[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.der Clarissa. "siehet, daß sie zum Besten und Aufnahme der"gantzen Familie gereichet, die schon so viel Mittel "hat, als bey einer Familie vom höchsten Stan- "de erfodert werden, und deshalb nach einem hö- "hern Range trachten muß. So geringe dir die- "se Absichten vorkommen, so wichtig werden sie "von deinem Vater und von allen deinen Freun- "den geschätzt: und dein Vater wird gewiß die "Frage selbst entscheiden wollen, was zu seiner "Kinder Besten gereichet oder nicht. Deine all "zu philosophische Verachtung des Ranges, die "andere eine gezwungene Philosophie nennen, "schmeckt so sehr nach den besondern Grillen "eines eigenen Kopfes, daß wir nicht Lust haben, "uns darnach zu richten. Die wahre Demuth "und Bescheidenheit würde dich vielmehr lehren, "ein Mißtrauen in deine eigene Einfälle zu setzen, "und nicht Absichten zu tadeln, die das Exempel "der gantzen Welt rechtfertigt." Jch antwortete noch nicht. Sie redete fort: Jch dachte hiebey; warum suchte man mich zu
der Clariſſa. „ſiehet, daß ſie zum Beſten und Aufnahme der„gantzen Familie gereichet, die ſchon ſo viel Mittel „hat, als bey einer Familie vom hoͤchſten Stan- „de erfodert werden, und deshalb nach einem hoͤ- „hern Range trachten muß. So geringe dir die- „ſe Abſichten vorkommen, ſo wichtig werden ſie „von deinem Vater und von allen deinen Freun- „den geſchaͤtzt: und dein Vater wird gewiß die „Frage ſelbſt entſcheiden wollen, was zu ſeiner „Kinder Beſten gereichet oder nicht. Deine all „zu philoſophiſche Verachtung des Ranges, die „andere eine gezwungene Philoſophie nen̄en, „ſchmeckt ſo ſehr nach den beſondern Grillen „eines eigenen Kopfes, daß wir nicht Luſt haben, „uns darnach zu richten. Die wahre Demuth „und Beſcheidenheit wuͤrde dich vielmehr lehren, „ein Mißtrauen in deine eigene Einfaͤlle zu ſetzen, „und nicht Abſichten zu tadeln, die das Exempel „der gantzen Welt rechtfertigt.„ Jch antwortete noch nicht. Sie redete fort: Jch dachte hiebey; warum ſuchte man mich zu
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der Clariſſa.
„ſiehet, daß ſie zum Beſten und Aufnahme der
„gantzen Familie gereichet, die ſchon ſo viel Mittel
„hat, als bey einer Familie vom hoͤchſten Stan-
„de erfodert werden, und deshalb nach einem hoͤ-
„hern Range trachten muß. So geringe dir die-
„ſe Abſichten vorkommen, ſo wichtig werden ſie
„von deinem Vater und von allen deinen Freun-
„den geſchaͤtzt: und dein Vater wird gewiß die
„Frage ſelbſt entſcheiden wollen, was zu ſeiner
„Kinder Beſten gereichet oder nicht. Deine all
„zu philoſophiſche Verachtung des Ranges, die
„andere eine gezwungene Philoſophie nen̄en,
„ſchmeckt ſo ſehr nach den beſondern Grillen
„eines eigenen Kopfes, daß wir nicht Luſt haben,
„uns darnach zu richten. Die wahre Demuth
„und Beſcheidenheit wuͤrde dich vielmehr lehren,
„ein Mißtrauen in deine eigene Einfaͤlle zu ſetzen,
„und nicht Abſichten zu tadeln, die das Exempel
„der gantzen Welt rechtfertigt.„
Jch antwortete noch nicht. Sie redete fort:
„dein Vater hat wegen der guten Meynung, die
„er von deiner Klugheit, Gehorſam und Danck-
„barkeit hat, ſein Wort an deiner Stelle von ſich
„gegeben, als du noch bey der Fraͤulein Howe
„wareſt, und allerhand Contracte gemacht, die
„ſich auf deine Verheyrathung mit Herrn Sol-
„mes gruͤnden, und nunmehr nicht umgeſtoſſen
„werden koͤnnen.„
Jch dachte hiebey; warum ſuchte man mich
denn bey meiner Zuruͤckkunfft durch eine ſo ſonder-
bare und ernſthaffte Bewillkommung in Furche
zu
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