sie uns verlassen, um eine Gesellschafft zu genies- sen, die Jhnen ähnlicher und anständiger ist.
Jch habe meiner Mutter erzählt, wie unange- nehm Sie zu Hause bewillkommet sind: und was für einen ungestalten Menschen man Jhnen aus- gesucht hat, und Sie zwingen will, ihn zu neh- men. Sie ergriff die Gelegenheit, ihre Nach- sicht gegen mich zu rühmen/ da ich mich recht tyrannisch/ (den Namen gab sie meinem Betragen. Die Mütter haben immer ihren ei- genen Kopf, und den muß man ihnen lassen) ge- gen einen Freyer aufführte/ den sie mir doch so sehr anpriese/ und gegen den ich keine ge- rechte Einwendungen machen könnte. Sie redete noch sonst viel davon, daß ich wegen ihrer Nachsicht desto gefälliger gegen sie seyn solte. Auf diese Weise werde ich ihr künftig nichts mehr von Jhren Umständen erzählen dürfen; denn sie würde so gar Jhren Brief-Wechsel mit mir und mit Herrn Lovelace nicht billigen, und mit dem Na- men des Ungehorsams oder unerlaubter und heimlicher Streiche belegen: denn sie redet von nichts als von blindem Gehorsam. Ueber dieses ist sie sehr aufmercksam auf die Predigten des alten steiffen Hagestoltzens, ich meine Jhren Onckle Anton: und sie wird sich sehr bedencken Jhnen Recht zu geben, wenn Sie gleich offenbar Recht haben, weil sie vermuthet, ihre eigene Toch- ter werde sich nach dem Exempel der Fräulein Harlowe richten. Allein das heißt die Sache nicht recht angegriffen: den wer andern nichts nach-
giebt,
Die Geſchichte
ſie uns verlaſſen, um eine Geſellſchafft zu genieſ- ſen, die Jhnen aͤhnlicher und anſtaͤndiger iſt.
Jch habe meiner Mutter erzaͤhlt, wie unange- nehm Sie zu Hauſe bewillkommet ſind: und was fuͤr einen ungeſtalten Menſchen man Jhnen aus- geſucht hat, und Sie zwingen will, ihn zu neh- men. Sie ergriff die Gelegenheit, ihre Nach- ſicht gegen mich zu ruͤhmen/ da ich mich recht tyranniſch/ (den Namen gab ſie meinem Betragen. Die Muͤtter haben immer ihren ei- genen Kopf, und den muß man ihnen laſſen) ge- gen einen Freyer auffuͤhrte/ den ſie mir doch ſo ſehr anprieſe/ und gegen den ich keine ge- rechte Einwendungen machen koͤnnte. Sie redete noch ſonſt viel davon, daß ich wegen ihrer Nachſicht deſto gefaͤlliger gegen ſie ſeyn ſolte. Auf dieſe Weiſe werde ich ihr kuͤnftig nichts mehr von Jhren Umſtaͤnden erzaͤhlen duͤrfen; denn ſie wuͤrde ſo gar Jhren Brief-Wechſel mit mir und mit Herrn Lovelace nicht billigen, und mit dem Na- men des Ungehorſams oder unerlaubter und heimlicher Streiche belegen: denn ſie redet von nichts als von blindem Gehorſam. Ueber dieſes iſt ſie ſehr aufmerckſam auf die Predigten des alten ſteiffen Hageſtoltzens, ich meine Jhren Onckle Anton: und ſie wird ſich ſehr bedencken Jhnen Recht zu geben, wenn Sie gleich offenbar Recht haben, weil ſie vermuthet, ihre eigene Toch- ter werde ſich nach dem Exempel der Fraͤulein Harlowe richten. Allein das heißt die Sache nicht recht angegriffen: den wer andern nichts nach-
giebt,
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0116"n="96"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>ſie uns verlaſſen, um eine Geſellſchafft zu genieſ-<lb/>ſen, die Jhnen aͤhnlicher und anſtaͤndiger iſt.</p><lb/><p>Jch habe meiner Mutter erzaͤhlt, wie unange-<lb/>
nehm Sie zu Hauſe bewillkommet ſind: und was<lb/>
fuͤr einen ungeſtalten Menſchen man Jhnen aus-<lb/>
geſucht hat, und Sie zwingen will, ihn zu neh-<lb/>
men. Sie ergriff die Gelegenheit, <hirendition="#fr">ihre Nach-<lb/>ſicht gegen mich zu ruͤhmen/ da ich mich<lb/>
recht tyranniſch/</hi> (den Namen gab ſie meinem<lb/>
Betragen. Die Muͤtter haben immer ihren ei-<lb/>
genen Kopf, und den muß man ihnen laſſen) <hirendition="#fr">ge-<lb/>
gen einen Freyer auffuͤhrte/ den ſie mir doch<lb/>ſo ſehr anprieſe/ und gegen den ich keine ge-<lb/>
rechte Einwendungen machen koͤnnte.</hi> Sie<lb/>
redete noch ſonſt viel davon, daß ich wegen ihrer<lb/>
Nachſicht deſto gefaͤlliger gegen ſie ſeyn ſolte. Auf<lb/>
dieſe Weiſe werde ich ihr kuͤnftig nichts mehr von<lb/>
Jhren Umſtaͤnden erzaͤhlen duͤrfen; denn ſie wuͤrde<lb/>ſo gar Jhren Brief-Wechſel mit mir und mit<lb/>
Herrn <hirendition="#fr">Lovelace</hi> nicht billigen, und mit dem Na-<lb/>
men des <hirendition="#fr">Ungehorſams</hi> oder <hirendition="#fr">unerlaubter und<lb/>
heimlicher Streiche</hi> belegen: denn ſie redet<lb/>
von nichts als von <hirendition="#fr">blindem Gehorſam.</hi> Ueber<lb/>
dieſes iſt ſie ſehr aufmerckſam auf die Predigten<lb/>
des alten ſteiffen Hageſtoltzens, ich meine Jhren<lb/>
Onckle <hirendition="#fr">Anton:</hi> und ſie wird ſich ſehr bedencken<lb/>
Jhnen Recht zu geben, wenn Sie gleich offenbar<lb/>
Recht haben, weil ſie vermuthet, ihre eigene Toch-<lb/>
ter werde ſich nach dem Exempel der Fraͤulein<lb/><hirendition="#fr">Harlowe</hi> richten. Allein das heißt die Sache<lb/>
nicht recht angegriffen: den wer andern nichts nach-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">giebt,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[96/0116]
Die Geſchichte
ſie uns verlaſſen, um eine Geſellſchafft zu genieſ-
ſen, die Jhnen aͤhnlicher und anſtaͤndiger iſt.
Jch habe meiner Mutter erzaͤhlt, wie unange-
nehm Sie zu Hauſe bewillkommet ſind: und was
fuͤr einen ungeſtalten Menſchen man Jhnen aus-
geſucht hat, und Sie zwingen will, ihn zu neh-
men. Sie ergriff die Gelegenheit, ihre Nach-
ſicht gegen mich zu ruͤhmen/ da ich mich
recht tyranniſch/ (den Namen gab ſie meinem
Betragen. Die Muͤtter haben immer ihren ei-
genen Kopf, und den muß man ihnen laſſen) ge-
gen einen Freyer auffuͤhrte/ den ſie mir doch
ſo ſehr anprieſe/ und gegen den ich keine ge-
rechte Einwendungen machen koͤnnte. Sie
redete noch ſonſt viel davon, daß ich wegen ihrer
Nachſicht deſto gefaͤlliger gegen ſie ſeyn ſolte. Auf
dieſe Weiſe werde ich ihr kuͤnftig nichts mehr von
Jhren Umſtaͤnden erzaͤhlen duͤrfen; denn ſie wuͤrde
ſo gar Jhren Brief-Wechſel mit mir und mit
Herrn Lovelace nicht billigen, und mit dem Na-
men des Ungehorſams oder unerlaubter und
heimlicher Streiche belegen: denn ſie redet
von nichts als von blindem Gehorſam. Ueber
dieſes iſt ſie ſehr aufmerckſam auf die Predigten
des alten ſteiffen Hageſtoltzens, ich meine Jhren
Onckle Anton: und ſie wird ſich ſehr bedencken
Jhnen Recht zu geben, wenn Sie gleich offenbar
Recht haben, weil ſie vermuthet, ihre eigene Toch-
ter werde ſich nach dem Exempel der Fraͤulein
Harlowe richten. Allein das heißt die Sache
nicht recht angegriffen: den wer andern nichts nach-
giebt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/116>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.