Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
schaftlichen Feinde in einem genauen Bündniß
stünde. Hingegen haben sie seit der Zeit stets ge-
meinschaftliche Sache gemacht, und alles was sie
vermochten angewandt, die Heyrath zu hintertrei-
ben, die ihren Absichten so sehr im Wege stand.

Allein schien dieses nicht unmöglich, nachdem
sich meines Vaters Brüder so deutlich erklärt hat-
ten? Nein! mein Bruder wußte Mittel zu finden,
und meine Schwester leistete ihm allen Beystand.
Sie machten, daß die Einigkeit in unserm Hau-
se gestört, und ein jeder mißvergnügt gemacht
ward. Herrn Lovelace ward nach und nach
immer kaltsinniger von jedermann begegnet: und
da er sich durch blosse Kaltsinnigkeit nicht abwei-
sen lassen wollte, so erfolgten bald allerhand
schimpfliche und unanständige Begegnungen; es
kam so weit, daß man ihn fast herausfoderte:
und endlich erfolgte die Schlägerey. Dieses
Mittel that die gehoffte Wirckung. Will ich ih-
nen nunmehr nicht zu Gefallen seyn, so will man
wegen des grosväterlichen Guts einen Proceß
mit mir anfangen, und, so wenig ich auch gesucht
habe mich der Freyheit zu bedienen, die ich durch
das Testament meines Grosvaters hätte erlan-
gen können, so will man mich doch in den Stand
setzen: daß ich mich so vollkommen nach
meines Vaters Willen richten müsse/ als
es bey einer Tochter nöthig ist/ die ihr eig-
nes Bestes nicht versteht.
Dis ist die Spra-
che, die jetzt in unserm Hause geredet wird.

Aber o wie glücklich werden wir insgesamt nach

dem

Die Geſchichte
ſchaftlichen Feinde in einem genauen Buͤndniß
ſtuͤnde. Hingegen haben ſie ſeit der Zeit ſtets ge-
meinſchaftliche Sache gemacht, und alles was ſie
vermochten angewandt, die Heyrath zu hintertrei-
ben, die ihren Abſichten ſo ſehr im Wege ſtand.

Allein ſchien dieſes nicht unmoͤglich, nachdem
ſich meines Vaters Bruͤder ſo deutlich erklaͤrt hat-
ten? Nein! mein Bruder wußte Mittel zu finden,
und meine Schweſter leiſtete ihm allen Beyſtand.
Sie machten, daß die Einigkeit in unſerm Hau-
ſe geſtoͤrt, und ein jeder mißvergnuͤgt gemacht
ward. Herrn Lovelace ward nach und nach
immer kaltſinniger von jedermann begegnet: und
da er ſich durch bloſſe Kaltſinnigkeit nicht abwei-
ſen laſſen wollte, ſo erfolgten bald allerhand
ſchimpfliche und unanſtaͤndige Begegnungen; es
kam ſo weit, daß man ihn faſt herausfoderte:
und endlich erfolgte die Schlaͤgerey. Dieſes
Mittel that die gehoffte Wirckung. Will ich ih-
nen nunmehr nicht zu Gefallen ſeyn, ſo will man
wegen des grosvaͤterlichen Guts einen Proceß
mit mir anfangen, und, ſo wenig ich auch geſucht
habe mich der Freyheit zu bedienen, die ich durch
das Teſtament meines Grosvaters haͤtte erlan-
gen koͤnnen, ſo will man mich doch in den Stand
ſetzen: daß ich mich ſo vollkommen nach
meines Vaters Willen richten muͤſſe/ als
es bey einer Tochter noͤthig iſt/ die ihr eig-
nes Beſtes nicht verſteht.
Dis iſt die Spra-
che, die jetzt in unſerm Hauſe geredet wird.

Aber o wie gluͤcklich werden wir insgeſamt nach

dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0150" n="130"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;chaftlichen Feinde in einem genauen Bu&#x0364;ndniß<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;nde. Hingegen haben &#x017F;ie &#x017F;eit der Zeit &#x017F;tets ge-<lb/>
mein&#x017F;chaftliche Sache gemacht, und alles was &#x017F;ie<lb/>
vermochten angewandt, die Heyrath zu hintertrei-<lb/>
ben, die ihren Ab&#x017F;ichten &#x017F;o &#x017F;ehr im Wege &#x017F;tand.</p><lb/>
        <p>Allein &#x017F;chien die&#x017F;es nicht unmo&#x0364;glich, nachdem<lb/>
&#x017F;ich meines Vaters Bru&#x0364;der &#x017F;o deutlich erkla&#x0364;rt hat-<lb/>
ten? Nein! mein Bruder wußte Mittel zu finden,<lb/>
und meine Schwe&#x017F;ter lei&#x017F;tete ihm allen Bey&#x017F;tand.<lb/>
Sie machten, daß die Einigkeit in un&#x017F;erm Hau-<lb/>
&#x017F;e ge&#x017F;to&#x0364;rt, und ein jeder mißvergnu&#x0364;gt gemacht<lb/>
ward. Herrn L<hi rendition="#fr">ovelace</hi> ward nach und nach<lb/>
immer kalt&#x017F;inniger von jedermann begegnet: und<lb/>
da er &#x017F;ich durch blo&#x017F;&#x017F;e Kalt&#x017F;innigkeit nicht abwei-<lb/>
&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en wollte, &#x017F;o erfolgten bald allerhand<lb/>
&#x017F;chimpfliche und unan&#x017F;ta&#x0364;ndige Begegnungen; es<lb/>
kam &#x017F;o weit, daß man ihn fa&#x017F;t herausfoderte:<lb/>
und endlich erfolgte die Schla&#x0364;gerey. Die&#x017F;es<lb/>
Mittel that die gehoffte Wirckung. Will ich ih-<lb/>
nen nunmehr nicht zu Gefallen &#x017F;eyn, &#x017F;o will man<lb/>
wegen des grosva&#x0364;terlichen Guts einen Proceß<lb/>
mit mir anfangen, und, &#x017F;o wenig ich auch ge&#x017F;ucht<lb/>
habe mich der Freyheit zu bedienen, die ich durch<lb/>
das Te&#x017F;tament meines Grosvaters ha&#x0364;tte erlan-<lb/>
gen ko&#x0364;nnen, &#x017F;o will man mich doch in den Stand<lb/>
&#x017F;etzen: <hi rendition="#fr">daß ich mich &#x017F;o vollkommen nach<lb/>
meines Vaters Willen richten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ als<lb/>
es bey einer Tochter no&#x0364;thig i&#x017F;t/ die ihr eig-<lb/>
nes Be&#x017F;tes nicht ver&#x017F;teht.</hi> Dis i&#x017F;t die Spra-<lb/>
che, die jetzt in un&#x017F;erm Hau&#x017F;e geredet wird.</p><lb/>
        <p>Aber o wie glu&#x0364;cklich werden wir insge&#x017F;amt nach<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0150] Die Geſchichte ſchaftlichen Feinde in einem genauen Buͤndniß ſtuͤnde. Hingegen haben ſie ſeit der Zeit ſtets ge- meinſchaftliche Sache gemacht, und alles was ſie vermochten angewandt, die Heyrath zu hintertrei- ben, die ihren Abſichten ſo ſehr im Wege ſtand. Allein ſchien dieſes nicht unmoͤglich, nachdem ſich meines Vaters Bruͤder ſo deutlich erklaͤrt hat- ten? Nein! mein Bruder wußte Mittel zu finden, und meine Schweſter leiſtete ihm allen Beyſtand. Sie machten, daß die Einigkeit in unſerm Hau- ſe geſtoͤrt, und ein jeder mißvergnuͤgt gemacht ward. Herrn Lovelace ward nach und nach immer kaltſinniger von jedermann begegnet: und da er ſich durch bloſſe Kaltſinnigkeit nicht abwei- ſen laſſen wollte, ſo erfolgten bald allerhand ſchimpfliche und unanſtaͤndige Begegnungen; es kam ſo weit, daß man ihn faſt herausfoderte: und endlich erfolgte die Schlaͤgerey. Dieſes Mittel that die gehoffte Wirckung. Will ich ih- nen nunmehr nicht zu Gefallen ſeyn, ſo will man wegen des grosvaͤterlichen Guts einen Proceß mit mir anfangen, und, ſo wenig ich auch geſucht habe mich der Freyheit zu bedienen, die ich durch das Teſtament meines Grosvaters haͤtte erlan- gen koͤnnen, ſo will man mich doch in den Stand ſetzen: daß ich mich ſo vollkommen nach meines Vaters Willen richten muͤſſe/ als es bey einer Tochter noͤthig iſt/ die ihr eig- nes Beſtes nicht verſteht. Dis iſt die Spra- che, die jetzt in unſerm Hauſe geredet wird. Aber o wie gluͤcklich werden wir insgeſamt nach dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/150
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/150>, abgerufen am 23.11.2024.