sie wollten. Und wer wünscht sich nicht die Macht, das was er für das seinige angesehen hat wenig- stens selbst verschencken oder vermachen zu können. Auch meinem Vater war es unerträglich, daß ich nun vor mich solte leben können, und seiner so zu reden nicht nöthig hätte: denn freylich machte mich der Wille meines Grosvaters gantz frey und ungebunden, da mir das Gut mit völliger Gewalt übergeben ward, und ohne daß ich jemand Rechen- schafft davon schuldig seyn sollte. Daß dieses die Meinung des Testaments sey, erkannten da- mahls alle die meinigen.
Damit ich nun allen Verdruß vermeiden möchte, so übergab ich nicht nur das Gut der Aufsicht und Verwaltung meines Vaters, sondern auch das mir vermachte Geld, welches die Hälfte des Gel- des war, das mein Grosvater bey seinem Tode baar in seinem Hause hatte; denn die andere Hälf- te hatte er an meine Schwester vermacht. Jch wollte mit dem vergnügt seyn, was mir mein Va- ter aus blosser Gütigkeit würde zufliessen lassen, und ich verlangte nicht einmahl eine Zulage zu meinem Taschen-Gelde. Jch meinte, daß ich allen Neid gleichsam eingewiget hätte: allein mein Bruder und meine Schwester wurden, wie ich nun einsehe, nur noch neidischer auf die Liebe die meines Vaters Brüder auf mich wurfen, und auf das Vergnügen, das sie und mein Vater we- gen der von meinem Gehorsam gegebenen Pro- be bezeugeten. Bey aller Gelegenheit waren sie also bereit, mir heimlich Verdruß zu erwecken.
Jch
Die Geſchichte
ſie wollten. Und wer wuͤnſcht ſich nicht die Macht, das was er fuͤr das ſeinige angeſehen hat wenig- ſtens ſelbſt verſchencken oder vermachen zu koͤnnen. Auch meinem Vater war es unertraͤglich, daß ich nun vor mich ſolte leben koͤnnen, und ſeiner ſo zu reden nicht noͤthig haͤtte: denn freylich machte mich der Wille meines Grosvaters gantz frey und ungebunden, da mir das Gut mit voͤlliger Gewalt uͤbergeben ward, und ohne daß ich jemand Rechen- ſchafft davon ſchuldig ſeyn ſollte. Daß dieſes die Meinung des Teſtaments ſey, erkannten da- mahls alle die meinigen.
Damit ich nun allen Verdruß vermeiden moͤchte, ſo uͤbergab ich nicht nur das Gut der Aufſicht und Verwaltung meines Vaters, ſondern auch das mir vermachte Geld, welches die Haͤlfte des Gel- des war, das mein Grosvater bey ſeinem Tode baar in ſeinem Hauſe hatte; denn die andere Haͤlf- te hatte er an meine Schweſter vermacht. Jch wollte mit dem vergnuͤgt ſeyn, was mir mein Va- ter aus bloſſer Guͤtigkeit wuͤrde zuflieſſen laſſen, und ich verlangte nicht einmahl eine Zulage zu meinem Taſchen-Gelde. Jch meinte, daß ich allen Neid gleichſam eingewiget haͤtte: allein mein Bruder und meine Schweſter wurden, wie ich nun einſehe, nur noch neidiſcher auf die Liebe die meines Vaters Bruͤder auf mich wurfen, und auf das Vergnuͤgen, das ſie und mein Vater we- gen der von meinem Gehorſam gegebenen Pro- be bezeugeten. Bey aller Gelegenheit waren ſie alſo bereit, mir heimlich Verdruß zu erwecken.
Jch
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Die Geſchichte
ſie wollten. Und wer wuͤnſcht ſich nicht die Macht,
das was er fuͤr das ſeinige angeſehen hat wenig-
ſtens ſelbſt verſchencken oder vermachen zu koͤnnen.
Auch meinem Vater war es unertraͤglich, daß ich
nun vor mich ſolte leben koͤnnen, und ſeiner ſo zu
reden nicht noͤthig haͤtte: denn freylich machte
mich der Wille meines Grosvaters gantz frey und
ungebunden, da mir das Gut mit voͤlliger Gewalt
uͤbergeben ward, und ohne daß ich jemand Rechen-
ſchafft davon ſchuldig ſeyn ſollte. Daß dieſes die
Meinung des Teſtaments ſey, erkannten da-
mahls alle die meinigen.
Damit ich nun allen Verdruß vermeiden moͤchte,
ſo uͤbergab ich nicht nur das Gut der Aufſicht und
Verwaltung meines Vaters, ſondern auch das
mir vermachte Geld, welches die Haͤlfte des Gel-
des war, das mein Grosvater bey ſeinem Tode
baar in ſeinem Hauſe hatte; denn die andere Haͤlf-
te hatte er an meine Schweſter vermacht. Jch
wollte mit dem vergnuͤgt ſeyn, was mir mein Va-
ter aus bloſſer Guͤtigkeit wuͤrde zuflieſſen laſſen,
und ich verlangte nicht einmahl eine Zulage zu
meinem Taſchen-Gelde. Jch meinte, daß ich
allen Neid gleichſam eingewiget haͤtte: allein
mein Bruder und meine Schweſter wurden, wie
ich nun einſehe, nur noch neidiſcher auf die Liebe
die meines Vaters Bruͤder auf mich wurfen, und
auf das Vergnuͤgen, das ſie und mein Vater we-
gen der von meinem Gehorſam gegebenen Pro-
be bezeugeten. Bey aller Gelegenheit waren ſie
alſo bereit, mir heimlich Verdruß zu erwecken.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/142>, abgerufen am 27.11.2024.
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