Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.neben dem Tisch stand und ein Bild betrachtete, warf milde ein: "Nun, das kann man doch nicht so ohne weiteres hinstellen, -- es gibt wohl auch leere und bedeutungslose Gesten, die durch das Empfinden nicht gerechtfertigt werden. Und ich meine, man darf nicht so schlechthin von der Geste sprechen." Worauf die Frau des Hauses förmlich triumphierend meinte: "Nun, worauf es ankommt, ist eben der Stil." "Gewiß, aber nicht jeder," korrigierte ihr Mann und sah etwas beleidigt aus. -- "Die Geste ist überhaupt die geistleibliche Urform alles Lebens, und der Rhythmus der Geste ist der Stil." Die anderen hörten ganz begeistert zu, und die Kappadozische äußerte: "Das haben Sie wieder ganz wunderbar gesagt." Gerhard räusperte sich ein paarmal, als ob er nicht ganz einverstanden wäre, dann brach er auf, und ich schloß mich ihm an. Zum Herrn des Hauses sagte er noch: "Lieber Professor, ich hoffe, mein junger Freund wird noch öfter Gelegenheit finden, mit Ihnen zusammenzukommen." Der Professor schüttelte mir wiederholt die Hand und sah mich ganz zerstreut an. Als wir hinausgingen, sagte er halblaut zu Gerhard: "Ihr Freund ist ein wundervoller Mensch." neben dem Tisch stand und ein Bild betrachtete, warf milde ein: „Nun, das kann man doch nicht so ohne weiteres hinstellen, — es gibt wohl auch leere und bedeutungslose Gesten, die durch das Empfinden nicht gerechtfertigt werden. Und ich meine, man darf nicht so schlechthin von der Geste sprechen.“ Worauf die Frau des Hauses förmlich triumphierend meinte: „Nun, worauf es ankommt, ist eben der Stil.“ „Gewiß, aber nicht jeder,“ korrigierte ihr Mann und sah etwas beleidigt aus. — „Die Geste ist überhaupt die geistleibliche Urform alles Lebens, und der Rhythmus der Geste ist der Stil.“ Die anderen hörten ganz begeistert zu, und die Kappadozische äußerte: „Das haben Sie wieder ganz wunderbar gesagt.“ Gerhard räusperte sich ein paarmal, als ob er nicht ganz einverstanden wäre, dann brach er auf, und ich schloß mich ihm an. Zum Herrn des Hauses sagte er noch: „Lieber Professor, ich hoffe, mein junger Freund wird noch öfter Gelegenheit finden, mit Ihnen zusammenzukommen.“ Der Professor schüttelte mir wiederholt die Hand und sah mich ganz zerstreut an. Als wir hinausgingen, sagte er halblaut zu Gerhard: „Ihr Freund ist ein wundervoller Mensch.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0043" n="39"/> neben dem Tisch stand und ein Bild betrachtete, warf milde ein:</p> <p>„Nun, das kann man doch nicht so ohne weiteres hinstellen, — es gibt wohl auch leere und bedeutungslose Gesten, die durch das Empfinden nicht gerechtfertigt werden. Und ich meine, man darf nicht so schlechthin von <hi rendition="#g">der Geste</hi> sprechen.“</p> <p>Worauf die Frau des Hauses förmlich triumphierend meinte:</p> <p>„Nun, worauf es ankommt, ist eben der Stil.“</p> <p>„Gewiß, aber nicht jeder,“ korrigierte ihr Mann und sah etwas beleidigt aus. — „Die Geste ist überhaupt die geistleibliche Urform alles Lebens, und der Rhythmus der Geste ist der Stil.“</p> <p>Die anderen hörten ganz begeistert zu, und die Kappadozische äußerte:</p> <p>„Das haben Sie wieder ganz wunderbar gesagt.“</p> <p>Gerhard räusperte sich ein paarmal, als ob er nicht ganz einverstanden wäre, dann brach er auf, und ich schloß mich ihm an. Zum Herrn des Hauses sagte er noch:</p> <p>„Lieber Professor, ich hoffe, mein junger Freund wird noch öfter Gelegenheit finden, mit Ihnen zusammenzukommen.“</p> <p>Der Professor schüttelte mir wiederholt die Hand und sah mich ganz zerstreut an. Als wir hinausgingen, sagte er halblaut zu Gerhard:</p> <p>„Ihr Freund ist ein wundervoller Mensch.“</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [39/0043]
neben dem Tisch stand und ein Bild betrachtete, warf milde ein:
„Nun, das kann man doch nicht so ohne weiteres hinstellen, — es gibt wohl auch leere und bedeutungslose Gesten, die durch das Empfinden nicht gerechtfertigt werden. Und ich meine, man darf nicht so schlechthin von der Geste sprechen.“
Worauf die Frau des Hauses förmlich triumphierend meinte:
„Nun, worauf es ankommt, ist eben der Stil.“
„Gewiß, aber nicht jeder,“ korrigierte ihr Mann und sah etwas beleidigt aus. — „Die Geste ist überhaupt die geistleibliche Urform alles Lebens, und der Rhythmus der Geste ist der Stil.“
Die anderen hörten ganz begeistert zu, und die Kappadozische äußerte:
„Das haben Sie wieder ganz wunderbar gesagt.“
Gerhard räusperte sich ein paarmal, als ob er nicht ganz einverstanden wäre, dann brach er auf, und ich schloß mich ihm an. Zum Herrn des Hauses sagte er noch:
„Lieber Professor, ich hoffe, mein junger Freund wird noch öfter Gelegenheit finden, mit Ihnen zusammenzukommen.“
Der Professor schüttelte mir wiederholt die Hand und sah mich ganz zerstreut an. Als wir hinausgingen, sagte er halblaut zu Gerhard:
„Ihr Freund ist ein wundervoller Mensch.“
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