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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

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Die Geschichte
grössere Absichten/ nemlich ihm den weit
höhern Rang und Titel zu verschaffen/ der
verloschen sey/ als der Vater seiner Halb-
Schwestern ohne männliche Erben gestor-
ben. Diese Absicht machte eben/ daß seine
Verwandten so ernstlich auf seine Vermäh-
lung dächten. Er selbst wüste keine bessere
Parthey für Herrn Lovelace auszusinnen:
und unsere Familie hätte Mittel genug/ den
Staat drey vornehmer Häuser davon zu
führen. Er könnte also nicht leugnen/
daß er diese Vermählung sehr gern sehen
würde: weil ihn Herrn Lovelaces Herkom-
men und Mittel hoffen liessen/ daß seine
Clärchen dereinst in den hohen Adel des
Königreichs kommen könnte. Bey dieser
Hoffnung
(hier ist die Wunde, die eben den em-
pfindlichsten Ort getroffen hat) hielte er für
dienlich/ solche Anstalten zu machen/ daß
sich Clärchen ihrem Stande gemäß möchte
aufführen können.

Der andre Bruder meines Vaters stimmet
diesen Absichten vollkommen bey. Er sagte: die
üble Lebens-Art/ welche man Herrn
Love-
lace schuld gebe/ sey das eintzige/ so gegen
ihn eingewendet werden könnte. Denn
sonst könnte mein Vater genugsam für
meinen Bruder und für meine Schwester
sorgen; und mein Bruder hätte ohnehin
schon ein ansehnliches Gut von seiner
Pathe geerbet.

Wenn

Die Geſchichte
groͤſſere Abſichten/ nemlich ihm den weit
hoͤhern Rang und Titel zu verſchaffen/ der
verloſchen ſey/ als der Vater ſeiner Halb-
Schweſtern ohne maͤnnliche Erben geſtor-
ben. Dieſe Abſicht machte eben/ daß ſeine
Verwandten ſo ernſtlich auf ſeine Vermaͤh-
lung daͤchten. Er ſelbſt wuͤſte keine beſſere
Parthey fuͤr Herrn Lovelace auszuſinnen:
und unſere Familie haͤtte Mittel genug/ den
Staat drey vornehmer Haͤuſer davon zu
fuͤhren. Er koͤnnte alſo nicht leugnen/
daß er dieſe Vermaͤhlung ſehr gern ſehen
wuͤrde: weil ihn Herrn Lovelaces Herkom-
men und Mittel hoffen lieſſen/ daß ſeine
Claͤrchen dereinſt in den hohen Adel des
Koͤnigreichs kommen koͤnnte. Bey dieſer
Hoffnung
(hier iſt die Wunde, die eben den em-
pfindlichſten Ort getroffen hat) hielte er fuͤr
dienlich/ ſolche Anſtalten zu machen/ daß
ſich Claͤrchen ihrem Stande gemaͤß moͤchte
auffuͤhren koͤnnen.

Der andre Bruder meines Vaters ſtimmet
dieſen Abſichten vollkommen bey. Er ſagte: die
uͤble Lebens-Art/ welche man Herrn
Love-
lace ſchuld gebe/ ſey das eintzige/ ſo gegen
ihn eingewendet werden koͤnnte. Denn
ſonſt koͤnnte mein Vater genugſam fuͤr
meinen Bruder und fuͤr meine Schweſter
ſorgen; und mein Bruder haͤtte ohnehin
ſchon ein anſehnliches Gut von ſeiner
Pathe geerbet.

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[128/0148] Die Geſchichte groͤſſere Abſichten/ nemlich ihm den weit hoͤhern Rang und Titel zu verſchaffen/ der verloſchen ſey/ als der Vater ſeiner Halb- Schweſtern ohne maͤnnliche Erben geſtor- ben. Dieſe Abſicht machte eben/ daß ſeine Verwandten ſo ernſtlich auf ſeine Vermaͤh- lung daͤchten. Er ſelbſt wuͤſte keine beſſere Parthey fuͤr Herrn Lovelace auszuſinnen: und unſere Familie haͤtte Mittel genug/ den Staat drey vornehmer Haͤuſer davon zu fuͤhren. Er koͤnnte alſo nicht leugnen/ daß er dieſe Vermaͤhlung ſehr gern ſehen wuͤrde: weil ihn Herrn Lovelaces Herkom- men und Mittel hoffen lieſſen/ daß ſeine Claͤrchen dereinſt in den hohen Adel des Koͤnigreichs kommen koͤnnte. Bey dieſer Hoffnung (hier iſt die Wunde, die eben den em- pfindlichſten Ort getroffen hat) hielte er fuͤr dienlich/ ſolche Anſtalten zu machen/ daß ſich Claͤrchen ihrem Stande gemaͤß moͤchte auffuͤhren koͤnnen. Der andre Bruder meines Vaters ſtimmet dieſen Abſichten vollkommen bey. Er ſagte: die uͤble Lebens-Art/ welche man Herrn Love- lace ſchuld gebe/ ſey das eintzige/ ſo gegen ihn eingewendet werden koͤnnte. Denn ſonſt koͤnnte mein Vater genugſam fuͤr meinen Bruder und fuͤr meine Schweſter ſorgen; und mein Bruder haͤtte ohnehin ſchon ein anſehnliches Gut von ſeiner Pathe geerbet. Wenn

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/148>, abgerufen am 19.05.2024.