Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
gelernt haben: denn ein so lustiger und feuriger
junger Mensch hat sich gewiß nicht viel Mühe ge-
geben, die Geschicklichkeit zu erlangen, die er be-
sitzt, und die man selten bey jungen Herren von
Stande und Vermögen findet, sonderlich bey de-
nen, die so viel Willen gehabt haben, als er.

Als er einmal wegen seiner Geschicklichkeit
und wegen des ausnehmenden Fleisses gelobet
ward, den er mit einer so lustigen Lebens-Art ver-
bindet, beging er die Schwachheit, sich mit Ju-
lius Cäsar
zu vergleichen, der des Tages über
grosse Thaten gethan und sie des Nachts aufge-
zeichnet hätte. Er meynte so gar, es fehle ihm
nichts als der erste Auftrit/ den Julius Cä-
sar in der Welt gehabt hätte: wenn er den
nur hätte/ so wollte er Aufsehens genug in
unserer Zeit machen.
Er sagte dieses zwar als
im Schertz: denn Frau Fortescue machte eben
die Anmerckung über ihn, die wir schon gemacht
haben, daß er die Kunst besässe, seine Prahlerey
auf eine lustige Weise zu erkennen und sich selbst
damit aufzuziehen. Hiedurch entgeht er der Ver-
achtung, die sonst auf Prahlerey und Eigenliebe
zu folgen pflegt: und zugleich macht er doch an-
dern bey nahe weiß, daß er in der That den Ruhm
verdiene, den er sich nur im Schertz giebt.

Jch will setzen, daß dieser Ruhm wahr sey,
und daß er die Stunden, die er vom Schlaf ab-
brechen kan, zum schreiben anwendet: so möch-
te ich doch wissen, was er für Materie zum schrei-
hen hat. Schreibt er seine eigenen Thaten auf,

wie

der Clariſſa.
gelernt haben: denn ein ſo luſtiger und feuriger
junger Menſch hat ſich gewiß nicht viel Muͤhe ge-
geben, die Geſchicklichkeit zu erlangen, die er be-
ſitzt, und die man ſelten bey jungen Herren von
Stande und Vermoͤgen findet, ſonderlich bey de-
nen, die ſo viel Willen gehabt haben, als er.

Als er einmal wegen ſeiner Geſchicklichkeit
und wegen des ausnehmenden Fleiſſes gelobet
ward, den er mit einer ſo luſtigen Lebens-Art ver-
bindet, beging er die Schwachheit, ſich mit Ju-
lius Caͤſar
zu vergleichen, der des Tages uͤber
groſſe Thaten gethan und ſie des Nachts aufge-
zeichnet haͤtte. Er meynte ſo gar, es fehle ihm
nichts als der erſte Auftrit/ den Julius Caͤ-
ſar in der Welt gehabt haͤtte: wenn er den
nur haͤtte/ ſo wollte er Aufſehens genug in
unſerer Zeit machen.
Er ſagte dieſes zwar als
im Schertz: denn Frau Forteſcue machte eben
die Anmerckung uͤber ihn, die wir ſchon gemacht
haben, daß er die Kunſt beſaͤſſe, ſeine Prahlerey
auf eine luſtige Weiſe zu erkennen und ſich ſelbſt
damit aufzuziehen. Hiedurch entgeht er der Ver-
achtung, die ſonſt auf Prahlerey und Eigenliebe
zu folgen pflegt: und zugleich macht er doch an-
dern bey nahe weiß, daß er in der That den Ruhm
verdiene, den er ſich nur im Schertz giebt.

Jch will ſetzen, daß dieſer Ruhm wahr ſey,
und daß er die Stunden, die er vom Schlaf ab-
brechen kan, zum ſchreiben anwendet: ſo moͤch-
te ich doch wiſſen, was er fuͤr Materie zum ſchrei-
hen hat. Schreibt er ſeine eigenen Thaten auf,

wie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0131" n="111"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi></hi></fw><lb/>
gelernt haben: denn ein &#x017F;o lu&#x017F;tiger und feuriger<lb/>
junger Men&#x017F;ch hat &#x017F;ich gewiß nicht viel Mu&#x0364;he ge-<lb/>
geben, die Ge&#x017F;chicklichkeit zu erlangen, die er be-<lb/>
&#x017F;itzt, und die man &#x017F;elten bey jungen Herren von<lb/>
Stande und Vermo&#x0364;gen findet, &#x017F;onderlich bey de-<lb/>
nen, die &#x017F;o viel Willen gehabt haben, als er.</p><lb/>
        <p>Als er einmal wegen &#x017F;einer Ge&#x017F;chicklichkeit<lb/>
und wegen des ausnehmenden Flei&#x017F;&#x017F;es gelobet<lb/>
ward, den er mit einer &#x017F;o lu&#x017F;tigen Lebens-Art ver-<lb/>
bindet, beging er die Schwachheit, &#x017F;ich mit <hi rendition="#fr">Ju-<lb/>
lius Ca&#x0364;&#x017F;ar</hi> zu vergleichen, der des Tages u&#x0364;ber<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Thaten gethan und &#x017F;ie des Nachts aufge-<lb/>
zeichnet ha&#x0364;tte. Er meynte &#x017F;o gar, <hi rendition="#fr">es fehle ihm<lb/>
nichts als der er&#x017F;te Auftrit/ den Julius Ca&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ar in der Welt gehabt ha&#x0364;tte: wenn er den<lb/>
nur ha&#x0364;tte/ &#x017F;o wollte er Auf&#x017F;ehens genug in<lb/>
un&#x017F;erer Zeit machen.</hi> Er &#x017F;agte die&#x017F;es zwar als<lb/>
im Schertz: denn Frau <hi rendition="#fr">Forte&#x017F;cue</hi> machte eben<lb/>
die Anmerckung u&#x0364;ber ihn, die wir &#x017F;chon gemacht<lb/>
haben, daß er die Kun&#x017F;t be&#x017F;a&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;eine Prahlerey<lb/>
auf eine lu&#x017F;tige Wei&#x017F;e zu erkennen und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
damit aufzuziehen. Hiedurch entgeht er der Ver-<lb/>
achtung, die &#x017F;on&#x017F;t auf Prahlerey und Eigenliebe<lb/>
zu folgen pflegt: und zugleich macht er doch an-<lb/>
dern bey nahe weiß, daß er in der That den Ruhm<lb/>
verdiene, den er &#x017F;ich nur im Schertz giebt.</p><lb/>
        <p>Jch will &#x017F;etzen, daß die&#x017F;er Ruhm wahr &#x017F;ey,<lb/>
und daß er die Stunden, die er vom Schlaf ab-<lb/>
brechen kan, zum &#x017F;chreiben anwendet: &#x017F;o mo&#x0364;ch-<lb/>
te ich doch wi&#x017F;&#x017F;en, was er fu&#x0364;r Materie zum &#x017F;chrei-<lb/>
hen hat. Schreibt er &#x017F;eine eigenen Thaten auf,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wie</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0131] der Clariſſa. gelernt haben: denn ein ſo luſtiger und feuriger junger Menſch hat ſich gewiß nicht viel Muͤhe ge- geben, die Geſchicklichkeit zu erlangen, die er be- ſitzt, und die man ſelten bey jungen Herren von Stande und Vermoͤgen findet, ſonderlich bey de- nen, die ſo viel Willen gehabt haben, als er. Als er einmal wegen ſeiner Geſchicklichkeit und wegen des ausnehmenden Fleiſſes gelobet ward, den er mit einer ſo luſtigen Lebens-Art ver- bindet, beging er die Schwachheit, ſich mit Ju- lius Caͤſar zu vergleichen, der des Tages uͤber groſſe Thaten gethan und ſie des Nachts aufge- zeichnet haͤtte. Er meynte ſo gar, es fehle ihm nichts als der erſte Auftrit/ den Julius Caͤ- ſar in der Welt gehabt haͤtte: wenn er den nur haͤtte/ ſo wollte er Aufſehens genug in unſerer Zeit machen. Er ſagte dieſes zwar als im Schertz: denn Frau Forteſcue machte eben die Anmerckung uͤber ihn, die wir ſchon gemacht haben, daß er die Kunſt beſaͤſſe, ſeine Prahlerey auf eine luſtige Weiſe zu erkennen und ſich ſelbſt damit aufzuziehen. Hiedurch entgeht er der Ver- achtung, die ſonſt auf Prahlerey und Eigenliebe zu folgen pflegt: und zugleich macht er doch an- dern bey nahe weiß, daß er in der That den Ruhm verdiene, den er ſich nur im Schertz giebt. Jch will ſetzen, daß dieſer Ruhm wahr ſey, und daß er die Stunden, die er vom Schlaf ab- brechen kan, zum ſchreiben anwendet: ſo moͤch- te ich doch wiſſen, was er fuͤr Materie zum ſchrei- hen hat. Schreibt er ſeine eigenen Thaten auf, wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/131
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/131>, abgerufen am 23.11.2024.