werden. Uns bleibt demnach keine andere Arbeit übrig, als unsere Wahl nach richtigen Grundsä- tzen anzustellen, und dabey Standhaftigkeit zu beweisen; den Ausgang aber der Vorsehung zu überlassen. So will ich mich bey gegenwärtigem Vorfall zu verhalten suchen, wenn Sie es billi- gen: und bitte Sie, mich nicht ohne Unterricht zu lassen, wenn Sie den Weg nicht billigen den ich mir vorsetze.
Allein wie werde ich es bey mir selbst verantwor- ten können, daß meine Mutter um meinetwillen viel auszustehen haben wird? Jch dencke, folgen- de Betrachtung sey nicht ungegründet: ihr Lei- den kan nicht lange währen, wenigstens nicht län- ger als bis der jetzige Streit auf eine oder andere Weise geendiget ist: dahingegen mein Unglück, wenn ich nachgebe, dauren würde so lange ich leb- te, indem ich meinen Eckel vor Herrn Solmes ohnmöglich überwinden kan. Da ich über dieses eine gegründete Vermuthung habe, daß sie sich wi- der ihren Willen in die Absichten der übrigen von der Familie hat ziehen lassen, so wird es sie desto weniger bekümmern, wenn diese Absichten nicht den Erfolg haben, den sie nach meiner Meinung billig nicht haben sollen.
Jch bin in kurtzer Zeit sehr weit gegangen: al- lein die Wunde traf mein Hertz. Aus den An- merckungen, die ich gegen Sie über das vorge- gangene gemacht habe, werden Sie nur allzu viel Standhaftigkeit von mir erwarten, wenn ich eine abermalige Unterredung mit meiner Mutter ha-
ben
O 3
der Clariſſa.
werden. Uns bleibt demnach keine andere Arbeit uͤbrig, als unſere Wahl nach richtigen Grundſaͤ- tzen anzuſtellen, und dabey Standhaftigkeit zu beweiſen; den Ausgang aber der Vorſehung zu uͤberlaſſen. So will ich mich bey gegenwaͤrtigem Vorfall zu verhalten ſuchen, wenn Sie es billi- gen: und bitte Sie, mich nicht ohne Unterricht zu laſſen, wenn Sie den Weg nicht billigen den ich mir vorſetze.
Allein wie werde ich es bey mir ſelbſt verantwor- ten koͤnnen, daß meine Mutter um meinetwillen viel auszuſtehen haben wird? Jch dencke, folgen- de Betrachtung ſey nicht ungegruͤndet: ihr Lei- den kan nicht lange waͤhren, wenigſtens nicht laͤn- ger als bis der jetzige Streit auf eine oder andere Weiſe geendiget iſt: dahingegen mein Ungluͤck, wenn ich nachgebe, dauren wuͤrde ſo lange ich leb- te, indem ich meinen Eckel vor Herrn Solmes ohnmoͤglich uͤberwinden kan. Da ich uͤber dieſes eine gegruͤndete Vermuthung habe, daß ſie ſich wi- der ihren Willen in die Abſichten der uͤbrigen von der Familie hat ziehen laſſen, ſo wird es ſie deſto weniger bekuͤmmern, wenn dieſe Abſichten nicht den Erfolg haben, den ſie nach meiner Meinung billig nicht haben ſollen.
Jch bin in kurtzer Zeit ſehr weit gegangen: al- lein die Wunde traf mein Hertz. Aus den An- merckungen, die ich gegen Sie uͤber das vorge- gangene gemacht habe, werden Sie nur allzu viel Standhaftigkeit von mir erwarten, wenn ich eine abermalige Unterredung mit meiner Mutter ha-
ben
O 3
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0233"n="213"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa.</hi></hi></fw><lb/>
werden. Uns bleibt demnach keine andere Arbeit<lb/>
uͤbrig, als unſere Wahl nach richtigen Grundſaͤ-<lb/>
tzen anzuſtellen, und dabey Standhaftigkeit zu<lb/>
beweiſen; den Ausgang aber der Vorſehung zu<lb/>
uͤberlaſſen. So will ich mich bey gegenwaͤrtigem<lb/>
Vorfall zu verhalten ſuchen, wenn Sie es billi-<lb/>
gen: und bitte Sie, mich nicht ohne Unterricht zu<lb/>
laſſen, wenn Sie den Weg nicht billigen den ich<lb/>
mir vorſetze.</p><lb/><p>Allein wie werde ich es bey mir ſelbſt verantwor-<lb/>
ten koͤnnen, daß meine Mutter um meinetwillen<lb/>
viel auszuſtehen haben wird? Jch dencke, folgen-<lb/>
de Betrachtung ſey nicht ungegruͤndet: <hirendition="#fr">ihr</hi> Lei-<lb/>
den kan nicht lange waͤhren, wenigſtens nicht laͤn-<lb/>
ger als bis der jetzige Streit auf eine oder andere<lb/>
Weiſe geendiget iſt: dahingegen <hirendition="#fr">mein</hi> Ungluͤck,<lb/>
wenn ich nachgebe, dauren wuͤrde ſo lange ich leb-<lb/>
te, indem ich meinen Eckel vor Herrn <hirendition="#fr">Solmes</hi><lb/>
ohnmoͤglich uͤberwinden kan. Da ich uͤber dieſes<lb/>
eine gegruͤndete Vermuthung habe, daß ſie ſich wi-<lb/>
der ihren Willen in die Abſichten der uͤbrigen von<lb/>
der Familie hat ziehen laſſen, ſo wird es ſie deſto<lb/>
weniger bekuͤmmern, wenn dieſe Abſichten nicht<lb/>
den Erfolg haben, den ſie nach meiner Meinung<lb/>
billig nicht haben <hirendition="#fr">ſollen.</hi></p><lb/><p>Jch bin in kurtzer Zeit ſehr weit gegangen: al-<lb/>
lein die Wunde traf mein Hertz. Aus den An-<lb/>
merckungen, die ich gegen Sie uͤber das vorge-<lb/>
gangene gemacht habe, werden Sie nur allzu viel<lb/>
Standhaftigkeit von mir erwarten, wenn ich eine<lb/>
abermalige Unterredung mit meiner Mutter ha-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">ben</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[213/0233]
der Clariſſa.
werden. Uns bleibt demnach keine andere Arbeit
uͤbrig, als unſere Wahl nach richtigen Grundſaͤ-
tzen anzuſtellen, und dabey Standhaftigkeit zu
beweiſen; den Ausgang aber der Vorſehung zu
uͤberlaſſen. So will ich mich bey gegenwaͤrtigem
Vorfall zu verhalten ſuchen, wenn Sie es billi-
gen: und bitte Sie, mich nicht ohne Unterricht zu
laſſen, wenn Sie den Weg nicht billigen den ich
mir vorſetze.
Allein wie werde ich es bey mir ſelbſt verantwor-
ten koͤnnen, daß meine Mutter um meinetwillen
viel auszuſtehen haben wird? Jch dencke, folgen-
de Betrachtung ſey nicht ungegruͤndet: ihr Lei-
den kan nicht lange waͤhren, wenigſtens nicht laͤn-
ger als bis der jetzige Streit auf eine oder andere
Weiſe geendiget iſt: dahingegen mein Ungluͤck,
wenn ich nachgebe, dauren wuͤrde ſo lange ich leb-
te, indem ich meinen Eckel vor Herrn Solmes
ohnmoͤglich uͤberwinden kan. Da ich uͤber dieſes
eine gegruͤndete Vermuthung habe, daß ſie ſich wi-
der ihren Willen in die Abſichten der uͤbrigen von
der Familie hat ziehen laſſen, ſo wird es ſie deſto
weniger bekuͤmmern, wenn dieſe Abſichten nicht
den Erfolg haben, den ſie nach meiner Meinung
billig nicht haben ſollen.
Jch bin in kurtzer Zeit ſehr weit gegangen: al-
lein die Wunde traf mein Hertz. Aus den An-
merckungen, die ich gegen Sie uͤber das vorge-
gangene gemacht habe, werden Sie nur allzu viel
Standhaftigkeit von mir erwarten, wenn ich eine
abermalige Unterredung mit meiner Mutter ha-
ben
O 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/233>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.