Gräfin zu Reventlow, Fanny: Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. München, 1913.Ich hatte ja die vorige Nacht, wenn auch nicht ungestört, geschlafen und wachte gegen Mittag von einem leichten Geräusch auf. Es war Chamotte, der auf den Zehenspitzen herumschlich. Willy ließe fragen, ob er zu mir herunter kommen könnte, er sei auch schon wach, und da er zwei Gäste beherbergte, fühlte er sich etwas beengt. Ich kleidete mich an und legte mich dann wieder aufs Bett, Willy kam in einem gelb-seidenen Kimono: "Ich weiß nicht, wem er gehört," seufzte er, "man zieht jetzt immer an, was man gerade findet. -- Es ist alles so anstrengend, -- der Leutnant ist schon fortgegangen, um seine Tante von der Bahn zu holen, Susanna hat ihm ihren roten Rodelsweater und Reithosen von Onski gegeben -- denn er wollte durchaus nicht in seinem Biedermeierfrack an die Bahn gehen. Wir drei hier im Hause kommen jetzt manchmal in Verlegenheit, weil wir immer unsere Gäste zum Fortgehen ausstaffieren müssen. Ein junges Mädchen mußten wir neulich zwei Tage dabehalten, weil sie als Page zu uns kam und nichts vorhanden war, was ihr paßte --" Chamotte machte derweil Ordnung im Zimmer, heizte den großen Ofen ein und brachte uns Kaffee. Dann lagen wir da, rauchten Zigaretten, und es war sehr gemütlich. Die Tür zu beiden Nebenzimmern stand offen, in dem einen schlief Orlonski, in dem anderen Maria, und wir sprachen halblaut, um sie nicht zu stören. Ich hatte ja die vorige Nacht, wenn auch nicht ungestört, geschlafen und wachte gegen Mittag von einem leichten Geräusch auf. Es war Chamotte, der auf den Zehenspitzen herumschlich. Willy ließe fragen, ob er zu mir herunter kommen könnte, er sei auch schon wach, und da er zwei Gäste beherbergte, fühlte er sich etwas beengt. Ich kleidete mich an und legte mich dann wieder aufs Bett, Willy kam in einem gelb-seidenen Kimono: „Ich weiß nicht, wem er gehört,“ seufzte er, „man zieht jetzt immer an, was man gerade findet. — Es ist alles so anstrengend, — der Leutnant ist schon fortgegangen, um seine Tante von der Bahn zu holen, Susanna hat ihm ihren roten Rodelsweater und Reithosen von Onski gegeben — denn er wollte durchaus nicht in seinem Biedermeierfrack an die Bahn gehen. Wir drei hier im Hause kommen jetzt manchmal in Verlegenheit, weil wir immer unsere Gäste zum Fortgehen ausstaffieren müssen. Ein junges Mädchen mußten wir neulich zwei Tage dabehalten, weil sie als Page zu uns kam und nichts vorhanden war, was ihr paßte —“ Chamotte machte derweil Ordnung im Zimmer, heizte den großen Ofen ein und brachte uns Kaffee. Dann lagen wir da, rauchten Zigaretten, und es war sehr gemütlich. Die Tür zu beiden Nebenzimmern stand offen, in dem einen schlief Orlonski, in dem anderen Maria, und wir sprachen halblaut, um sie nicht zu stören. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <pb facs="#f0099" n="95"/> <p>Ich hatte ja die vorige Nacht, wenn auch nicht ungestört, geschlafen und wachte gegen Mittag von einem leichten Geräusch auf. Es war Chamotte, der auf den Zehenspitzen herumschlich. Willy ließe fragen, ob er zu mir herunter kommen könnte, er sei auch schon wach, und da er zwei Gäste beherbergte, fühlte er sich etwas beengt. Ich kleidete mich an und legte mich dann wieder aufs Bett, Willy kam in einem gelb-seidenen Kimono:</p> <p>„Ich weiß nicht, wem er gehört,“ seufzte er, „man zieht jetzt immer an, was man gerade findet. — Es ist alles so anstrengend, — der Leutnant ist schon fortgegangen, um seine Tante von der Bahn zu holen, Susanna hat ihm ihren roten Rodelsweater und Reithosen von Onski gegeben — denn er wollte durchaus nicht in seinem Biedermeierfrack an die Bahn gehen. Wir drei hier im Hause kommen jetzt manchmal in Verlegenheit, weil wir immer unsere Gäste zum Fortgehen ausstaffieren müssen. Ein junges Mädchen mußten wir neulich zwei Tage dabehalten, weil sie als Page zu uns kam und nichts vorhanden war, was ihr paßte —“</p> <p>Chamotte machte derweil Ordnung im Zimmer, heizte den großen Ofen ein und brachte uns Kaffee. Dann lagen wir da, rauchten Zigaretten, und es war sehr gemütlich. Die Tür zu beiden Nebenzimmern stand offen, in dem einen schlief Orlonski, in dem anderen Maria, und wir sprachen halblaut, um sie nicht zu stören.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0099]
Ich hatte ja die vorige Nacht, wenn auch nicht ungestört, geschlafen und wachte gegen Mittag von einem leichten Geräusch auf. Es war Chamotte, der auf den Zehenspitzen herumschlich. Willy ließe fragen, ob er zu mir herunter kommen könnte, er sei auch schon wach, und da er zwei Gäste beherbergte, fühlte er sich etwas beengt. Ich kleidete mich an und legte mich dann wieder aufs Bett, Willy kam in einem gelb-seidenen Kimono:
„Ich weiß nicht, wem er gehört,“ seufzte er, „man zieht jetzt immer an, was man gerade findet. — Es ist alles so anstrengend, — der Leutnant ist schon fortgegangen, um seine Tante von der Bahn zu holen, Susanna hat ihm ihren roten Rodelsweater und Reithosen von Onski gegeben — denn er wollte durchaus nicht in seinem Biedermeierfrack an die Bahn gehen. Wir drei hier im Hause kommen jetzt manchmal in Verlegenheit, weil wir immer unsere Gäste zum Fortgehen ausstaffieren müssen. Ein junges Mädchen mußten wir neulich zwei Tage dabehalten, weil sie als Page zu uns kam und nichts vorhanden war, was ihr paßte —“
Chamotte machte derweil Ordnung im Zimmer, heizte den großen Ofen ein und brachte uns Kaffee. Dann lagen wir da, rauchten Zigaretten, und es war sehr gemütlich. Die Tür zu beiden Nebenzimmern stand offen, in dem einen schlief Orlonski, in dem anderen Maria, und wir sprachen halblaut, um sie nicht zu stören.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |