Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.5 10. Januar Ich werde doch wohl anfangen einen Roman zu schreiben. Als erstes Kapitel könnte ich gleich den gestrigen Abend nehmen. Der junge Mann im Pelzmantel ist Herr Dame. Etwas müde und nachdenklich geht er durch die Straßen. Chamotte, sein Diener, folgt ihm, mit Maskenkostümen beladen. Er ist verurteilt, heute abend auf ein Fest zu gehen -- eine Frau hat ihn dazu verurteilt. Große Schneeflocken fallen vom Himmel -- der heimliche Traum seines Lebens ist, einmal, nur einmal der Frau zu begegnen, die ihn -- ach Gott, wie soll man das sagen -- die ihn mit Liebe und zur Liebe verurteilt -- gütig und doch. -- Nein, das geht nicht, das muß noch anders gesagt werden. Sie kommen in eine Nebenstraße, an der Ecke steht ein altes Haus mit großem grünem Tor und einer altmodischen Glocke. Chamotte zieht die Glocke -- dreimal -- denn nur auf dieses Zeichen wird man eingelassen. Man geht durch einen Laubengang und über 5 10. Januar Ich werde doch wohl anfangen einen Roman zu schreiben. Als erstes Kapitel könnte ich gleich den gestrigen Abend nehmen. Der junge Mann im Pelzmantel ist Herr Dame. Etwas müde und nachdenklich geht er durch die Straßen. Chamotte, sein Diener, folgt ihm, mit Maskenkostümen beladen. Er ist verurteilt, heute abend auf ein Fest zu gehen — eine Frau hat ihn dazu verurteilt. Große Schneeflocken fallen vom Himmel — der heimliche Traum seines Lebens ist, einmal, nur einmal der Frau zu begegnen, die ihn — ach Gott, wie soll man das sagen — die ihn mit Liebe und zur Liebe verurteilt — gütig und doch. — Nein, das geht nicht, das muß noch anders gesagt werden. Sie kommen in eine Nebenstraße, an der Ecke steht ein altes Haus mit großem grünem Tor und einer altmodischen Glocke. Chamotte zieht die Glocke — dreimal — denn nur auf dieses Zeichen wird man eingelassen. Man geht durch einen Laubengang und über <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0047" n="43"/> <div n="1"> <head>5</head> <div type="letter" n="2"> <opener> <dateline> <hi rendition="#right">10. Januar</hi> </dateline> </opener> <p>Ich werde doch wohl anfangen einen Roman zu schreiben. Als erstes Kapitel könnte ich gleich den gestrigen Abend nehmen.</p> <p>Der junge Mann im Pelzmantel ist Herr Dame. Etwas müde und nachdenklich geht er durch die Straßen. Chamotte, sein Diener, folgt ihm, mit Maskenkostümen beladen. Er ist verurteilt, heute abend auf ein Fest zu gehen — eine Frau hat ihn dazu verurteilt.</p> <p>Große Schneeflocken fallen vom Himmel — der heimliche Traum seines Lebens ist, einmal, nur einmal der Frau zu begegnen, die ihn — ach Gott, wie soll man das sagen — die ihn <hi rendition="#g">mit</hi> Liebe und <hi rendition="#g">zur</hi> Liebe verurteilt — gütig und doch. — Nein, das geht nicht, das muß noch anders gesagt werden.</p> <p>Sie kommen in eine Nebenstraße, an der Ecke steht ein altes Haus mit großem grünem Tor und einer altmodischen Glocke. Chamotte zieht die Glocke — dreimal — denn nur auf dieses Zeichen wird man eingelassen. Man geht durch einen Laubengang und über </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0047]
5 10. Januar Ich werde doch wohl anfangen einen Roman zu schreiben. Als erstes Kapitel könnte ich gleich den gestrigen Abend nehmen.
Der junge Mann im Pelzmantel ist Herr Dame. Etwas müde und nachdenklich geht er durch die Straßen. Chamotte, sein Diener, folgt ihm, mit Maskenkostümen beladen. Er ist verurteilt, heute abend auf ein Fest zu gehen — eine Frau hat ihn dazu verurteilt.
Große Schneeflocken fallen vom Himmel — der heimliche Traum seines Lebens ist, einmal, nur einmal der Frau zu begegnen, die ihn — ach Gott, wie soll man das sagen — die ihn mit Liebe und zur Liebe verurteilt — gütig und doch. — Nein, das geht nicht, das muß noch anders gesagt werden.
Sie kommen in eine Nebenstraße, an der Ecke steht ein altes Haus mit großem grünem Tor und einer altmodischen Glocke. Chamotte zieht die Glocke — dreimal — denn nur auf dieses Zeichen wird man eingelassen. Man geht durch einen Laubengang und über
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