derungen erst vor einer Stunde geschlossen ha- be, an den bestimmten Ort legte, so fand sie Jhr heutiges Schreiben. Jch bin Jhnen für Jhre gütige Bemühung verbunden. Diese Ant- wort darauf soll so bald an Ort und Stelle ge- bracht werden, daß Jhr Diener sie hoffentlich zu- gleich mit dem vorigen Briefe überbringen wird. Es wird aber nichts darin stehen, als ein Danck für Jhre Liebe und Freundschaft gegen mich, und die betrübte Wahrheit, daß meine Besorgniß von Tage zu Tage zunimmt.
Jch muß nothwendig Gelegenheit suchen, mit meiner Mutter allein zu sprechen, und sie um ein gütiges Vorwort für mich zu bitten: sonst stehe ich in Gefahr, daß ein gewisser Tag zur Hochzeit vest gesetzt und der Eckel, mit dem ich an Solmes dencke, für die Frucht der Blödigkeit gehalten wird. Sollten sich Schwestern nicht als Schwe- stern gegen einander aufführen? Sollten sie nicht bey einer solchen Gelegenheit, als diese ist, gemein- schaftliche Sachen machen, und es als eine Sache ansehen, die ein jedes Frauenzimmer angehet? Allein meine Schwester hat die eigennützigen Absich- ten meines Bruders, mit dem sie vermuthlich alles abgeredet hatte, zu befördern gesucht, und in Ge- genwart der gantzen Familie so ernstlich, als sie zu seyn pflegt, wenn sie etwas durchaus haben will, darauf gedrungen, daß man mir einen Tag bestimmen, und mir drohen müste, daß ich mein gantzes Erbtheil und die Liebe aller meiner Ange- hörigen verlieren sollte, wenn ich nicht Gehorsam
leisten
Die Geſchichte
derungen erſt vor einer Stunde geſchloſſen ha- be, an den beſtimmten Ort legte, ſo fand ſie Jhr heutiges Schreiben. Jch bin Jhnen fuͤr Jhre guͤtige Bemuͤhung verbunden. Dieſe Ant- wort darauf ſoll ſo bald an Ort und Stelle ge- bracht werden, daß Jhr Diener ſie hoffentlich zu- gleich mit dem vorigen Briefe uͤberbringen wird. Es wird aber nichts darin ſtehen, als ein Danck fuͤr Jhre Liebe und Freundſchaft gegen mich, und die betruͤbte Wahrheit, daß meine Beſorgniß von Tage zu Tage zunimmt.
Jch muß nothwendig Gelegenheit ſuchen, mit meiner Mutter allein zu ſprechen, und ſie um ein guͤtiges Vorwort fuͤr mich zu bitten: ſonſt ſtehe ich in Gefahr, daß ein gewiſſer Tag zur Hochzeit veſt geſetzt und der Eckel, mit dem ich an Solmes dencke, fuͤr die Frucht der Bloͤdigkeit gehalten wird. Sollten ſich Schweſtern nicht als Schwe- ſtern gegen einander auffuͤhren? Sollten ſie nicht bey einer ſolchen Gelegenheit, als dieſe iſt, gemein- ſchaftliche Sachen machen, und es als eine Sache anſehen, die ein jedes Frauenzimmer angehet? Allein meine Schweſteꝛ hat die eigeñuͤtzigen Abſich- ten meines Bruders, mit dem ſie vermuthlich alles abgeredet hatte, zu befoͤrdern geſucht, und in Ge- genwart der gantzen Familie ſo ernſtlich, als ſie zu ſeyn pflegt, wenn ſie etwas durchaus haben will, darauf gedrungen, daß man mir einen Tag beſtimmen, und mir drohen muͤſte, daß ich mein gantzes Erbtheil und die Liebe aller meiner Ange- hoͤrigen verlieren ſollte, wenn ich nicht Gehorſam
leiſten
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Die Geſchichte
derungen erſt vor einer Stunde geſchloſſen ha-
be, an den beſtimmten Ort legte, ſo fand ſie
Jhr heutiges Schreiben. Jch bin Jhnen fuͤr
Jhre guͤtige Bemuͤhung verbunden. Dieſe Ant-
wort darauf ſoll ſo bald an Ort und Stelle ge-
bracht werden, daß Jhr Diener ſie hoffentlich zu-
gleich mit dem vorigen Briefe uͤberbringen wird.
Es wird aber nichts darin ſtehen, als ein Danck
fuͤr Jhre Liebe und Freundſchaft gegen mich, und
die betruͤbte Wahrheit, daß meine Beſorgniß
von Tage zu Tage zunimmt.
Jch muß nothwendig Gelegenheit ſuchen, mit
meiner Mutter allein zu ſprechen, und ſie um ein
guͤtiges Vorwort fuͤr mich zu bitten: ſonſt ſtehe ich
in Gefahr, daß ein gewiſſer Tag zur Hochzeit veſt
geſetzt und der Eckel, mit dem ich an Solmes
dencke, fuͤr die Frucht der Bloͤdigkeit gehalten
wird. Sollten ſich Schweſtern nicht als Schwe-
ſtern gegen einander auffuͤhren? Sollten ſie nicht
bey einer ſolchen Gelegenheit, als dieſe iſt, gemein-
ſchaftliche Sachen machen, und es als eine Sache
anſehen, die ein jedes Frauenzimmer angehet?
Allein meine Schweſteꝛ hat die eigeñuͤtzigen Abſich-
ten meines Bruders, mit dem ſie vermuthlich alles
abgeredet hatte, zu befoͤrdern geſucht, und in Ge-
genwart der gantzen Familie ſo ernſtlich, als ſie
zu ſeyn pflegt, wenn ſie etwas durchaus haben
will, darauf gedrungen, daß man mir einen Tag
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/160>, abgerufen am 27.11.2024.
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