Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein paar leere verschlafene Tage -- es ist, als wäre ganz Wahnmoching aus dem bacchantischen Taumel in einen tiefen, totähnlichen Schlaf versunken und das Leben selbst in Stillstand geraten.

So bin ich viel zu Hause geblieben, nur hier und da ein wenig spazieren gegangen -- dann wieder habe ich in meinen Papieren geblättert und versucht, an meinen Roman zu denken, -- wann werde ich endlich die innere Sammlung finden, um ernstlich ans Werk zu gehen? -- Einmal suchte ich auch den Philosophen auf, aber er war nicht da -- dann ging ich am Eckhaus vorbei, -- sämtliche Läden geschlossen und die Glocke abgestellt, -- wo sind sie alle?

Gestern, als ich mittags nach Hause kam, fand ich einen Zettel von Susanna auf meinem Schreibtisch:

"Es gibt mich wieder -- kommen Sie bald -- S."

Chamotte sitzt in seiner Kammer am Fenster und bläst die Hirtenflöte, -- ich hab' sie ihm geschenkt, weil er so viel Freude daran hatte.

Auch Chamotte ist melancholisch, -- er macht immer meine Stimmungen mit.

Nachmittags gehe ich hinüber und finde Susanna

Ein paar leere verschlafene Tage — es ist, als wäre ganz Wahnmoching aus dem bacchantischen Taumel in einen tiefen, totähnlichen Schlaf versunken und das Leben selbst in Stillstand geraten.

So bin ich viel zu Hause geblieben, nur hier und da ein wenig spazieren gegangen — dann wieder habe ich in meinen Papieren geblättert und versucht, an meinen Roman zu denken, — wann werde ich endlich die innere Sammlung finden, um ernstlich ans Werk zu gehen? — Einmal suchte ich auch den Philosophen auf, aber er war nicht da — dann ging ich am Eckhaus vorbei, — sämtliche Läden geschlossen und die Glocke abgestellt, — wo sind sie alle?

Gestern, als ich mittags nach Hause kam, fand ich einen Zettel von Susanna auf meinem Schreibtisch:

„Es gibt mich wieder — kommen Sie bald — S.“

Chamotte sitzt in seiner Kammer am Fenster und bläst die Hirtenflöte, — ich hab’ sie ihm geschenkt, weil er so viel Freude daran hatte.

Auch Chamotte ist melancholisch, — er macht immer meine Stimmungen mit.

Nachmittags gehe ich hinüber und finde Susanna

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <pb facs="#f0152" n="148"/>
          <div type="letter" n="2">
            <opener>
              <dateline> <hi rendition="#right">28. Februar</hi> </dateline>
            </opener>
            <p>Ein paar leere verschlafene Tage &#x2014; es ist, als wäre ganz Wahnmoching aus dem bacchantischen Taumel in einen tiefen, totähnlichen Schlaf versunken und das Leben selbst in Stillstand geraten.</p>
            <p>So bin ich viel zu Hause geblieben, nur hier und da ein wenig spazieren gegangen &#x2014; dann wieder habe ich in meinen Papieren geblättert und versucht, an meinen Roman zu denken, &#x2014; wann werde ich endlich die innere Sammlung finden, um ernstlich ans Werk zu gehen? &#x2014; Einmal suchte ich auch den Philosophen auf, aber er war nicht da &#x2014; dann ging ich am Eckhaus vorbei, &#x2014; sämtliche Läden geschlossen und die Glocke abgestellt, &#x2014; wo sind sie alle?</p>
          </div>
          <div type="letter" n="2">
            <opener>
              <dateline> <hi rendition="#right">3. März</hi> </dateline>
            </opener>
            <p>Gestern, als ich mittags nach Hause kam, fand ich einen Zettel von Susanna auf meinem Schreibtisch:</p>
            <p>&#x201E;Es gibt mich wieder &#x2014; kommen Sie bald &#x2014; S.&#x201C;</p>
            <p>Chamotte sitzt in seiner Kammer am Fenster und bläst die Hirtenflöte, &#x2014; ich hab&#x2019; sie ihm geschenkt, weil er so viel Freude daran hatte.</p>
            <p>Auch Chamotte ist melancholisch, &#x2014; er macht immer meine Stimmungen mit.</p>
            <p>Nachmittags gehe ich hinüber und finde Susanna
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0152] 28. Februar Ein paar leere verschlafene Tage — es ist, als wäre ganz Wahnmoching aus dem bacchantischen Taumel in einen tiefen, totähnlichen Schlaf versunken und das Leben selbst in Stillstand geraten. So bin ich viel zu Hause geblieben, nur hier und da ein wenig spazieren gegangen — dann wieder habe ich in meinen Papieren geblättert und versucht, an meinen Roman zu denken, — wann werde ich endlich die innere Sammlung finden, um ernstlich ans Werk zu gehen? — Einmal suchte ich auch den Philosophen auf, aber er war nicht da — dann ging ich am Eckhaus vorbei, — sämtliche Läden geschlossen und die Glocke abgestellt, — wo sind sie alle? 3. März Gestern, als ich mittags nach Hause kam, fand ich einen Zettel von Susanna auf meinem Schreibtisch: „Es gibt mich wieder — kommen Sie bald — S.“ Chamotte sitzt in seiner Kammer am Fenster und bläst die Hirtenflöte, — ich hab’ sie ihm geschenkt, weil er so viel Freude daran hatte. Auch Chamotte ist melancholisch, — er macht immer meine Stimmungen mit. Nachmittags gehe ich hinüber und finde Susanna

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/152
Zitationshilfe: Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reventlow_dames_1913/152>, abgerufen am 04.12.2024.