Jch ließ mich aber dis nicht sehr anfechten: denn ich meinte, nachdem die Ursache aus dem Wege geräumet wäre, die sie hatten auf mich neidisch zu seyn, so wäre alles nur eine Frucht des Muth- willens, der meinem Bruder und meiner Schwe- ster so natürlich ist.
Bald darauf erbte mein Bruder das Gut sei- ner Pathe. Das war für uns alle ein Glück: und noch ein grösseres Glück war es, daß er nach Schottland reisete, um es in Besitz zu nehmen, und eine so angenehme Ursache hatte lange auszu- bleiben. Der Lord M. that darauf den Antrag wegen meiner Schwester; und das war ein aber- mahliges Glück von kurtzer Dauer für uns alle, denn meine Schwester war damahls ausserordent- lich aufgeräumet, wie ich Jhnen schon gemeldet habe.
Sie wissen, wie es mit diesem Vorschlage abge- lauffen, und was an dessen Stelle gekommen ist.
So bald mein Bruder aus Schottland zurück- gekommen war, so war alles wieder uneinig. Mei- ne Schwester Arabella wuste sich gegen meinen Bruder anzustellen, als wenn sie Herrn Love- lace wegen seines unordentlichen Lebens abschlä- gige Antwort gegeben hätte. Dieses vereinigte meinen Bruder und meine Schwester, daß sie wieder mich gemeinschaftliche Sache machen kon- ten. Sie gaben sich Mühe, Herrn Lovelace und so gar seine Familie (welche doch gewiß alle Hochachtung verdient) bey jeder Gelegenheit her- unter zu setzen und verächtlich zu machen. Die-
ses
der Clariſſa.
Jch ließ mich aber dis nicht ſehr anfechten: denn ich meinte, nachdem die Urſache aus dem Wege geraͤumet waͤre, die ſie hatten auf mich neidiſch zu ſeyn, ſo waͤre alles nur eine Frucht des Muth- willens, der meinem Bruder und meiner Schwe- ſter ſo natuͤrlich iſt.
Bald darauf erbte mein Bruder das Gut ſei- ner Pathe. Das war fuͤr uns alle ein Gluͤck: und noch ein groͤſſeres Gluͤck war es, daß er nach Schottland reiſete, um es in Beſitz zu nehmen, und eine ſo angenehme Urſache hatte lange auszu- bleiben. Der Lord M. that darauf den Antrag wegen meiner Schweſter; und das war ein aber- mahliges Gluͤck von kurtzer Dauer fuͤr uns alle, denn meine Schweſter war damahls auſſerordent- lich aufgeraͤumet, wie ich Jhnen ſchon gemeldet habe.
Sie wiſſen, wie es mit dieſem Vorſchlage abge- lauffen, und was an deſſen Stelle gekommen iſt.
So bald mein Bruder aus Schottland zuruͤck- gekommen war, ſo war alles wieder uneinig. Mei- ne Schweſter Arabella wuſte ſich gegen meinen Bruder anzuſtellen, als wenn ſie Herrn Love- lace wegen ſeines unordentlichen Lebens abſchlaͤ- gige Antwort gegeben haͤtte. Dieſes vereinigte meinen Bruder und meine Schweſter, daß ſie wieder mich gemeinſchaftliche Sache machen kon- ten. Sie gaben ſich Muͤhe, Herrn Lovelace und ſo gar ſeine Familie (welche doch gewiß alle Hochachtung verdient) bey jeder Gelegenheit her- unter zu ſetzen und veraͤchtlich zu machen. Die-
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der Clariſſa.
Jch ließ mich aber dis nicht ſehr anfechten: denn
ich meinte, nachdem die Urſache aus dem Wege
geraͤumet waͤre, die ſie hatten auf mich neidiſch
zu ſeyn, ſo waͤre alles nur eine Frucht des Muth-
willens, der meinem Bruder und meiner Schwe-
ſter ſo natuͤrlich iſt.
Bald darauf erbte mein Bruder das Gut ſei-
ner Pathe. Das war fuͤr uns alle ein Gluͤck:
und noch ein groͤſſeres Gluͤck war es, daß er nach
Schottland reiſete, um es in Beſitz zu nehmen,
und eine ſo angenehme Urſache hatte lange auszu-
bleiben. Der Lord M. that darauf den Antrag
wegen meiner Schweſter; und das war ein aber-
mahliges Gluͤck von kurtzer Dauer fuͤr uns alle,
denn meine Schweſter war damahls auſſerordent-
lich aufgeraͤumet, wie ich Jhnen ſchon gemeldet
habe.
Sie wiſſen, wie es mit dieſem Vorſchlage abge-
lauffen, und was an deſſen Stelle gekommen iſt.
So bald mein Bruder aus Schottland zuruͤck-
gekommen war, ſo war alles wieder uneinig. Mei-
ne Schweſter Arabella wuſte ſich gegen meinen
Bruder anzuſtellen, als wenn ſie Herrn Love-
lace wegen ſeines unordentlichen Lebens abſchlaͤ-
gige Antwort gegeben haͤtte. Dieſes vereinigte
meinen Bruder und meine Schweſter, daß ſie
wieder mich gemeinſchaftliche Sache machen kon-
ten. Sie gaben ſich Muͤhe, Herrn Lovelace
und ſo gar ſeine Familie (welche doch gewiß alle
Hochachtung verdient) bey jeder Gelegenheit her-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/143>, abgerufen am 23.11.2024.
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