Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
"führung gegen dich mütterliche Zärtlichkeit. Du
"kanst wol mercken, daß ich nicht gern von einer
"dir verdrießlichen Sache mit dir zu reden über
"mich genommen habe, weil ich selbst den Mann
"in einigen Stücken noch besser wünschte, und
"weil ich weiß, daß du an einem Bräutigam eine
"übertriebene Vollkommenheit suchest.

"Halten sie mir nur dieses mahl, sagte ich,
"entschuldiget. Jst denn einige Gefahr, daß
"ich etwas unbesonnenes in Absicht auf denje-
"nigen, auf welchen sie zielen, vornehmen werde.

"Noch einmal in die Rede gefallen! Sollst du
"mich denn fragen, und die Sache mit mir aus-
"fechten? du weißt, daß wird an einem andern
"Orte nicht angehen: wahrhaftig es wird nicht
"angehen. Was hast du unartiges Mädchen denn
"für Ursachen, es gegen mich zu versuchen, als
"weil du meynst, ich sey so gütig, daß du es
"mir wohl bieten dürfest."

"Was soll ich sagen? was soll ich thun?
"Was kan doch für eine Ursache dazu vorhan-
"den seyn, daß keine Vorstellung von mir an-
"genommen werden soll?

"Noch einmahl, Clarissa Harlowe?

"Vergeben Sie mir, allerliebste Mutter. Jch
"habe stets meine Ehre und mein Vergnügen
"darin gesucht, daß ich ihnen Gehorsam gelei-
"stet habe. Aber sehen sie doch den Mann nur
"an! wie ungestalt! wie unangenehm!

"Nun
L 3

der Clariſſa.
„fuͤhrung gegen dich muͤtterliche Zaͤrtlichkeit. Du
„kanſt wol mercken, daß ich nicht gern von einer
„dir verdrießlichen Sache mit dir zu reden uͤber
„mich genommen habe, weil ich ſelbſt den Mann
„in einigen Stuͤcken noch beſſer wuͤnſchte, und
„weil ich weiß, daß du an einem Braͤutigam eine
„uͤbertriebene Vollkommenheit ſucheſt.

„Halten ſie mir nur dieſes mahl, ſagte ich,
„entſchuldiget. Jſt denn einige Gefahr, daß
„ich etwas unbeſonnenes in Abſicht auf denje-
„nigen, auf welchen ſie zielen, vornehmen werde.

„Noch einmal in die Rede gefallen! Sollſt du
„mich denn fragen, und die Sache mit mir aus-
„fechten? du weißt, daß wird an einem andern
„Orte nicht angehen: wahrhaftig es wird nicht
„angehen. Was haſt du unartiges Maͤdchen denn
„fuͤr Urſachen, es gegen mich zu verſuchen, als
„weil du meynſt, ich ſey ſo guͤtig, daß du es
„mir wohl bieten duͤrfeſt.„

„Was ſoll ich ſagen? was ſoll ich thun?
„Was kan doch fuͤr eine Urſache dazu vorhan-
„den ſeyn, daß keine Vorſtellung von mir an-
„genommen werden ſoll?

„Noch einmahl, Clariſſa Harlowe?

„Vergeben Sie mir, allerliebſte Mutter. Jch
„habe ſtets meine Ehre und mein Vergnuͤgen
„darin geſucht, daß ich ihnen Gehorſam gelei-
„ſtet habe. Aber ſehen ſie doch den Mann nur
„an! wie ungeſtalt! wie unangenehm!

„Nun
L 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0185" n="165"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi></hi></fw><lb/>
&#x201E;fu&#x0364;hrung gegen dich mu&#x0364;tterliche Za&#x0364;rtlichkeit. Du<lb/>
&#x201E;kan&#x017F;t wol mercken, daß ich nicht gern von einer<lb/>
&#x201E;dir verdrießlichen Sache mit dir zu reden u&#x0364;ber<lb/>
&#x201E;mich genommen habe, weil ich &#x017F;elb&#x017F;t den Mann<lb/>
&#x201E;in einigen Stu&#x0364;cken noch be&#x017F;&#x017F;er wu&#x0364;n&#x017F;chte, und<lb/>
&#x201E;weil ich weiß, daß du an einem Bra&#x0364;utigam eine<lb/>
&#x201E;u&#x0364;bertriebene Vollkommenheit &#x017F;uche&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Halten &#x017F;ie mir nur die&#x017F;es mahl, &#x017F;agte ich,<lb/>
&#x201E;ent&#x017F;chuldiget. J&#x017F;t denn einige Gefahr, daß<lb/>
&#x201E;ich etwas unbe&#x017F;onnenes in Ab&#x017F;icht auf denje-<lb/>
&#x201E;nigen, auf welchen &#x017F;ie zielen, vornehmen werde.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Noch einmal in die Rede gefallen! Soll&#x017F;t du<lb/>
&#x201E;mich denn fragen, und die Sache mit mir aus-<lb/>
&#x201E;fechten? du weißt, daß wird an einem andern<lb/>
&#x201E;Orte nicht angehen: wahrhaftig es wird nicht<lb/>
&#x201E;angehen. Was ha&#x017F;t du unartiges Ma&#x0364;dchen denn<lb/>
&#x201E;fu&#x0364;r Ur&#x017F;achen, es gegen mich zu ver&#x017F;uchen, als<lb/>
&#x201E;weil du meyn&#x017F;t, ich &#x017F;ey &#x017F;o gu&#x0364;tig, daß du es<lb/>
&#x201E;mir wohl bieten du&#x0364;rfe&#x017F;t.&#x201E;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was &#x017F;oll ich &#x017F;agen? was &#x017F;oll ich thun?<lb/>
&#x201E;Was kan doch fu&#x0364;r eine Ur&#x017F;ache dazu vorhan-<lb/>
&#x201E;den &#x017F;eyn, daß keine Vor&#x017F;tellung von mir an-<lb/>
&#x201E;genommen werden &#x017F;oll?</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">&#x201E;Noch einmahl, Clari&#x017F;&#x017F;a Harlowe?</hi> </p><lb/>
        <p>&#x201E;Vergeben Sie mir, allerlieb&#x017F;te Mutter. Jch<lb/>
&#x201E;habe &#x017F;tets meine Ehre und mein Vergnu&#x0364;gen<lb/>
&#x201E;darin ge&#x017F;ucht, daß ich ihnen Gehor&#x017F;am gelei-<lb/>
&#x201E;&#x017F;tet habe. Aber &#x017F;ehen &#x017F;ie doch den Mann nur<lb/>
&#x201E;an! wie unge&#x017F;talt! wie unangenehm!</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">L 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Nun</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0185] der Clariſſa. „fuͤhrung gegen dich muͤtterliche Zaͤrtlichkeit. Du „kanſt wol mercken, daß ich nicht gern von einer „dir verdrießlichen Sache mit dir zu reden uͤber „mich genommen habe, weil ich ſelbſt den Mann „in einigen Stuͤcken noch beſſer wuͤnſchte, und „weil ich weiß, daß du an einem Braͤutigam eine „uͤbertriebene Vollkommenheit ſucheſt. „Halten ſie mir nur dieſes mahl, ſagte ich, „entſchuldiget. Jſt denn einige Gefahr, daß „ich etwas unbeſonnenes in Abſicht auf denje- „nigen, auf welchen ſie zielen, vornehmen werde. „Noch einmal in die Rede gefallen! Sollſt du „mich denn fragen, und die Sache mit mir aus- „fechten? du weißt, daß wird an einem andern „Orte nicht angehen: wahrhaftig es wird nicht „angehen. Was haſt du unartiges Maͤdchen denn „fuͤr Urſachen, es gegen mich zu verſuchen, als „weil du meynſt, ich ſey ſo guͤtig, daß du es „mir wohl bieten duͤrfeſt.„ „Was ſoll ich ſagen? was ſoll ich thun? „Was kan doch fuͤr eine Urſache dazu vorhan- „den ſeyn, daß keine Vorſtellung von mir an- „genommen werden ſoll? „Noch einmahl, Clariſſa Harlowe? „Vergeben Sie mir, allerliebſte Mutter. Jch „habe ſtets meine Ehre und mein Vergnuͤgen „darin geſucht, daß ich ihnen Gehorſam gelei- „ſtet habe. Aber ſehen ſie doch den Mann nur „an! wie ungeſtalt! wie unangenehm! „Nun L 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/185
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/185>, abgerufen am 27.11.2024.