Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.Es war wieder ein ganzes Romankapitel, aber ich weiß es noch nicht anzufügen. Man kann doch nicht jedes Kapitel mit einem Karnevalsfest beginnen lassen -- das kommt mir unkünstlerisch vor. Wollte man sich genau an die Wirklichkeit halten, so scheint allerdings bei den Eckhausleuten ein jedes nicht nur mit einem Fest anzufangen, sondern auch damit zu enden. Wie sie das aushalten, ist mir ein Rätsel; ich war schon nach zwei Tagen ganz gebrochen und kam ins Lazarett, wie sie das nennen. Dies alte Haus ist merkwürdig und geräumig gebaut. Oben die große Küche ist zugleich der gemeinsame Salon, daneben liegen Willys Zimmer, und im Seitenflügel wohnt Susanna mit dem rätselhaften Kind -- es sieht niemand von den dreien ähnlich, aber es muß doch irgendwie zu ihnen gehören. Unten im Parterre hat Orlonski sein Reich, und neben dem großen Flur, durch den man hereinkommt, gibt es noch eine Reihe von halbdunkeln Zimmern, wo die Gäste untergebracht werden. Orlonski hat es dort mit vielen Diwanen, Polstern und anderen Lagerstätten etwas phantastisch, aber sehr gemütlich hergerichtet, das Ganze gleicht etwas einer Herberge, wo die müden Freunde des Hauses sich ausruhen und erholen können. Mit dem Ausruhen war es allerdings manchmal nicht weit her, aber ich bin jetzt schon daran gewöhnt, mich über nichts mehr zu wundern. Es war wieder ein ganzes Romankapitel, aber ich weiß es noch nicht anzufügen. Man kann doch nicht jedes Kapitel mit einem Karnevalsfest beginnen lassen — das kommt mir unkünstlerisch vor. Wollte man sich genau an die Wirklichkeit halten, so scheint allerdings bei den Eckhausleuten ein jedes nicht nur mit einem Fest anzufangen, sondern auch damit zu enden. Wie sie das aushalten, ist mir ein Rätsel; ich war schon nach zwei Tagen ganz gebrochen und kam ins Lazarett, wie sie das nennen. Dies alte Haus ist merkwürdig und geräumig gebaut. Oben die große Küche ist zugleich der gemeinsame Salon, daneben liegen Willys Zimmer, und im Seitenflügel wohnt Susanna mit dem rätselhaften Kind — es sieht niemand von den dreien ähnlich, aber es muß doch irgendwie zu ihnen gehören. Unten im Parterre hat Orlonski sein Reich, und neben dem großen Flur, durch den man hereinkommt, gibt es noch eine Reihe von halbdunkeln Zimmern, wo die Gäste untergebracht werden. Orlonski hat es dort mit vielen Diwanen, Polstern und anderen Lagerstätten etwas phantastisch, aber sehr gemütlich hergerichtet, das Ganze gleicht etwas einer Herberge, wo die müden Freunde des Hauses sich ausruhen und erholen können. Mit dem Ausruhen war es allerdings manchmal nicht weit her, aber ich bin jetzt schon daran gewöhnt, mich über nichts mehr zu wundern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <pb facs="#f0088" n="84"/> <p>Es war wieder ein ganzes Romankapitel, aber ich weiß es noch nicht anzufügen. Man kann doch nicht jedes Kapitel mit einem Karnevalsfest beginnen lassen — das kommt mir unkünstlerisch vor. Wollte man sich genau an die Wirklichkeit halten, so scheint allerdings bei den Eckhausleuten ein jedes nicht nur mit einem Fest anzufangen, sondern auch damit zu enden.</p> <p>Wie sie das aushalten, ist mir ein Rätsel; ich war schon nach zwei Tagen ganz gebrochen und kam ins Lazarett, wie sie das nennen.</p> <p>Dies alte Haus ist merkwürdig und geräumig gebaut. Oben die große Küche ist zugleich der gemeinsame Salon, daneben liegen Willys Zimmer, und im Seitenflügel wohnt Susanna mit dem rätselhaften Kind — es sieht niemand von den dreien ähnlich, aber es muß doch irgendwie zu ihnen gehören. Unten im Parterre hat Orlonski sein Reich, und neben dem großen Flur, durch den man hereinkommt, gibt es noch eine Reihe von halbdunkeln Zimmern, wo die Gäste untergebracht werden. Orlonski hat es dort mit vielen Diwanen, Polstern und anderen Lagerstätten etwas phantastisch, aber sehr gemütlich hergerichtet, das Ganze gleicht etwas einer Herberge, wo die müden Freunde des Hauses sich ausruhen und erholen können. Mit dem Ausruhen war es allerdings manchmal nicht weit her, aber ich bin jetzt schon daran gewöhnt, mich über nichts mehr zu wundern.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0088]
Es war wieder ein ganzes Romankapitel, aber ich weiß es noch nicht anzufügen. Man kann doch nicht jedes Kapitel mit einem Karnevalsfest beginnen lassen — das kommt mir unkünstlerisch vor. Wollte man sich genau an die Wirklichkeit halten, so scheint allerdings bei den Eckhausleuten ein jedes nicht nur mit einem Fest anzufangen, sondern auch damit zu enden.
Wie sie das aushalten, ist mir ein Rätsel; ich war schon nach zwei Tagen ganz gebrochen und kam ins Lazarett, wie sie das nennen.
Dies alte Haus ist merkwürdig und geräumig gebaut. Oben die große Küche ist zugleich der gemeinsame Salon, daneben liegen Willys Zimmer, und im Seitenflügel wohnt Susanna mit dem rätselhaften Kind — es sieht niemand von den dreien ähnlich, aber es muß doch irgendwie zu ihnen gehören. Unten im Parterre hat Orlonski sein Reich, und neben dem großen Flur, durch den man hereinkommt, gibt es noch eine Reihe von halbdunkeln Zimmern, wo die Gäste untergebracht werden. Orlonski hat es dort mit vielen Diwanen, Polstern und anderen Lagerstätten etwas phantastisch, aber sehr gemütlich hergerichtet, das Ganze gleicht etwas einer Herberge, wo die müden Freunde des Hauses sich ausruhen und erholen können. Mit dem Ausruhen war es allerdings manchmal nicht weit her, aber ich bin jetzt schon daran gewöhnt, mich über nichts mehr zu wundern.
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