden sich über diese Frage nicht in die Haare geraten,“ sagte Doktor Gerhard mit milder Ironie. Der Dichter lächelte herbe und hüllte sich dann in Schweigen. Die kappadozische Dame dagegen war sehr liebenswürdig, sie estimiert mich anscheinend, seit ich die Panflöte geblasen habe, und fragte, wie ich darauf gekommen sei. Ich erzählte, daß Delius uns alle beraten, und wie er sich dann verabschiedet habe, um kosmische Urschauer zu erleben. Dabei fühlte ich, wie ich immer mehr in ihrer Achtung stieg, auch der Dichter wurde wieder zugänglicher.
„Delius hat uns neulich eine sehr bedeutungsvolle Begebenheit erzählt,“ sagte er, „— er war vor einigen Jahren in Rom —“
„Ich denke, Herr Delius ist immer in Rom,“ warf Gerhard ein. Der Dichter ignorierte ihn, und die Kappadozische suchte zu vermitteln: „Es ist hier wohl von dem wirklichen Rom die Rede.“
„Gibt es ein wirkliches und ein unwirkliches Rom?“ fragte der junge Mann bitter, „— ich meinte allerdings jene italienische Stadt, die heute noch Rom genannt wird; aber gerade, was Delius dort erlebte, zeigt, daß immer wieder der leere Schein für Wirklichkeit gehalten wird und tiefstes Erleben für unwahrscheinlich gelten mag. — Ihm, Delius, mußte das
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